Juvanis

Mittwoch, Mai 23, 2007

Licht in der Finsternis

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Wir untersuchen den Sinnesstein, der den letzten Teil der Erinnerungen eines Mädchens an die Legende über den "Untergang von Orth" enthält. Goin kann Luzijas Version des eigenartigen, verschlüsselten Gedichts bestätigen, doch erst Ig'nea wartet mit wirklich neuen Erkenntnissen auf.


Sie läßt sich im Sensorium nieder und versetzt sich in Trance. Nach einer Stunde öffnet sie die Augen wieder und wir lauschen gespannt, was sie herausgefunden hat:

>>

Die erste Vision zeigt den Fusler in der Absteige des Magisters. Er schiebt eilig den Stein unter die Dielen, dann öffnet sich die Tür und man sieht Detritor im Türrahmen stehen, die uns wohl bekannte Schlägerei geht los.

Kurz davor ist derselbe Mann in einem Sinnsorium, er schaut sich gerade die Erinnerung im Stein an und wirkt euphorisch deshalb.

Noch etwas weiter zurück sieht man den Mann mit einem blonden Elfen sprechen, das muß dieser Jarvis sein. Der Mann hat Angst.

Dann sieht sie ihn, wie er beim Renovieren einer abgebrannten Wohnung den Stein findet.

Davor beobachtet sie, wie der Magister der Sinnsaten die Wohnung und alles darin niederbrennt.

Zwei weitere Visionen zeigen den Magister, wie er in seiner Wohnung freudig erregt über seinen Studien sitzt.

Die letzte Szene liegt weiter zurück. Etwas wird über dem Stein weggeräumt, dann greifen Hände nach ihm.

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Das sind wirklich Neuigkeiten. Nun könnten wir uns ohrfeigen, dass wir den Betrunkenen nicht eingehender befragt hatten; vielleicht war der Stein zu seiner Zeit noch vollständig gewesen. Zumindest dürften mir die anderen dankbar sein, dass sie ihn nicht getötet haben, auch wenn er sich mittlerweile sicher über alle Berge gemacht hat.

Der Magister schien jedenfalls gewußt zu haben, dass er da auf etwas sehr Gefährliches gestoßen war; kein Sinnsat würde sonst freiwillig die Ergebnisse einer so langen und aufwändigen Nachforschung vernichten.
Leider hat es ihm nichts mehr genutzt.

Da uns der Stein selbst vorerst keine weiteren Geheimnisse enthüllt, bringe ich ihn zu einem der Verwalter. Man ist dankbar für die Wiederbeschaffung und ich erfahre, dass laut Eintragung dieser Stein von einer Sinnsatin namens Miriam vor fast tausend Jahren gefertigt wurde.

Furgas erbittet Informationen über Orth, und nach einer Weile erhält er einen Sinnesstein von einem gewissen Yachinx Varis. Jener erzählt darin von seiner Heimatwelt Athas, einer sehr heißen, sterbenden Welt, die nicht mehr erreichbar ist. Beiläufig erwähnt Varis in einem seiner Reiseberichte, dass es dort vor etwa 9000 Jahren eine Stadt namens Orth gab, bis sie durch irgendetwas vollkommen verbrannte, und das bei solch großer Hitze, dass an dieser Stelle nur noch eine riesige Glasplatte blieb - das Plateau von Orth.

Das interessiert uns nun doch. Vage kommt mir eine alte Erinnerung in den Sinn; hatten wir nicht damals, kurz vor unserem ersten Zusammentreffen mit Brenell in Irkbaz eine kleine Kuhle entdeckt, in der der Sand zu Glas verschmolzen war? Merkwürdig.

Wir erkundigen uns nach dem Buch, dessen Ende wir in dem Sinnesstein gelesen hatten. Vielleicht kann uns ja der Anfang der Geschichte einen Hinweis geben. Tatsächlich gibt es eine Kopie des "Untergang von Orth", doch als man danach schickt, stellt sich heraus - es ist weg. Zuletzt ausgeliehen vor einigen hundert Jahren, von Miriam. Langsam frustriert mich das ganze, immer sind wir einen Schritt hinterher.

Ig'nea bietet ihre Hilfe an, und unter den wachsamen Augen der beiden Sinnsaten dürfen wir die Bibliothek betreten. Sie bringen uns an die Stelle, an der das Buch hätte sein sollen, und wieder entschwindet Ig'nea in die Welt der Vergangenheit - ehrfürchtig und neidisch bestaunt von unseren Sinnsatenfreunden. Das könnten sie sicher auch gern!

Nach einer Weile ist sie wieder bei uns, doch sie hat nur gesehen, wie Miriam glücklich das Buch an sich nahm. Offensichtlich hat sie es geholt, gelesen, die Erinnerung dann aufgezeichnet um sie immer präsent zu haben, und ist dann mit dem Stein wieder gegangen. Aber wie kam es dann, dass ich in der Erinnerung durch das Fenster einen blauen Himmel, die Sonne und Wiesen gesehen habe? Hier in Sigil gibt es das nicht, und aus dem Gildenhaus entfernen darf man auch nichts.


Plötzlich hören wir von draußen einen Schrei! Furgas, der dem Ausgang am nächsten steht, ist als erster an der Tür und macht auf einmal einen Satz nach vorn. Ich sehe gerade noch, wie er die Hand nach einem kleinen, funkelnden Gegenstand ausstreckt, der offenbar nach ihm geworfen wurde, und ihn kurz bevor er auf dem Boden aufschlägt fangen kann. Vor uns liegt der Rezeptionist vor seinem Schreibtisch, sofort eilen die beiden Sinnsaten herbei und kümmern sich um ihn. Furgas rappelt sich auf, in seiner behandschuhten Faust liegt eine fragile Spindel in deren Mitte etwas schimmert.

Er sagt, dieser Jarvis habe über dem Mann am Boden gestanden und das Ding nach ihm geworfen, dann sei er von jetzt auf gleich verschwunden. Elidan untersucht die Umgebung und stellt fest, dass Jarvis sich offenbar direkt nach dem Wurf mittels Magie aus dem Staub gemacht hat.
Im Grunde kennen wir die Antwort schon, vergewissern uns aber dennoch: den Sinnesstein mit Miriams Erinnerung hat er mitgehen lassen. Er muß uns die ganze Zeit gefolgt sein und nur auf diesen Augenblick gewartet haben.

Plötzlich klirrt es - Furgas hat die Spindel fallenlassen! War es Absicht oder ist sie ihm nur entglitten? Auf dem Boden, da wo sie zerschellt ist, liegt auf einmal eine junge Frau. Sie ist dunkel gekleidet, mit auffällig großen Ohrringen, sieht aber trotz ihrer beachtlichen Ausrüstung müde und irgendwie planlos aus.
Keine Gefahr, denke ich mir, und überlasse es den anderen, sich mit der merkwürdigen Fremden zu beschäftigen. Wäre ein Dämon oder dergleichen aus dem Gefäß gesprungen hätte es mich weniger verwundert, aber mit einer angeschlagenen Frau werden sie schon zurecht kommen.
Ich will diesen Jarvis erwischen! Vielleicht entdecke ich ja noch eine Spur von ihm.

Dabei kommt mir die Form der Halle gerade recht: ich lasse mich durch einen der umlaufenden Arkadenbogen einfach in die offene Mittelhalle fallen und segele langsam nach unten Richtung Ausgang.

Und tatsächlich: fünf Stockwerke unter uns entdecke ich Jarvis! Er schlendert ganz ruhig und gemächlich die Arkaden entlang als könnte ihn kein Wässerchen trüben. Mit Sicherheit rechnet er jedenfalls nicht mit dem wütenden Engel, der ihm gleich ins Genick fliegt!
Schwungvoll aber geräuschlos tauche ich im Sturzflug durch den Arkadenbogen und reiße den blonden Elfen von den Füßen. Es gelingt mir leider nicht, ihn am Boden zu halten und flink wie ein Wiesel rappelt er sich wieder auf.
"Hallo Juvanis", grinst er mich frech an und streicht sich das derangierte Haar aus dem Gesicht. Ich stutze. Woher kennt der meinen Namen? Den sollte ich nicht unterschätzen. Er zeigt sich verhandlungswillig, doch ich bin mir nicht sicher, wie stark mein Gegner wirklich ist.

Den Stein, so macht er deutlich, wird er auf keinen Fall zurückgeben, aber er wäre bereit, mir "wertvolle Informationen" zu geben, die diesen Verlust ausgleichen würden - natürlich für eine Gegenleistung.
Nun bin ich erst Recht vorsichtig, denn diese Gegenleistungen bedeuten meist nichts gutes, und eine innere Stimme erinnert mich daran: unterschreibe nichts! Er verlangt zwei Dinge: dass ich ihn mit dem Stein ziehen lasse bevor seine "Plagen" ankämen (damit muß er wohl die Wachen der Sinnsaten meinen) und dass ich ihm eine Rangelei verspreche, in 24 Stunden am Schwarzen Segel.

Ich überlege schnell. Den Stein haben wir gründlich untersucht, er wäre wahrscheinlich sowieso für nichts mehr nutze; ihn zu verlieren ist vielleicht gar nicht so schlimm. Bei der Prügelei dagegen könnte es mir an den Kragen gehen - noch immer kann ich diesen unschuldig lächelnden Elfen nicht einschätzen.

Aber ich muß eine Entscheidung treffen und beschließe, dass wir schon irgendwie eine Lösung finden werden - und stimme zu. Hoffentlich bereue ich das später nicht.

Jarvis erzählt mir daraufhin, dass er im Auftrag seines Meisters handele, den er sehr liebe (er redet irgendwie komisch manchmal, so als ob er genau nachdenken müsse was oder wie er es sagt). Sein Meister habe einen Großen Meister, doch der liebe ihn nicht; er wäre so gern ein lieber Elf, darf es aber nicht sein, weil er getrieben wird. Der Kristall sei ein Wegweiser für die Zukunft und sei ein Gefallen gewesen von ihm an uns, den habe er uns nur tun können weil der Große Meister nichts von dem Kristall gewußt hatte.

Damit läßt Jarvis mich stehen, nicht ohne mich an mein Versprechen zu erinnern: ein Tag, Schwarzes Segel. Er hat dort ein Zimmer und will ordentlich einheizen, ihm sei oft so kalt - wo muß man herkommen, damit einem in so einer Höllenspelunke kalt ist? Mein Mut sinkt. Und was meinte er mit diesen verworrenen Informationen? Spricht er etwa von Brenell?


Nachdenklich kehre ich zu den anderen zurück. Der niedergeschlagene Sinnsat hat Jarvis' Angriff zum Glück überlebt, wir werden nur kurz befragt warum wir immer da sind, wenn es Ärger gibt - doch wir wissen es ja selbst nicht. Und selbst wenn hat man uns ja verboten, darüber zu reden, zu ihrem eigenen Schutz. Man läßt uns ziehen.

Bevor wir gehen, gibt Goin noch eine Suche in Auftrag: alles über Athas. Es wird teuer, da die meisten Informationen wohl erst kürzlich eingegangen sind, von eben diesem Yachinx Varis, und noch nicht katalogisiert wurden. Aber Goin hat ja die Staatskasse von Ipkunis im Rücken. Sofort erfahren wir nur, dass Athas eine sterbende Welt ist, die Magie hat sie leergesaugt, die Götter haben ihr Gesicht von dieser Welt abgewandt und alle Portale verschlossen. Nur dieser Yachinx scheint entkommen zu sein.

Die Fremde, so erzählen die anderen, nennt sich Ilondra, doch ob das ihr richtiger Name ist kann sie nicht sagen - ihre Erinnerungen sind fort. Ich muß an das denken, was Jarvis mir über den Kristall gesagt hat, doch hier will ich nicht darüber reden.

Ich nehme noch schnell die Erinnerung an mein Treffen mit Jarvis in einen Sinnesstein auf und gebe ihn zu Furgas' treuen Händen mit dem Auftrag, sollte mir etwas geschehen, so soll er diesen Stein benutzen.



Auf dem Weg zurück zu Ordos Haus wird Furgas von einem kleinen Tiefling beraubt und macht ein großes Aufhebens, aber am Ende erhält er seine Börse zurück und der kleine Dieb seine Läuterung; ein Räuber weniger, ein Bettler mehr.

In Ordos Haus kann ich endlich von meiner Begegnung mit Jarvis berichten. Den meisten jedenfalls, denn Furgas macht sich als erstes auf zu Artur, um zu beten. Wahrscheinlich um Vergebung für seine Sünden.
Die anderen sind zwar nicht begeistert dass ich Jarvis samt Stein habe ziehen lassen, aber immerhin habe ich ein paar neue Informationen. Sie sind zwar ebenso rätselhaft wie das Gedicht, das Luzija über Orth rezitiert hat, aber es sind Informationen! Wenn sie ihm bessere Fragen hätten stellen wollen hätten sie sich ja auch mal auf die Suche nach ihm machen können, statt Ilondra mit Fragen zu löchern, die sie ihnen später auch noch beantwortet hätte.

Ilondra wurde übrigens beim Eintritt ins Haus von Elochan, dem Hausmagier, überprüft. Er hat bestätigt dass jemand oder etwas ihr Gedächtnis gelöscht hat.
Dann erzähle ich von dem Duell, das mich morgen erwartet. Es tut wirklich gut zu wissen, dass noch immer die Kinder des Dorfes zusammenhalten: alle bieten mir sofort ihre Unterstützung an! Bis auf Furgas; er sagt, er müsse zu einem Gottesdienst gehen. Nun ja, manchmal muß man eben entscheiden, was einem wichtig ist, das sehe ich ein.


Am nächsten Tag erwache ich frisch und ausgeruht. Wenigstens schnarcht Furgas nicht mehr, seit er Paladin ist. Ich bin versucht zu sagen Torm sei dank.
Ich wecke ihn und die anderen, Furgas macht sich gleich auf den Weg zu seinem Gottesdienst.


Beim Frühstück bekomme ich vor Aufregung keinen Bissen hinunter, auch wenn ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. Worauf hab ich mich da bloß eingelassen. Dann begleiten mich Ig'nea, Goin, Detritor und Elidan zum Schwarzen Segel.
Unterwegs stößt plötzlich Furgas zu uns; scheinbar dauert so ein Gottesdienst nicht sehr lange.

Wenige Stunden später stehen wir vor dem düsteren Gebäude mit dem großen, schwarzen Segel. Von Jarvis keine Spur, also klopfen wir und jemand späht durch den Spion. "Nur die da", grunzt eine raue Stimme und eine fleischige Klaue deutet auf mich. Genau wie ich befürchtet hatte. Aber Wort ist Wort, und so gibt mir Furgas noch einen Segen mit auf den Weg, bevor ich allein die Höhle des Löwen betrete.

Kaum dass sich hinter mir die Türe schließt kommt es mir vor, als wäre ganz Sigil draußen verschwunden und ich in einer anderen Welt. Einer, in der es mir ganz und gar nicht gefällt. Der Türsteher, sieht aus wie ein riesiges Rhinozeros, grinst mich schmierig an und fragt ob er sich den Gang zurückdrücken muß oder ob ich unter seinen Beinen durchgehen würde. Mir wird schon beim Gedanken schlecht, und ein wenig mißmutig quetscht sich der Fleischberg dann in den Schankraum um mich durchzulassen.
Sofort verstummen die Gespräche der "Gäste"; durchweg Wesen aus den Unteren Ebenen, ein paar Menschen vielleicht hier und da aber ich schaue lieber nicht so genau hin. Eigentlich habe ich meine Fußzehen schon viel zu lange nicht mehr so richtig beachtet; sehr mutig fühle ich mich momentan nicht. Der Schankwirt knallt einen Krug auf den Tresen, und als ich daraufhin kurz zu ihm hinüber schaue, deutet er auf eine Treppe, die nach oben führt und knurrt: "Dritte rechts". Wie auf einem Spießrutenlauf durchquere ich den Raum und steige die Stufen hinauf, bemüht es nicht allzu eilig wirken zu lassen. Vor der Tür angekommen spreche ich einen Schutzzauber über mich aus, hole tief Luft und klopfe an.

Jarvis’ Stimme klingt gedämpft, die Tür muß enorm dick sein, er bittet mich herein. Vorsichtig drücke ich die Klinke und schiebe die Tür auf, sie ist tatsächlich fast eine Hand breit und hat gleich mehrere stabile Eisenschlösser.

Drinnen erwartet mich eine Überraschung: der Raum ist so luxuriös eingerichtet als wäre das hier nicht das Schwarze Segel sondern der Goldene Adler. Ein prächtiger Teppich mit verschlungenen Motiven bedeckt den gesamten Boden, Seidenvorhänge, gepolsterte Möbel, eine Kristallkaraffe mit einer dunklen Flüssigkeit steht neben einer überquellenden Schale mit frischem Obst auf einer edlen Holzanrichte.
Fast fühle ich mich ein wenig an Vellums Haus erinnert. Scheinbar haben Elfen eine Vorliebe für exquisite Einrichtung.

Jarvis hat es sich in einem großen Sessel bequem gemacht und hält ein halbvolles Glas in der Hand. Ein Buch liegt auf dem Tisch vor ihm, doch ich kann den Titel nicht lesen - muß eine fremde Sprache sein.

Eilig bietet er mir einen Sitzplatz an und macht sich an der Karaffe und einem zweiten Glas zu schaffen. Die Kabbelei? Ach ja, sicher, später. Ich hätte es doch nicht eilig, oder? Erst einmal soll ich es mir doch bequem machen. Ich bin etwas verwirrt, bis mir klar wird, dass er vermutlich nur Zeit schinden will damit meine Schutzzauber nachlassen.

Der Wein, den er mir schließlich überreicht, duftet schwer nach süßen Trauben, er sagt auch woher er stammt, aber von diesem Ort habe ich noch nie gehört. Bevor ich davon trinke, spreche ich einen Zauber über dem Glas aus, der Gifte neutralisiert - nur um sicher zu gehen. Er bemerkt es und meint zwar, es wäre schade um den schönen Alkohol, aber auch als Saft wäre es genießbar. Er hat Recht.

Als er gerade mit der Obstschale aufwarten will, wird plötzlich ein kleiner Zettel unter dem Türspalt hindurchgeschoben. Er runzelt die Stirn und hebt ihn auf, schüttelt seufzend den Kopf und reicht ihn mir. Es ist eine Nachricht von meinen Freunden! Sie haben sich mit Arthurs Hilfe Zutritt verschafft und warten nun auf ein Lebenszeichen von mir, ansonsten kommen sie hoch und retten mich!
Bei dem Gedanken wird mir ganz warm ums Herz. Was sie alles für mich riskieren würden! Aber bei all den Gestalten dort unten rechne ich mir keine großen Chancen für sie aus, auch Arthur ist nicht allmächtig.

Wieder muß ich schnell eine Entscheidung treffen. Bislang hat Jarvis sich friedlich verhalten, sogar zuvorkommend; vielleicht überschätze ich ihn ja und er blufft nur? Vielleicht ist er wirklich nur ein ganz normaler Elf, ein Handlanger. Ich entscheide schließlich, meine Freunde nicht in Gefahr zu bringen und sende ihnen eine entsprechende Nachricht - wenn ich in zwölf Stunden nicht wieder bei Odos Haus bin soll Furgas meinen Sinnesstein benutzen.


Wir setzen uns und Jarvis bietet mir Obst an. Es sieht wirklich lecker aus, und da ich beim Frühstück nichts gegessen habe, knurrt mein Magen lautstark bei diesem Anblick. Jarvis scheint das als Aufforderung zu verstehen und zieht an einem Draht; kurz darauf klopft ein häßlicher, kleiner Imp an die Tür und Jarvis gibt eine umfangreiche Bestellung auf. Was soll das ganze bloß?

Nach einer Weile kehrt der Imp zurück, seine Flügel flattern verzweifelt bei dem Versuch, die riesige Platte in der Luft zu halten, mit der er beladen ist. Mein Magen knurrt noch mehr bei all den Köstlichkeiten, und der Hunger besiegt schließlich die Vernunft.
Das Essen mundet wirklich vorzüglich und ich bekomme langsam den Eindruck, dass ich Jarvis als Gegner vielleicht wirklich überschätzt habe. Er läßt sogar einen Nachtisch kommen.
Die ganze Zeit überlege ich angestrengt, wie ich aus ihm vielleicht doch noch ein paar Informationen locken könnte.


Nach dem ausgiebigen Mahl versuche ich ihn zu überzeugen, dass
er bei unserem letzten Treffen doch sehr in Eile gewesen ist und seine Antworten daher etwas undeutlich gewesen sind. Und da ich ja mein Wort gehalten und erschienen wäre, wäre es nur gerecht wenn er auch seines halten und mir deshalb ein paar klärende Fragen gewähren würde. Das, was er mir damals präsentiert hatte, war kaum eine angemessene Gegenleistung dafür, dass ich ihn nicht an die Sinnsaten verraten habe - und ihm den Stein kampflos überlassen habe.

Er druckst herum, im Reden ist er manchmal erstaunlich gewandt und dann wieder spricht er wie ein Xaositekt mit einem Anfall. Wir diskutieren hin und her, ich bearbeite ihn eine halbe Ewigkeit bis er sich überhaupt etwas entlocken läßt, doch ich weiß mein Argument zieht. Einiges von dem was er sagt ist völlig verworren, ergibt einfach keinen Sinn für mich und ich zweifle sogar an meinem Verstand.

Noch immer habe ich den Eindruck als ob Jarvis sehr genau darauf achtet - oder achten muß? - was und wie er es mir sagt. Manchmal reimt er sogar das was er sagt, vielleicht weil er ein Barde ist. Oder völlig irre. Fast fühle ich mich an die furchtbaren Stunden erinnert, in denen Goin unter dem Fluch eines Geas gefangen war. Ob das hier auch der Fall ist?
Die Quintessenz des ganzen ist jedenfalls:


Er gibt mir zu verstehen, dass sein Meister tatsächlich Brenell ist, wie ich schon vermutet hatte. Er nennt ihn den Prinz der Lügen. Brenell stünde im Dienst der Höllischen Acht, sie haben das Sagen in allen Angelegenheiten, die nicht direkt eine der Unterebenen der Neun Höllen betreffen, wo es eigene Herren gibt.

Den Sinnesstein hätten wir gar nicht finden sollen, manche Dinge blieben besser im Dunkeln. Doch den Diamanten mit der Frau darin hätte man uns geben können. Von ihm hatten die Meister nichts gewusst. Ich vermute mal, das hat wieder etwas mit diesen Verträgen zu tun, die die Teufel so gern schließen - Wort für Wort, so wird es geschehen. Der einzige Ausweg ist, ein Schlupfloch im Vertrag zu finden. Und der Diamant sei wohl so ein Loch gewesen. Doch warum will er uns überhaupt Hinweise geben? Ist das ein versteckter Hilferuf? Das klingt fast unglaublich.

Ilondra sei in Wahrheit die kleine Sinnsatin Miriam, doch ihre Erinnerungen habe Brenell auf ewig gelöscht - und er sei sehr gut darin.

Dann warnt mich Jarvis plötzlich, dass Sam womöglich nicht unser Freund sei. Ob wir uns nie Gedanken gemacht hätten, warum die Truppen der Dämonen uns nur wegen eines Liedchens nicht angegriffen hatten? Woher käme wohl die Art, Böses unter Schönem zu verstecken? Baator.
Das stimmt mich sehr nachdenklich; schon damals hatte ich mich gefragt, was es mit diesem tödlich schönen Lied auf sich hatte, doch weil es uns offenbar gerettet hatte, war ich dem Gedanken nicht weiter gefolgt.


Irgendwann fällt mir auf, dass es an der Zeit ist zu gehen, ich werde mich beeilen müssen wenn ich nicht zu spät kommen will und die anderen am Ende einen Kreuzzug beginnen.

Jarvis erhebt sich und geleitet mich zur Tür, er sieht müde aus. Er läßt mich einfach gehen, es gibt keinen Zweikampf, auch die Gestalten im Schankraum, der noch immer gefüllt ist, machen keine Anstalten mich aufzuhalten.


Zurück in Odos Haus muß ich feststellen, dass die anderen noch nicht wieder hier sind. Und dafür hab ich mich so beeilt. Hans verrät mir, dass sie einem Hinweis auf diesen Yachinx Varis nachgegangen wären, im Bezirk der Kuratoren.

Tatsächlich kommen sie auch nur eine Stunde später zurück, sehen ein bißchen mitgenommen aus. Es gab wohl eine Prügelei, von Varis angezettelt, überhaupt scheint er ein ziemlicher Pöbler zu sein. Aber er hat ihnen immerhin gute Informationen gegeben - im Austausch für eine Nacht mit Ig'nea!
Erinnerungen an Irkbaz steigen plötzlich in mir auf, als unser Feuerteufelchen mit Furgas verschwunden ist. Kein schönes Gefühl.

Ich versuche mich abzulenken und lausche dem, was Varis erzählt haben soll:

>>

Als das Land auf Athas noch grün war, gab es eine prächtige Stadt namens Orth. Sie lag in Feindschaft mit ihrem Nachbarn, und eines Tages kam ein Dunkler Bote, der seine Hilfe anbot wenn er dafür die Hand der Königstochter bekäme.
Der König lachte und meinte, wenn der fremde Mildtäter die Feinde ohne eines anderen Menschen Hilfe vernichte, würde er seine Tochter bekommen. Und so zog der Bote davon und vernichtete die Feinde, doch bei seiner Rückkehr ließ der wortbrüchige König ihn in Ketten legen.
Die Scheusale hatten die Stadt jedoch bereits infiltriert. Gierige und böse Menschen ließen sie hinein und stürzten Orth ins Chaos, da war der König so verzweifelt dass er selbst die Dunklen um Hilfe anflehte. Er verstrickte sich so sehr in Verträgen, dass er schließlich wahnsinnig wurde und die Stadt anzünden ließ.
In der allgemeinen Panik kam der Dunkle Bote frei und wollte seinen Preis holen, doch die Prinzessin war bereits in den Flammen. Da bat der Bote die Dunklen Mächte um Hilfe, und sie nahmen die Prinzessin mit.

Es heißt, dass Teile der Einwohner nun in Carzeri schmoren.

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Da fällt es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen.

Jetzt macht es Sinn!
Doch kann das sein?
Das würde ja heißen... dass Brenell...

Aufgeregt erzähle ich den anderen von dem Treffen mit Jarvis und wie ich meine dass die beiden Geschichten zusammenpassen könnten:

Was, wenn Brenell dieser Dunkle Bote war? Vor langer Zeit, als man Athas noch bereisen konnte, war er dort und verliebte sich in die Prinzessin. Damals war er noch kein so mieser Kerl wie jetzt, der Fürst der Hunde sagte doch sowas wie "früher roch er nach Blumen, doch dann nach Schwefel".
Doch man hatte ihn angeschwindelt. Er kam ins Gefängnis und die Stadt fiel dem Bösen anheim, ein Böses dass er vielleicht erst hergebracht hatte denn er hatte sich ja ohne Hilfe von "Menschen" den Feinden Orths stellen müssen - Wort für Wort, also durfte er Teufel sehr wohl gebeten haben zu helfen.
Und dann kam er frei, wollte seine Liebste vor den Flammen retten doch es war schon zu spät, und so versprach er in seiner Verzweiflung den Dunklen Mächten alles, wenn sie sie nur retten würden - was die natürlich gern annahmen, so einen Freifahrschein.

Und jetzt hängt Brenell in seinem Vertrag fest. Die Prinzessin ist vermutlich noch in den Fängen der Teufel, denn so lange sie sie haben, ist Brenell an sein Wort gebunden und wird sicher auch keine Mätzchen machen, um seine Liebste zu gefährden.

Das könnte ein Grund für einen Hilferuf sein - er will das gar nicht. Sagte nicht Jarvis, er würde so gern ein lieber Elf sein? Selbst wenn man mit Vorsicht genießt, was er sagt, es macht erschreckend viel Sinn.
Das müssen sogar die anderen eingestehen.

Doch was machen wir nun? Vielleicht irre ich mich ja auch und es ist alles Humbug, aber irgendwie habe ich das Gefühl, richtig zu liegen.
Ob ich noch einmal versuchen sollte, Jarvis mit diesem Wissen zu konfrontieren?
Oder sollten wir uns die nächste Zeit in der Halle der Sinnsaten vergraben und dort nach Beweisen forschen, die unsere Theorie unterstützen?


Während wir noch wechseln zwischen heiß diskutieren und ruhig grübeln tritt auf einmal Furgas auf mich zu und zum zweiten Mal an diesem Tag habe ich das Gefühl, aus allen Wolken zu fallen.


Er macht mir einen Heiratsantrag.

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Der Stein von Orth

Der Stock.

Auffangbecken für all den Müll, der von den feineren Bezirken Sigils runtergespült wird. Hier sammelt sich Verwahrlosung, paart sich mit Klaustrophobie und Verzweiflung. Der Stock ist so ziemlich der letzte Ort, an dem man sein möchte - es sei denn man ist auf der Suche nach etwas, so wie wir.

Je weiter wir uns von den überfüllten Straßen entfernen, um so mehr scheint sich Sigil über uns zusammenzuziehen. Die Häusergiebel neigen sich immer weiter aufeinander zu und schlucken schließlich noch das letzte bißchen Licht, das durch die dicken Rauchschwaden der nahen Gießerei drang. Die lauten Geräusche der Straße entfernen sich mehr und mehr, vermengen sich zu einem tiefen, hohlen Brummen.


In einer dunklen Gasse kriecht ein Bettler auf uns zu. In ihm manifestiert sich die Seele des Stocks: elend, verkrüppelt, bar jeder Hoffnung und Zukunft. Dennoch spricht er uns ohne Scheu an, vielleicht treibt ihn aber auch nur der Hunger.
Wir geben ihm etwas zu Essen und zu Trinken, versorgen seine Wunden. Etwas hat ihm, wohl schon vor längerer Zeit, beide Beine abgerissen. Er zeigt sich dankbar und gibt uns ein paar Hinweise wie wir Ärger hier im Stock vermeiden können, unter anderem dass wir uns von einer Spelunke namens Schwarze Pranke fern halten sollten - gegen die wäre das Schwarze Segel ein Kindergarten.

Wir beherzigen seine Ratschläge und kommen ohne Zwischenfälle an der Adresse, die man uns bei den Sinnsaten gab, an. Direkt gegenüber der verrußten, windschiefen Barracke steht ein düsteres Gebäude mit weißen Bullaugen. Sie glotzen uns an wie pupillenlose Augäpfel, mich fröstelt. An der schweren Metalltür hängt ein riesiger verbeulter Streitkolben, an dem träge ein Schild baumelt. Eine schwarze, dreifingrige Klaue prangt darauf, von Schädeln umrandet.


Eine alte Vettel öffnet uns. Sie geht tief gebeugt, ihr Haar sieht aus als hätte es schon länger kein Wasser mehr gesehen, doch ihre Augen sind hellwach und mustern uns mißtrauisch. Diesmal bin ich wirklich dankbar, dass wir Luzija dabei haben, sie weiß besser als Furgas wie die Menschen hier ticken und schnickt der Alten etwas Klimper zu. Mit ungeahnter Gewandtheit läßt sie die Münzen irgendwo in den Taschen ihrer abgewetzten Strickjacke verschwinden und erzählt uns nun bereitwillig, dass der Magister seit etwa 6 Monaten hier eingemietet hatte. Nur nachts sei er gekommen, doch was heißt das schon - hier ist es ja immer dunkel, und habe komische Dinge gemacht. Er sei auch in die Schwarze Pranke gegangen.
Nur einmal habe er Besuch bekommen, von einem hübschen blonden Elfenbarden namens Jarvis. Sie hätten sich gestritten, und danach sei der Magister nicht mehr wieder gekommen. Mittlerweile sei sein Zimmer auch wieder vermietet.


Wir gehen zu seiner ehemaligen Bleibe im vierten Stock. Niemand antwortet auf Detritors Klopfen. Er drückt die Türe auf und plötzlich springt ihn eine Gestalt mit gezückten Dolchen an!

In dem engen Flur ist es mir unmöglich, meinem Freund zu Hilfe zu eilen, und auf meine Rufe zur Vernunft geht sowieso keiner ein. Alles kabbelt, hampelt, stochert herum und versucht sich an Zaubern, die aber nicht fruchten. Furgas löst das Problem schließlich pragmatisch und rammt die beiden Kämpfenden ins Zimmer hinein, die Tür ist frei für uns. Unten keift die alte Vettel, wir sollten nicht ihr kostbares Mobiliar beschädigen. Als ob wir gerade keine anderen Sorgen hätten!

Der geballten Kraft unserer Gruppe hat der neue Mieter nichts entgegenzusetzen. Noch dazu scheint er ziemlich betrunken zu sein, er hat eine Fahne die man von hier bis in den Bezirk der Dame riechen könnte.
Als es schon wieder darum geht, wie mit dem Gefangenen zu verfahren sei, lasse ich mich nicht überstimmen. Wir sind die Eindringlinge, er hatte jedes Recht, uns anzugreifen. Wenigstens hören die anderen diesmal auf mich, und so wird der Bewußtlose nur gefesselt und ich darf seine Wunden versorgen.
Währenddessen nehmen die anderen das Zimmer auseinander, wortwörtlich. Hatte die ranzige Bude den kleinen Kampf mehr oder minder heil überstanden, gibt ihr die nun folgende Razzia endgültig den Rest. Detritor und Luzija reißen ab was nicht niet- und nagelfest ist, und was angenagelt ist, wird aufgebrochen.

Doch die Suche ist von Erfolg gekrönt: unter einer losen Diele findet Furgas tatsächlich den Sinnesstein! Ich bin so gespannt, welche Erinnerung er wohl enthält die es wert ist, dafür zu töten; ein Sinnsorium in der Halle der Sinnsaten wird es uns enthüllen.


Elidan gibt dem bewußtlosen Fusler noch etwas Heilung mit auf den Weg, bringt die schimpfende Vettel mit einer großzügigen Entschädigung zum Schweigen und wir wollen uns rasch auf den Weg zur Stadthalle machen, doch draußen werden wir bereits erwartet:
20 Scheusale und ein paar andere zwielichtige Gestalten haben sich auf der anderen Straßenseite postiert und laden uns übermäßig freundlich auf ein Glas in die "Schwarze Pranke" ein.
Diesmal kann uns selbst Luzija nicht herausreden, also geben wir Fersengeld. Vielleicht nicht die mutigste Entscheidung, aber mit Sicherheit die gesündere. Ich für meinen Teil würde mich jedenfalls nur ungern von einem von denen ins Totenbuch stecken lassen.

Detritor klemmt sich Goin unter den Arm, der ist mittlerweile der einzige unter uns, der noch keinen Weg gefunden hat seine Bodengebundenheit aufzuheben. Selbst Furgas in seiner schweren Rüstung ist erstaunlich agil, seit er eines Nachts auf unserem letzten Ausflug nach Irkbaz mit Ig'nea verschwunden war. Luzijas dreckiges Grinsen werde ich so schnell nicht vergessen, und ich bin mir nicht sicher ob ich überhaupt wissen will, was in dieser Nacht geschehen ist.


Wir fliegen zurück zu Artur und Odos Haus, dieser Ort erscheint uns vorerst am sichersten. Vor dem Haus, an der Wand und vor allem um die Tür herum sehen wir ein paar dunkle Flecke. Vermutlich Blut. Scheinbar hat es in unserer Abwesenheit Ärger gegeben.
Doch Hans öffnet uns wie gewöhnlich die Tür und bittet uns herein, als wäre nichts geschehen.

Als Detritor und Furgas aber durch den Türrahmen treten, fallen von ihnen plötzlich zwei eklige schwarze Käfer ab. Sie sind tot, wahrscheinlich von den Schutzzaubern hier vernichtet. Odo wird herbeigerufen und er bestätigt unseren Verdacht: es sind Grubkäfer, niederstes Ungeziefer aus den Neun Höllen. Sie sind nicht sonderlich helle, eignen sich daher aber umso besser um Hellsichtzauber auf sie zu legen.
Irgendjemand hat also versucht, uns zu verfolgen. Elidan wirft ein, dass er vorhin tatsächlich kurz dachte, er hätte einen der Abishai hier vorm Haus wiedererkannt. Wir berichten Odo von den Geschehnissen im Stock und er weist uns an, ihm in Kürze hinters Haus zu folgen.


Elidan hatte Recht. Als wir Odo hinterm Haus antreffen, hat er den Spion bereits niedergerungen und übel zugerichtet. Er behauptet, er sei nur der schönen Luzija gefolgt um sie um ein "privates Treffen" zu bitten. Weder Schmerzen noch Verhör bringen ihn dazu uns zu verraten, nach wem der Magister in der Schwarzen Pranke gefragt hatte, und auf sein schmieriges Angebot, es mir zu sagen wenn ich ihn dafür... nein, einfach ekelhaft.


Da wir bei diesem Scheusal nicht weitergekommen beschließen wir, uns lieber dem Stein zu widmen und begeben uns in eines der Sinnsorien in der Halle der Sinnsaten. Endlich werden wir erfahren, was es mit dieser Erinnerung auf sich hat, von der der Hundefürst in Irkbatz meinte, sie sei eine Hilfe aber im Grunde doch keine und die einen hochrangigen Magister der Sinnsaten buchstäblich den Kopf gekostet hat!

Ich versenke mich in die Erinnerungen ...


... Ich bin in einem dunklen Raum. Schemenhaft erkenne ich Regale, eine Kerze erhellt schwach das kleine Zimmer. Ich halte ein Buch in den Händen, es sind die Hände eines Mädchens. Es ist eine Art Märchenbuch, "Der Untergang von Orth".
Es geht darin um eine Stadt. Sie steht in Flammen, der König ist wahnsinnig und legte Feuer im Palast, der als einziger noch nicht brannte. Die Bevölkerung ist in Panik, Menschen schreien und brennen. Dann klappe ich das Buch zu, schaue aus dem Fenster in eine grüne Landschaft unter blauem Himmel, die Sonne scheint.


Das war es. Ein wenig bin ich enttäuscht, ich weiß nicht was ich erwartet hatte, doch bestimmt nicht etwas so unscheinbares. Ich berichte den anderen kurz von der Erinnerung und auch sie sehen sich alles genau an, doch wir sind ratlos.
Als ich den Stein untersuche entdecke ich, dass ein Teil der Erinnerung fehlt. Der Anfang wurde gelöscht und ist unwiederbringlich verloren. Verdammt, wir sind zu spät, jemand hat bereits die wichtigsten Beweise vernichtet.

Von einer Stadt Orth habe ich noch nie gehört, doch Luzija erinnert sich an ein altes Gedicht, das aber die Ratlosigkeit nur noch vergrößert. Es lautet:


"Schwelendes Herz,
Finsteres Herz.
Licht in der Finsternis.
Das Dunkel im Strahlen.
Strahlender Geist,
Brennender Geist.
Lüge in der Wahrheit,
Trug selbst im Schein.
Ist er sein,
will er's sein."

Sonntag, Mai 20, 2007

Rückkehr in die Beastlands

Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg in die Beastlands. Genau wie es die Sinnsaten beschrieben haben finden wir ein öffentliches Portal, das wir für 50 Gold passieren dürfen und uns direkt zu einem weiteren Portal bringt, wo man bereits 100 Münzen von uns verlangt. Zähneknirschend bezahlen die Vermögenden unter uns für alle. Wenigstens ist mein Adler gebührenfrei. Noch ein zweites Mal knöpft man uns 100 Goldmünzen ab, dann stehen wir auf dem frischen Grün der Tierwelt. In der Ferne sehen wir unser Ziel: Die Binge Barmak.

Nach acht Stunden Fußmarsch erreichen wir den Marktplatz auf dem Plateau über den Serpentinen. Wie damals herrscht hier geschäftiges Treiben und die graubekutteten Aufseher haben ein wachsames Auge auf Langfinger und Ruhestörer.
Ig'nea befragt beiläufig ein paar Händler und erfährt, dass die Mönche wirklich vor einigen Jahren hier gewesen sind (Jahren?, frage ich mich kurz, führe es dann aber auf das andere Zeitverständnis von Zwergen zurück), doch sie haben nichts gekauft. Nur mit Gashok hätten sie geredet, dem Schmied.

Endlich haben wir einen Namen.

Als wir uns Gashoks Stand nähern nimmt er sofort reißaus, doch auf seinen kurzen Beinchen kann er uns nicht entkommen. Wir umzingeln ihn und, wenig mutig, gesteht er sofort den Verrat. Schon seit Generationen melden sie den Mönchen, wenn jemand durch das Baumportal kommt - gegen Bezahlung. Dieser verfluchte, korrupte Zwerg! Es kümmert ihn noch nicht einmal, wieviel Leid er dadurch verursacht hat.
Für fünfzig Goldmünzen verkauft er Goin eine der Schriftrollen, die er benutzt, um die Mönche zu informieren und will uns angeblich das dazu notwendigen Ritual verraten, doch statt dessen zaubert er plötzlich einen Feuerball - dieser kleine Lügner! Geistesgegenwärtig rette ich mich in die Luft und verkohle mir daher nur die Füße. Ig'nea packt den Zwerg psionisch am Schlafittchen und bevor uns die heraneilenden Wachleute erreichen können fliegen wir mitsamt Gashok davon, den Berg hinauf.

Derart eingeschüchtert verrät er uns, dass die Mönche einen Kontaktmann in Irkbaz hätten und er mittels des Spruchs nur hätte mitteilen müssen: "Sie sind hier", und wieviele.
Ich weiß, ich hätte vielleicht stärker protestieren sollen, doch als Ig'nea dem geldgierigen Verräter die Luft abdrückt, kann ich mich nicht gegen die Erinnerung wehren an das, was die Mönche Kira und Begor angetan haben - er hat verdient, was er bekommen hat. Vergeltung für unsere Freunde.
Auch wenn nun vermutlich nur ein anderer seinen Platz einnehmen wird. Und ein kleines, schwaches Stimmchen protestiert: wir haben nicht das Recht hierzu. Doch ich will jetzt nicht darauf hören, die anderen nehmen sich ja auch alle Rechte heraus und kommen immer ungestraft davon. Das ist keine Gerechtigkeit.


Plötzlich nehme ich aus dem Augenwinkel unten am Waldrand eine Bewegung wahr - und blicke genau in den Lauf der Großen Kanone! Sie wollen sie tatsächlich feuern!
Ich rufe den anderen eine Warnung zu, dann schwinge ich mich in die Höhe. Elidan läßt sich in die Tiefe plumpsen und ruft noch etwas von "Schriftrollen holen", Ig'nea, Goin und Detritor zischen ebenfalls in Deckung, da donnert es und ein riesiger Bolzen schlägt dort ein, wo wir eben noch gestanden haben.

Ich fliege auf den Waldrand zu. Noch ein paar Mal feuert die Kanone, doch sie ist zu langsam für uns. Hinter mir bemerke ich einen Tumult auf dem Marktplatz, doch ich kann nicht genau erkennen was da vor sich geht. Mein Adler ist ebenso froh wie ich über den wiedergewonnenen Himmel, der lange Aufenthalt in Sigil war für ihn sicher sehr ermüdend.

Ich schlage einen Bogen um die Kanone und beschließe, am Waldrand auf meine Freunde zu warten, und da treffe ich auch tatsächlich Goin, Ig'nea und Detritor. Sie erzählen, dass Elidan beim "Besorgen" der Schriftrollen aufgeflogen ist und sie daher ein wenig Unruhe stiften mußten, um seinen Rückzug zu decken. Daher der Tumult. Ich schicke meinen Adler mit einer Nachricht los, um Elidan zu finden, doch erfolglos. Vielleicht hat er sich wieder unsichtbar gemacht.

Da hören wir es laut knallen, zweimal. Das kam zwar von der Kanone, war sie aber nicht. Klang eher wie einer von Elidans Schallbällen, also machen wir uns vorsichtig auf den Weg um nachzusehen.
Wir treffen Elidan unterwegs, doch er ist nicht der Grund für den Radau. Vor uns liegt ein Schlachtfeld, tote und verletzte Zwerge werden gerade noch in die Schutzhütten um die Kanone geschleppt, verbrannte Erde um uns herum. Furgas steht vor der Tür der Kanone und wird gerade von einem Feuerstrahl aus dem Guckloch gebraten. Was ist denn hier los?

Ig'nea läßt in unseren Köpfen einen Ruf erklingen: Zusammenkunft, Lagebesprechung. So erfahren wir, dass Luzija für den Kleinkrieg mit den Zwergen verantwortlich war und um ein Haar enthauptet worden wäre. Langsam läuft sie Furgas den Rang als unfreiwilliger Selbstmörder ab.
Doch dann erzählt sie uns eine ganz und gar unglaubliche Geschichte: die Zwerge auf dem Marktplatz hatten Recht mit ihrer Zeitangabe - sie hatte deshalb solche Probleme uns zu finden, weil wir damals vom Hofmagier Istan nicht bloß an einen anderen Ort, Blautann, teleportiert worden waren, sondern noch dazu in eine andere Zeit!

Sie versucht, uns den ganzen Weg nach Irkbaz zu erklären, wie das passiert sein kann, doch das meiste davon klingt für mich nur nach arkanem Hokuspokus. Besonders die Streitereien in Fachchinesisch zwischen ihr und Elidan, welche Dimensionssprüche noch funktionieren und warum. Sicher scheint, dass wir in Zukunft auf Teleportationszauber verzichten sollten, denn irgendetwas oder -jemand verlangsamt uns im Astralraum, sodaß wir erst Jahre später am Ziel ankommen. Und das nennen die "Abkürzung"...

Auch über Ipkunis gibt es Neuigkeiten. Immerhin sind dort ja zehn Jahre ohne uns vergangen. Die Stadt floriert prächtig und schreibt endlich schwarze Zahlen (da bin ich aber froh, die hab ich schon so vermißt), der Park gedeiht und blüht. Der Turm ist nun 150 Meter hoch und scheinbar ausgewachsen, und die Herzblatt hatte einen Putschversuch unternommen, doch Luzija hatte sie in ihre Schranken verweisen können. Auch der Krieg zwischen Turgon und den Echsen dauert noch immer an.


Nach zwanzig Tagen erreichen wir die Ruinen von Irkbaz. Der Versuch, den Kontaktmann magisch aufzuspüren, mißlingt leider, also müssen wir auf profanere Mittel zurückgreifen: suchen.

Neun Tage später passieren wir das alte Portal, das Begor versehentlich zerstört hatte. Einen Moment halten wir alle inne und gedenken unserer toten Freunde; ich vermisse sie. Die Rache an Gashok hat keine Befriedigung gebracht; ich hatte es, wenn ich ehrlich bin, auch nicht erwartet.
Die Gräben werden langsam tiefer und die drei Türme tauchen vor uns auf. Noch immer brennt dieses sonderbare Licht in ihren Spitzen. In einem der Türme kann ich einen Hund spüren, Ig'nea läßt sich daraufhin am Fuß des Turms nieder und schaut in seine Vergangenheit:

>>

Ein bräunlich bekutteter Schemen verläßt ängstlich, traurig aber erwartend die Szene.

Eine kleine, schlanke Gestalt mit großen, spitzen Ohren (die hat sie schon einmal am Tempel gesehen, sagt sie - wenn das nicht unser Bekannter ist) freut sich sehr und verläßt die Szene. Etwas später dasselbe noch einmal bei einem älteren Mann mit schemenhaften Begleitern.

Ein Kampf zwischen Heuschrecken und dem älteren Mann, seine Schemen werden dahingemetzelt.

Flüchtlinge, die versuchen auf den Turm zu klettern, es aber nicht schaffen und langsam sterben.

Noch mehr Kämpfe mit Heuschrecken.

>>


Die Vision bestärkt uns darin, dass es etwas besonderes sein muß, in diesen Turm zu gelangen und daher bemühen wir uns, einen Weg hinein zu finden. Die magische Hülle schützt ihn gegen normale Angriffe, doch als Luzija mit ihrem besonderen Schwert gegen eine Fensterscheibe schlägt, zerbricht sie!

Drinnen sieht sie eine rustikale Wohnstube mit Büchern, ein dampfender Teller Suppe steht auf dem Tisch und auf einem Sofa sieht man goldene Hundehaare. Eine Falltür führt nach unten in eine große Küche, wo ein Topf Suppe auf dem Herd köchelt. Elidan und Furgas gehen durch eine Falltür noch weiter nach unten, Ig'nea und Detritor untersuchen die Wohnstube während ich in der Küche stehe - als plötzlich das Fenster wieder heil ist und sich alle Falltüren schließen!

Einen Moment lang überlege ich, was das wieder für ein merkwürdiger Zauber ist. Unter mir höre ich gedämpftes Bellen, über mir sind Stimmen: Ig'nea, Detritor und noch eine dritte mir unbekannte Stimme. Knurrt und japst sie manchmal oder bilde ich mir das ein? Irgendetwas geht da oben vor, doch ich komme nicht raus und auf mein Klopfen reagiert niemand.
Also nehme ich den Topf vom Herd und warte.


Nach wenigen Minuten öffnet sich plötzlich ein Loch mitten in der Wand. Ich nehme es als Wink und fliege hinaus. Dort stehen bereits die anderen gesund und munter auf der Plattform, nur Elidan scheint geistig völlig weggetreten - er sitzt glücklich in einem Rudel Hunde und läßt sich abschlabbern.
Wir finden heraus, dass wir in einen durchaus bewohnten Turm eingedrungen sind - hier lebt der Fürst der Hunde, er nennt sich den "Gefährten", und er betrachtet dies als sein Revier. Typisch Hund, wenigstens pinkelt er uns nicht gleich zum Markieren an. Bald wird uns klar, dass er der Kontaktmann der Mönche sein muß, denn seinen Worten zufolge sind die Mönche völlig im Recht uns zu verfolgen; unser Weg sei der Tod und daher müsse man uns töten. Loyal und blind wie ein Hund interessiert es ihn gar nicht, was seine Menschenfreunde unsereinem antun. Er hat sie auch schon über unser Hiersein informiert, sie müßten bald da sein. Reden könnten wir uns schenken, doch das wissen wir bereits, wir dürfen aber unsere Henkersmahlzeit bei ihm einnehmen. Die, die das Ritual hinter sich haben nennt er "viele". Was das wohl heißt? Er redet noch mehr kryptisches, das Ziel unserer Reise sei der Ursprung; ein Kreis.
Über die anderen Türme verrät er uns, dass in einem die Fürstin der Katzen lebt und wir uns vom dritten fern halten sollten, wenn wir nicht als Mahlzeiten enden wollten. Dort lebe die Echse Sethon, die früher in den Kanälen lebte. Auch Brenell hat er schon zweimal hier gesehen, oder besser gerochen; beim ersten Mal duftete er nach Blumen, beim zweiten mal nach Schwefel. Aha.

Wir wollen schon wieder gehen, da aus diesem treu ergebenen Diener nichts herauszubringen ist egal wie sehr wir ihm versuchen zu zeigen, dass wir nicht bloß Monster sind, da gibt er uns noch einen Rat, der uns aber angeblich nicht helfen soll: Falls wir noch einmal zu den Sinnsaten kommen, sollen wir sie nach einem bestimmten Sinnesstein fragen. Immerhin eine kleine Spur.


Wir statten auch der Fürstin der Katzen einen Besuch ab, diesmal stellen wir uns allerdings höflicher vor und werden auch besser empfangen. Sie mögen das "räudige Flohpack" nicht und auch nicht ihre anbiedernde Art bei den Hundefreunden - den Mönchen; sie erklären sich sogar bereit, für uns hier einen geeigneten Kampfplatz zu bereiten, sollten wir uns ihnen stellen, nur um den Hunden eins auszuwischen.
Doch obwohl sie uns geschickt mit den Erinnerungen an die schreckliche Folter von Begor und Kira unweit von hier zu locken versucht, haben wir keine Lust, nur zum Ergötzen der Katzen eine Arenashow abzuziehen. Die Mönche haben bestimmt seit dem letzten Zusammentreffen gelernt und ihre Kräfte verstärkt. Also verlassen wir Irkbatz wieder.


Nach zwölf Tagen gelangen wir ans Portal bei Barmak und können es unbehelligt passieren. In Sigil begeben wir uns schnurstracks zur Halle der Sinnsaten, wo ich die Eindrücke von unserem Treffen mit den Tierfürsten abgebe und wir nach dem Sinnesstein fragen, den uns der Gefährte nannte.

Als der Sinnsat zurückkehrt teilt er uns mit, dass der letzte Ausleiher des gesuchten Steins leider ermordet wurde - von Stein und Kopf des Unglücklichen fehlen seitdem jede Spur. Nachfragen sind verboten.
Wir können uns denken, dass es sich bei dem Opfer um denselben Magister handelt, der auf der Suche nach Informationen über Brenell getötet wurde. So ein Mist, scheinbar hatte der Stein etwas mit ihm zu tun! Luzija bekommt immerhin die letzte Adresse des Mannes heraus und will sich unbedingt dort umsehen. Leider befindet sich das Haus ausgerechnet ... im Stock.

Sigil

... und stehen in einer schmalen, dunklen Gasse unter einem rußgeschwärzten Arkadenbogen. Krumme Häuser neigen ihre Giebel wie neugierige Zuschauer über unsere Köpfe, rauchende Schlote steigen im Hintergrund in den Himmel und spucken dicken, schwarzen Qualm aus. Alles sieht recht schäbig und verbrannt aus. Ein paar Meter von uns entfernt scheint eine Hauptstraße zu verlaufen, dort drängen sich die - Massen.

Ein anderes Wort wäre unpassend. Riesige Echsenwesen schieben sich ebenso vorwärts wie Zwerge, Menschen, Vierbeiner und Wesen, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Ein Tiefling mit Schwanz und Hörnchen wird an unserer Gasse vorbeigedrückt und wirft einen abschätzenden Blick auf uns, bevor er weitergeschoben wird.

Plötzlich schreit Elidan hinter mir auf. Er hängt an der Rückwand eines Hauses, die völlig überwuchert ist von einem schwarzen, weinartigen Rankengewächs. Klingenreben, erinnere ich mich an einen Absatz aus einem Buch. Ganze Straßenzüge wurden unbewohnbar durch dieses rasiermesserscharfe Gewächs; das einzige, was hier in Sigil wirklich gut gedeiht. Bösartiges Zeug. Wir befreien Elidan aus den Klauen der Pflanze und heilen die tiefen Schnittwunden, die sie hinterlassen hat.

Da wir nicht ewig in dieser engen Gasse bleiben wollen und es auf der Straße zuviel zwielichtigen Verkehr für meinen Geschmack gibt, steige ich auf, um mir einen Überblick zu verschaffen. Ich sehe ein riesiges Gebäude, aus dem die vielen Schlote aufragen und erkenne es als die Große Schmiede. Wir sind scheinbar irgendwo im Unteren Bezirk.

Eine baufällige Taverne mit Namen „Schwarzes Segel“ wird gerade von zehn monströsen Cornugons betreten. Das ist sicher kein geeignetes Etablissement für uns. Ich will gerade wieder landen, da sprechen mich zwei schwer Gerüstete an. Sie warnen mich davor, hier so einfach herumzufliegen, jemand könnte mich als Zielscheibe benutzen wollen. Ist es wirklich so gefährlich hier?

Ich danke den beiden freundlichen Herren und wie sich zeigt, haben sie ein Herz für Planlose. Dabei hatte ich so gehofft, langsam nicht mehr als Planloser zu gelten. Sie führen uns kurz am Schwarzen Segel vorbei, wo sie offenbar einen auf Furcht begründeten Respekt genießen, und bestätigen meine Meinung: das ist keine Taverne für unsereinen.

Sie laden uns statt dessen in eine bessere Örtlichkeit ein, es ist nur eine halbe Stunde weg, und dankbar nehmen wir an. Trotz der kurzen Strecke schaffen es Goin und Furgas, sich durch übermäßiges Getue (wie singen in celestisch oder irgendwelche unsichtbaren Auren) in Schwierigkeiten mit den lokalen Meuchlern zu bringen, und es ist nur der schnellen Reaktion unseres Begleiters Artur zu Verdanken, dass sie keinen Dolch als Souvenir mitnehmen - zwischen den Rippen.

Detritor ist von Arturs Faustklinge mächtig beeindruckt und kauft ihm seinen alten Handschuh ab. So ganz wohl ist mir beim Anblick dieses martialischen Dings nicht. Aber Goin hat es schon das Leben gerettet.


Tatsächlich wird die Gegend bald besser und wir stehen bald vor einem wahren Prachtbau, dem „Goldenen Adler“. Kronleuchter werfen facettenreiches Licht von den goldverzierten Stuckdecken, die Kundschaft ist wesentlich erlauchter als im Schwarzen Segel. Wir bekommen unser eigenes Separée und ein königliches Mahl, so etwas könnten wir uns nie leisten.

Artur ist weniger schweigsam als sein Freund Odo, er erzählt uns dass er aus Tiefwasser kommt, einem Ort auf derselben Materierwelt, von der auch Goin stammt. Da haben sie ja was zu erzählen. Auch er ist vor zehn Jahren durch Zufall hier gelandet, und seitdem hat er sich hier seiner „Mission“ verschrieben; dazu zählt auch, gelegentlich die Kundschaft des Schwarzen Segels aufzumischen. Von der Gilde der Schwertmeister des Ersten Tages hat er gehört, ebenso von Nym, den er angeblich von Solania kennt. Wenn wir mehr erfahren möchten rät er uns, uns von einem Schlepper zur Halle der Sinnsaten führen zu lassen, dort gäbe es gegen Bezahlung Informationen.
Odo ist die meiste Zeit über still. Als wir ihn ansprechen meint er, mit dem wahren Blick könne er sehen, dass wir anders wären, nicht das was wir zu sein scheinen. Seltsam. Ob das etwas mit unserer Herkunft oder dem Ritual zu tun hat?

Dennoch scheinen beide uns für harmlos genug zu halten, uns einen Platz in ihrem Haus anzubieten, was wir gern annehmen. Die beiden sind interessante Zeitgenossen und noch dazu wirken sie ehrlich genug um uns nicht heimlich nachts die Kehlen aufzuschlitzen.


Zwei Stunden später stehen wir vor unserer Herberge: ein vierstöckiges, kasernenartiges Gebäude mit vergitterten Fenstern, beinahe eine kleine Festung. Hans, ein älterer Materier, öffnet uns und weist uns ein Quartier im dritten Stock zu mit dem Hinweis, dass im Keller ein Baderaum bereit stünde. Riechen wir so streng?

Ich nehme den Wink mit dem Zaunpfahl jedenfalls ernst und begebe mich in den Keller. Es dauert nicht lange und Furgas taucht mit demselben Vorsatz auf; mußte sich wohl erst aus seinem Panzer schälen. Kaum dass er in den Zuber gestiegen ist, fliegt auch schon die Tür auf und der Rest der Meute hat beschlossen zu baden; langsam wird es mir zu voll hier. Schade, ich hatte gehofft, auf ein Wort mit Furgas allein zu sein.

Zurück in unserem Gemeinschaftszimmer will Elidan uns gegen nächtliche Störungen schützen, doch kaum dass er seinen Zauberspruch begonnen hat, taucht aus dem Nichts eine große, aufrechtgehende Katze auf und untersagt rüde die Anwendung jeglicher Art von Magie in diesem Hause. Als wir Hans auf diesen unfreundlichen Kater ansprechen, sagt er uns, dies sei ein Rakshasafürst, den die Herren gefangen und hier eingesperrt hätten, damit er für Ruhe hier sorgt. Kein Wunder, dass er so säuerlich ist.
Ein wenig unbehaglich scheint Elidan zwar zu sein, doch er besteht nicht weiter auf seinem Zauber und vertraut auf Hans' Versicherung, dass das Haus sicher sei.


Tatsächlich verbringen wir eine ungestörte Nacht in Artur und Odos Haus; Tag und Nacht wechseln sich hier sehr rasch ab, nicht wie in Ipkunis.
Nach einem kargen aber schmackhaften Frühstück beweist Artur Elidan auf eindrucksvolle Art und Weise, dass ein Alarmspruch in seinem Haus nicht nötig ist: Als jener nach einer Stunde wieder klar sehen kann berichtet er, dass das ganze Gebäude von Schutzzaubern und magischen Geflechten durchzogen ist. Hier kommt so einfach niemand ungebeten herein.

Wir verabschieden uns und lassen uns von einem der vielen Schlepper, die auf Sigils Straßen lautstark ihre Dienste anbieten, zur Halle der Sinnsaten führen: ein imposantes, braunes Sandsteingebäude, mindestens acht Stockwerke hoch. Durch einen langen Flur gelangen wir in der Mitte des Gebäudes zu einem riesigen Lichtschacht, der einen eindrucksvollen Blick auf die rundum verlaufenden Arkadengänge bietet. Hinter jedem Arkadenbogen scheint eine Tür in einen Raum zu führen.

Wir sind nicht die einzigen Besucher hier. Man weist uns höflich eine bequeme Sitzgruppe zu und nach einer Stunde Warten sind wir endlich dran. Ein junger, etwas gelangweilter Mann an einem großen Schreibtisch erklärt uns, dass wir ihm unser Begehr mitteilen sollen, dann würde er uns einem geeigneten Fraktionsmitglied zuweisen - gegen Bezahlung natürlich.

An Wissensdurst mangelt es uns nicht, und an offenen Fragen schon gar nicht.

Und so bekommt jeder Fragende einen Zettel mit einer Wegbeschreibung in die Hand gedrückt und begibt sich zu dem Experten, in der Hoffnung, etwas Neues zu erfahren. Eine Menge Gold wechselt den Besitzer, zum Teil für - wie ich finde - recht dürftige Informationen:


Über Dilus erfährt Luzija, das er ein freier Baatezu ist, der wohl auf der richigen Seite bei einigen großen Schlachten im Blutkrieg stand. Er jagd in seiner Freizeit gern Großwild, ist ein Trophäenjäger. Deshalb war er vermutlich auch hinter diesem großen Tausendfüßler her, als sie ihn zum ersten Mal traf.

Über die Mönche ist nichts zu erfahren, wohl aber über das Portal nach Barmak, falls wir ihre Spur verfolgen wollen. Es ist leider kostenpflichtig, und meine Finanzen sind noch immer mau. Schon damals hatte ich es mir nicht leisten können, daran hat sich nichts geändert.

Als Goin nach Brenell fragt ist es nicht nur teuer, sondern der Magister erfährt so gut wie nichts und wurde dabei scheinbar auch noch bemerkt. Wenn er weiter suchen soll, wird das sehr teuer und eine Weile dauern, doch Goin ist bereit zu zahlen. In zwei Tagen sollen wir wiederkommen.

Ich interessiere mich für diese Fraktionen, von denen ich nun schon oft hier gehört habe und nur so wenig in der Binge zu lesen war; besonders die Sinnsaten scheinen eine hochinteressante Philosophie zu vertreten. Diese Auskunft gibt es sogar kostenlos, und ich bin wirklich begeistert:

Sie glauben daran, dass das Multiversum dazu entstanden ist es zu erleben, und dass der einzige Weg wirklich zu spüren und herauszufinden dass man existiert ist, Erfahrungen zu machen. Versuche alles, und wirklich alles mindestens einmal, denn ohne Erfahrungen bist du nichts. Wenn du nicht das ganze Multiversum spürst, wie willst du jemals irgendetwas wissen?


Diese Einstellung gefällt mir so gut, dass ich mich spontan dazu entschließe, den Sinnsaten beizutreten. Dieser Tatendrang, Wissensdurst und die Offenheit gegenüber allem, was einem das Multiversum vorwirft, ist genau das, was auch mich antreibt. Ich bin so gespannt, mehr durch die Sinnsoriensteine zu erfahren und meine Erfahrungen zu teilen! Der Fall von Ipkunis in den Abgrund, seine Rettung und sein Aufstieg nach Arborea - wenn das nicht der richtige Stoff ist!


Doch zuerst müssen wir die Wartezeit für Goins Auftrag überbrücken. Ich erinnere mich an die eigenartigen Tätowierungen der Mönche und wir lassen uns von unserem Schlepper zu Sigils Meistertätowierer bringen: Fell.

Fells Jurte dient ihm als Atelier und Arbeitsraum zugleich; überall sind auf Holzrahmen Häute gezogen, geziert von kunstvoll verschlungenen Mustern und lebensechten Motiven. Ist das etwa elfische Haut? Ich hoffe ich irre mich.
Fell selbst entpuppt sich als ein Dabus: ein dünnes Männchen, das Gesicht nur entfernt menschlich mit spitzen Ohren, einem wallenden weißen Haarbusch und kleinen, gedrehten Hörnern. Er schwebt dicht über dem Boden und blickt uns an, doch anstatt zu sprechen erscheinen Symbole in der Luft über seinem Kopf. Reden sie so?
Ein Vorhang, der einen abgeteilten Raum verbirgt, wird beiseite geschoben und ein junges Mädchen tritt herein. Sie schaut sich die wirbelnden Symbole über seinem Haupt an und übersetzt dann für uns: willkommen Fremde in meinem Atelier.

Wir bewundern seine Kunstfertigkeit und stellen ihm einige Fragen. Er kann wohl besondere Tätowierungen fertigen, die ihrem Träger dauerhaft besondere Fähigkeiten verleihen. Zum Beispiel jemanden finden, dessen Konterfei einem auf die Brust tätowiert wurde - doch er verrät nichts über die Mönche, noch nicht einmal gibt er zu dass sie hier waren und die Arbeit von ihm stammt.
Seine Arbeiten sind durchaus verlockend, doch auch sehr teuer. Detritor verschwindet kurz mit Fell in dem Hinterzimmer und einen Moment lang frage ich mich, ob er tatsächlich genug Gold besitzt und sich jetzt ein Tattoo anfertigen läßt, doch kein neues Schreckensmotiv ziert seinen gestählten Körper als er wieder zurückkehrt. Jedenfalls nicht, wo ich es sehen könnte.


Zwei Tage später gehen wir wie vereinbart zur Halle der Sinnsaten, um Goins Informationen über Brenell abzuholen. Doch uns erwartet eine böse Überraschung: Der Magister ist ermordert worden, hier im Haus der Sinnsaten! Kein Schutzzauber und keine Magie hat es verhindern können, noch dazu ist es ein Schlag ins Gesicht, einen der Unseren hier zu töten.
Man will von uns wissen, worum es bei diesen Nachforschungen ging, doch Goin gelingt es sie davon zu überzeugen dass es besser für alle sei, wenn niemand mehr davon weiß, sonst geräte noch jemand in Gefahr. Das wird akzeptiert, aber man verbietet uns, zu diesem Thema weitere Anfragen zu stellen - der Mörder war einmal hier, er könnte jederzeit wiederkommen.

Da uns das Pflaster in Sigil langsam etwas zu heiß wird und wir außerdem keine weitere Spur zu verfolgen haben, ohne dabei die Sinnsaten in Gefahr zu bringen, beschließen wir, dass es an der Zeit ist, die Mönche genauer unter die Lupe zu nehmen. Dazu wollen wir uns dorthin begeben, wohin Ig'neas Vision am Gefängniswagen uns den Weg wies:

Zurück in die Binge Barmak und dort den Verräter finden!

Samstag, Mai 19, 2007

Der Weg in den Käfig

Kurz nachdem Renwan unsere Stadt verlassen hat, hält es auch mich nicht länger hier. Der Park ist fertig und braucht nur noch gelegentlich eine helfende Hand, damit wird mein Elfenfreund gut allein fertig. Wozu also noch länger in diesen engen Mauern verweilen?

Die Delegation des Kaisers Turgon II war wie von den Dieben angekündigt bei uns eingetroffen und alle haben sich förmlich überschlagen vor lauter Freude über die neuen Verwaltungsmöglichkeiten: wieder Steuern festsetzen, diesmal von uns an Turgon zu zahlen, Verträge und Absichtserklärungen unterschreiben, Botschafter nach Schirat entsenden, Gesetze anpassen - wie mir das alles zum Hals heraushängt.
Als ich mich plötzlich bei dem Gedanken ertappe, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war, Ipkunis aus dem Abgrund zu retten, weiß ich, dass es endgültig Zeit ist zu gehen, sonst werde ich noch wahnsinnig.

Leider haben sich Luzija, Ig'nea und Detritor ebenfalls diesen Zeitpunkt ausgesucht, um zu verschwinden. Angeblich wollen sie nur zwei Wochen weg Richtung Süden, um dort Informationen über ein Portal nach Sigil zu finden, von dem der Botschafter des Kaisers gesprochen hat. Doch aus den zwei Wochen werden drei, dann vier, und egal wo wir nach ihnen suchen, sie bleiben unauffindbar.

Nun hängt umso mehr Arbeit an uns Verbliebenen, doch ich kann beim besten Willen nicht länger in der Stadt bleiben. Ich verlasse Ipkunis mit dem Versprechen, regelmäßig vorbeizuschauen, und beginne meine Erkundungsreise durch Astaran, vom Westen wo der Blaue Drache haust bis in den Osten, wo die Wälder beginnen.

Endlich kann ich wieder den Wind um die Nase spüren, die grüne Landschaft gleitet unter mir hinweg, und ich bekomme seit langem wieder Tiere zu Gesicht! Das Kriegsgebiet der Echsen meide ich, und auch den Drachen kann ich nicht entdecken, doch das ist wohl auch besser so. Große Siedlungen wie Ipkunis gibt es hier keine, nur hin und wieder ein kleines Dorf.


Nach zwei Monaten bemerke ich, dass mir in einiger Entfernung ein Adler folgt. Er scheint kein besonderes Ziel zu haben und kommt auch nie näher als eine halbe Meile an mich heran, doch irgendwie fühle ich mich von ihm aufmerksam beobachtet.

Woche um Woche vergeht. Das Tier weicht mir nicht mehr von der Seite, es sei denn ich kehre nach Ipkunis zu meinen regelmäßigen Besuchen zurück, dann kreist er gerade noch in Sichtweite jenseits der Stadtmauer.
Ich frage mich, ob ich versuchen soll näher an ihn heran zu kommen, und in den nächsten drei Monaten verringere ich vorsichtig immer weiter den Abstand zwischen uns, drehe wie zufällig in seine Richtung oder lasse den Wind mich seitlich näher an ihn herandrücken. Er weicht nicht aus. Ich beobachte ihn, wenn er elegant auf ein Kaninchen herabstößt, und er beobachtet mich, wenn ich meine Beute zielsicher mit dem Bogen erlege. Wenn ich mich nachts unter den Ästen eines Baums zur Ruhe lege weiß ich, dass er in den Zweigen hockt, den Schnabel unter einen Flügel gesteckt und mich aus einem halbgeöffneten Auge noch immer beobachtend.

Ein weiterer Monat vergeht, mittlerweile fliegt mein Begleiter nur noch zwanzig Schritt entfernt von mir. Auch nach Ipkunis folgt er mir, landet jedoch immer auf einem der höchsten Türme und wartet dort auf meine Rückkehr. Ich werde bald den anderen von ihm erzählen müssen und wohl ein Gesetz gegen die Jagd von Raubvögeln in der Stadt erlassen, sonst schießt vielleicht noch ein Trophäenjäger auf ihn.

Als ich das nächste Mal Ipkunis verlasse steigt der Adler so dicht neben mir auf, dass ich nur die Finger ausstrecken müsste und ich könnte ihn berühren. Ich tue es nicht; doch als ich später am Tag einen Hasen erlegt und ein kleines Feuer entzündet habe, teile ich ein großzügiges Stück Fleisch ab und halte es ihm mit ausgestreckter Hand entgegen. Nur einen Flügelschlag später sitzt das Tier auf meinem Handgelenk und macht sich über den Hasenschenkel her. Vorsichtig streiche ich mit der anderen Hand über sein weißbraunes Gefieder.

Ich glaube, ich habe einen neuen Freund gefunden.


Im elften Monat nach ihrer Abreise kehren schließlich Detritor und Ig'nea zurück. Die Freude ist natürlich groß, aber ebenso die Neugier, denn sie tragen noch immer dieselbe Kleidung wie damals und die sieht recht mitgenommen aus. Sie erzählen uns eine unglaubliche Geschichte - doch was an unseren Geschichten wäre anders:

Der Botschafter des Kaisers hatte sie in eine kleine Gemeinde im Süden namens Winsk geschickt. Der dortige Hofmagier Istan behauptete, er kenne in Blautann ein Portal nach Sigil, für weitere Details müssten sie ihm jedoch erst das Elixir der Lüfte besorgen. Sie stimmten notgedrungen zu und reisten weiter in ein Gnomendorf am Rand des Großen Waldes, wo sie einen Führer anheuerten, was wohl nicht so einfach war, denn angeblich kommt "aus diesem Wald keiner zurück". Sie irrten auch eine ganze Weile darin umher, wurden von den Bäumen angegriffen und liefen im Kreis, doch schließlich fanden sie eine Schlucht, in der Zentauren lebten. Sie waren auch dort gefangen, aber konnten ihnen zumindest den Weg zu dem Ort weisen, an dem sie aus seltsamen Wolken dieses Elixir brauen konnten. Natürlich haben sie es gleich an sich selbst ausprobiert, und deshalb können sie jetzt fliegen und haben immer eine Art Luftschicht um sich herum.

Deshalb laufen sie also so komisch, ich hatte mich schon gewundert.
Luzija sei nun unterwegs zu Istan, um ihm das Elixir im Austausch für Informationen über das Portal zu bringen, dann würde sie zu uns stoßen. Endlich eine heiße Spur nach Sigil! Ich bin so gespannt auf diesen Ort, von dem wir schon so viel gehört haben.

Doch zuerst mußten wir die beiden auf den neuesten Stand bringen. Natürlich fiel ihnen mein neuer Begleiter auf, der mir nun auf Schritt und Tritt folgt, selbst in die Häuser hinein.
Ebenso interessant, auch für mich, war eine Änderung an Aldors Haus: Der Kubus ist verschwunden und statt dessen wächst nun buchstäblich ein weißer Steinzylinder aus dem Boden, jeden Tag ein bißchen mehr. Rinpi hatte, bevor er die Stadt verließ, gesagt, das sei in Ordnung und wir sollten nichts dagegen unternehmen.

Klar, dass wir trotzdem wenigstens nachgeschaut haben. Goin und seine Zwergenfreunde graben drumherum, können aber keine Wurzeln oder dergleichen finden. Hinein geht es auch nicht, es läßt sich kein Stück herausbrechen und auch magisch ist dem Ding kein Beikommen. Ich habe den Eindruck, dass der Turm vielleicht etwas mit den Ebenen zu tun haben könnte, eine Folge des Effekts, der hier aufgetreten ist.

Doch am Ende beschließen wir, den Turm einfach Turm sein lassen und ihn ins Stadtwappen aufzunehmen, immerhin sieht man ihn schon von weitem leuchten.



Und dann kommt endlich der Aufbruch aus Ipkunis. Ein paar letzte Ratschläge an meinen elfischen Parkbehüter, die Habseligkeiten gepackt und dann geht es auf nach Süden! Vielleicht treffen wir unterwegs ja auf Luzija.

Zwei Wochen lang reisen wir am Fluß gen Süden, dann taucht endlich die 3000 Einwohnerstadt Winsk auf. Schon von weitem leuchten uns seine weiß gekalkte Fachwerkhäuser entgegen. Durch eine wohlgepflegte Obstwiese gelangen wir in die Stadt. Leider bin ich das Stadtleben nicht mehr gewohnt, und so übersehe ich beim Einflug völlig das kleine Zollhäuschen am Stadttor. Prompt kommt bei unserer Landung auf dem Marktplatz auch ein kleiner Wachtrupp angeschnauft und verlangt von uns entweder Wegzoll oder Verschwinden.
Da ich in den letzten Monaten weder Bedarf noch Gelegenheit zum Geldverdienen hatte will ich mich schon zum Gehen wenden, da holt Detritor neben mir tief Luft und macht die braven Zöllner so zur Minna, dass sie sich sogar entschuldigen, bevor sie kleinlaut abziehen. Der Weg zu Istan ist frei.

Detritor führt uns zielsicher zu einem Fachwerkhaus etwas abseits vom Marktplatz, ein älterer Gelehrter öffnet uns. Ein wenig unwirsch ist er, behauptet, Luzija sei nicht hier gewesen. Doch als Ig'nea ihm das Elixir hinhält, bittet er uns rasch herein.

Drinnen herrscht wüstes Durcheinander: überquellende Bücherregale, aufgerollte Pergamente, halbleere Teetassen und magisches Gerät. So wirklich sympathisch ist mir der Magier nicht, auch Furgas sieht ihn kurz mit diesem Blick, den er seit neuestem manchmal hat, an, und preßt die Kiefer zusammen. Er mag ihn scheinbar ebenso wenig.

Nach einigem vorsichtigen Diskutieren einigen wir uns schließlich darauf, ihm das Elixir zu überlassen wenn er uns zum Portal begleitet und uns dort zeigt, wie es funktioniert. Wir schließen den Kreis, er spricht ein paar Formeln, um uns nach Blautann zu teleportieren...


... und plötzlich stehen wir allein im Wald. Vor uns lehnen zwei umgestürzte Bäume aneinander und bilden eine Art natürlichen Torbogen. Ich steige auf und erkenne den Wald, hier war ich schon während meiner Wanderung gewesen. Wir sind etwa hundert Meilen nördlich von Ipkunis. Wir wundern uns zwar, wo Istan geblieben ist, doch wir können keine Falle entdecken. Elidan untersucht derweil das Portal und findet heraus, dass es tatsächlich nach Sigil führt, in zwei Richtungen funktioniert und nur nachts aktiviert werden kann. Außerdem ist es, wie für Sigil üblich, undurchschaubar. Um es zu benutzen muß man denken: „Ich will ins Zentrum“.

Ungeduldig warten wir auf den Einbruch der Dunkelheit. Das Ziel liegt zum Greifen nah! Schon bald werden wir in Sigil sein, dem Käfig, der Stadt der Tore. In der Binge habe ich alles gelesen, was ich darüber finden konnte. Irgendwie hat es mich an unser Dorf erinnert - ein Ort, an dem alles, was auf dem Großen Rad zu Hause ist, anzutreffen ist. Es ist vielleicht ein nicht ganz so friedliches Beisammensein, aber dafür ist es dort auch bestimmt nicht so langweilig wie daheim.
Endlich wird es kühler, die Grillen beginnen zu zirpen und die Sonne geht unter. Wir schreiten unter den Bäumen hindurch...

Freitag, Mai 18, 2007

Erwachen

In den nun folgenden Wochen und Monaten gleicht Ipkunis einem wuselnden Bienenstock. Als wären die Menschen aus einem langen Alptraum erwacht, drängt es sie aus ihren verschanzten Häusern hervor, sie streifen die Last der letzten Wochen ab wie einen dicken Mantel nach dem Winter, und man spürt förmlich ihren Tatendrang.

So viel Energie muß genutzt werden, und so nimmt sich jeder nach seinen Begabungen den Aufgaben der Stadt an: Luzija nutzt ihren beachtlichen Ruf in der Magierakademie und schwingt sich zur Leiterin auf (wer hätte anderes erwartet); Ig'nea päppelt die Psioniker auf, unangefochten von einem recht talentierten und scheinbar umsichtigen Gith; Detritor organisiert eine Stadtwache und Goin das geheime Pendant dazu - das Netzwerk. Elidan baut weiter seinen Toth-Tempel auf, ein kleiner Klerus bildet sich schon. Ich beschließe, Ipkunis von innen heraus ein wenig an seine neue Heimat anzugleichen und beginne mit der Gründung eines Parks, tatkräftig unterstützt von einigen Freiwilligen. Ein Elf ist darunter, er gedenkt hier in Zukunft zu wohnen, sowie zwei Naturgöttergläubige. Dass es so etwas in Ipkunis gab! Erstaunlich, was doch diese schwere Zeit zu Tage förderte.


Dann kommt der Tag, an dem Draka uns verläßt. Sie zeigt uns ein kleines Medaillon mit einem Drachen darauf, das sie bei einem, der auf der Liste stand, fand und meint nur, sie müsse dieser Spur nachgehen. Diskussionen sind sinnlos. Je älter sie wird, umso komischer wird sie, finde ich. Furgas soll fürs Erste ihren Platz einnehmen, und wir sollen Clara Herzblatt und Brenn Wissanek als offizielle Vertreter einsetzen; sie dürfen die Gesetze auslegen, sie aber nicht ändern. Zumindest das klingt noch vernünftig.
Dank Clara erhält Goin auch die Zusage zum Bau eines großen Denkmals für uns, das an die Zeit des Chaos und Aufstiegs erinnern soll und an die Helden um Tatz, die die Schlacht anführten. Es wird allerdings einige Zeit dauern, bis das Monument, das Goin vorschwebt, vollendet ist. Ein wenig dekadent finde ich es schon, aber die anderen sind so angetan davon, was soll ich da sagen. Und vielleicht erinnert es die Menschen auch in Zukunft daran, dass beinahe alles möglich ist, wo nur der Wille ist.


Eine, die einen besonders starken Willen hat - es grenzt schon an Sturheit - wenn sie sich etwas in Kopf gesetzt hat, ist Luzija. Diese Maschine aus Aldors Haus geht ihr einfach nicht aus dem Kopf, auch wenn der Schild jetzt nicht mehr vonnöten ist. Mit Rinpis Hilfe lernt sie schließlich, sich gegen die tödlichen Magien zu schützen und steigt ins Herz der Maschine hinab, während wir anderen oben warten müssen. Als ob wir ihr im Zweifel helfen könnten; niemand von uns ist gefeit gegen die lebensfeindliche Magie!

Doch zum Glück fördert sie diesmal statt Problemen nur haufenweise Nützliches zu Tage: Waffen, Rüstungen, Instrumente, allesamt von meisterlicher Qualität. Scheinbar hat das magische Geflecht den Dingen nur ihre Magie entzogen, die tote Materie allerdings nicht zerstört. Detritor freut sich jedenfalls über die unerwartete Ausrüstung für seine Garnison.
Und dann entdeckt Luzija etwas Eigenartiges: unter dem ganzen Haufen liegt eine einzelne, noch immer magische Waffe! Ein schwarzer Zweihänder mit einem Griff voller Dornen, und in goldenen Runen steht auf der Klinge „Ewige Treue, ewige Wachsamkeit“. Im Gegensatz zu Brenells Schwert kann sie dieses hier nicht vom Fleck bewegen. Unsere Barden können aufgrund der Beschreibung zumindest vermuten, dass es sich hier um „Dorn“ handelt, von celestischen Helden in vielen Schlachten gegen Scheusale geführt und von jenen gefürchtet. Er gibt so viel wie er nimmt. Das würde erklären, warum Luzija das Schwert nicht anrührt. Vorerst liegt das Schwert dort unten jedenfalls sicher.



In den folgenden drei Monaten widmen wir uns der Verwaltung und dem Knüpfen von Kontakten. Wie Draka es wünschte, haben wir ein Parlament aus Clara, Brenn und einem Ratsgremium eingesetzt, haben Steuern erhoben, Pachten verteilt und noch einiges mehr, von dem ich nicht allzu viel verstehe. Nicht, dass ich darüber sonderlich traurig wäre.

Belgad und sein Kumpane kehren von einem zweimonatigen Streifzug durch die Gegend zurück und behaupten, dies sei nicht Arborea sondern wohl eher eine Materierwelt; es gäbe ein paar einfache Bauernsiedlungen, mehr nicht. Ein wenig bin ich neidisch auf die zwei, sie können frei diese neue Welt erkunden während ich mit gefalteten Flügeln tagein tagaus auf staubigen Bänken sitze und zuhöre, wie alle über Steuern, Prozente und Verträge diskutieren.

Der Park ist mittlerweile fertig, wenigstens er erhellt meine Tage. Die Arbeit dort war eine willkommene Abwechslung. Ich habe mich mit Luzija und Elidan geeinigt, dass wir mit der Magierakademie und dem Tempel gemeinsame Bereiche anlegen für spezielle Kräuter und Pflanzen. Ein Grund mehr, durch die wunderschöne Landschaft zu streifen und nach Ablegern zu suchen.

Langsam kommt auch der Handel mit den umliegenden Dörfern in Schwung, was gut für die Steuern ist. Jedenfalls freuen sich alle seit ein paar Tagen wieder mehr auf unseren Sitzungen.
Vielleicht freut sich Luzija aber auch nur, weil sie endlich mit dem Studium des Ritualbuches fertig ist, das wir bei den Mönchen gefunden hatten. Sie war ja wie besessen davon.

Eines Tages verkündet sie dann plötzlich, dass sie das Ritual durchführen wird um herauszufinden, was es ist, wovor sich die Mönche so sehr fürchten. Darüber nachgedacht hatte ich damals schon, als wir die Warnung im Buchrücken lasen; doch ein ungutes Gefühl bleibt. Völlig ungetrübt dagegen sagt unser Ritter ohne Mut und Adel, Furgas, seine Mithilfe zu. Irgendwann bringt er sich noch um Kopf und Kragen.


Nach neun Tagen kehren die beiden aus der Magierakademie zurück und berufen ein Treffen ein. Voller Entsetzen betreten wir den „Ritualraum“ - eine harmlose Umschreibung für die übelste Folterkammer, die ich je gesehen habe. Dagegen war das Ungetüm, das meine Flügel gerichtet hat, nur ein Kinderspielzeug. Alles ist voller Blut, Fleischklumpen und Hautfetzen, es stinkt fürchterlich. Benutzte Folterinstrumente überall. Wie konnte Furgas das bloß ertragen ohne ohnmächtig zu werden?

Luzija und Furgas scheinen verändert. Beide leiden noch unter den Nachwirkungen dieser Torturen, benehmen sich merkwürdig und reden manchmal wirres Zeug. Wir verstehen aber, dass Luzija gemäß des Buches das Rituals durchführte, es jedoch nicht vollendete - mit dem Durchschneiden der Kehle. Das habe zum Erwachen des Wahren Ich geführt, der Energie, die in einem steckt. Sie habe sich verändert, alte Fähigkeiten eingebüßt aber neue bekommen, ebenso Furgas. Der hockt eigentlich nur stumm da und stiert vor sich hin. Tolle Fähigkeit. Luzija behauptet, sie könne jetzt nicht mehr „normal“ getötet werden, sich in alles verwandeln was sie wolle. Ich glaube, sie hat ein wenig zu viel abgeschnitten an gewissen Stellen...

Ich beobachte die beiden. Sie erholen sich in den kommenden Tagen merklich, ihr eigenartiges Verhalten läßt nach und bald scheinen sie wieder vollständig hergestellt. Vielleicht waren es doch nur die Nachwirkungen der Folter? Nur Furgas' ernste, fast militärische Art ist geblieben und er benimmt sich so gar nicht mehr wie der übermütige, lautstarke Spaßvogel, den ich kannte. Nicht, dass ihm das nicht gut zu Gesicht stehen würde. Macht ihn irgendwie männlicher.
Schließlich gehe ich, noch immer unentschlossen, zum Tempel und bitte den Priester um Rat. Gegen eine „Spende“ sagt er mir, die Veränderung durch das Ritual wäre für uns von Wohl. Selbiges sagt er später auch Ig'nea. Vielleicht sollten wir es wirklich tun. Beim Gedanken an die gräßlichen Folterwerkzeuge sträubt sich mir jedes Haar. Und diesmal gibt es wohl keinen Äther zur Betäubung.

Während ich noch dumpfen Gedanken nachhänge, komme ich am Kubus vorbei und höre darin Stimmen. Es sind Luzija, Furgas und Ig'nea. Furgas hat es tatsächlich geschafft, das Schwert aus der Maschine aufzuheben! Ob das an seiner Verwandlung liegt? Die Dornen haben sich in seine Hand gegraben, doch es scheint ihm nichts auszumachen. Plötzlich verwandelt sich das Schwert in einen Hammer, einfach so - ganz nach seinem Willen. Ig'nea berührt die Waffe und teilt uns mit, dass sie darin etwas spüren kann, eine Art Intelligenz. Sie spürt „Freude“. Wenn Furgas sie hält, freut sie sich noch mehr, endlich ein „richtiger Meister“. Ist das noch unser Furgas?

Doch mir bleibt nicht lange Zeit zum Grübeln, denn Goin berichtet aufgeregt davon, endlich Kontakt zur Diebesgilde bekommen zu haben. Als Zeichen des guten Willens hätten sie auch gleich ein paar Informationen preisgegeben: Im Westen hause ein Blauer Drache, der uns gefährlich werden könnte, und in einer Woche würden 50 bewaffnete Männer des Kaisers Turgon II. mit zwei Sänften hier ankommen. Wer auch immer das ist, scheint ein lokaler Herrscher zu sein. Jedenfalls will Goin ein Abkommen mit den Dieben schließen und bittet Furgas, ihn zu begleiten, als Rückendeckung. Nein, das ist sicher nicht mehr unser Furgas.


Ein paar Stunden später kehren die beiden zurück und berichten von dem Treffen: Der Deal sieht vor, dass die Diebe die Unterwelt kontrollieren, uns über wichtige Themen informieren und wir uns ansonsten gegenseitig in Ruhe lassen; sollten wir mal einen Wunschzettel von „B.B.B.“ für Aldor Tatz finden, wäre es das beste für alle, wenn wir ihm nachkämen. So gut haben wir nicht abgeschnitten, finde ich, und zu allem Überfluß behauptet Furgas auch noch steif und fest (das kann er übrigens sehr gut in seinem Plattenpanzer), dass Goin vom Herrn der Diebe, Klinge, bezaubert wurde, was der aber vehement bestreitet.
Ig'neas besonderer Blick verrät ihr, dass Furgas recht hat - ein Geas liegt auf Goin, eine besonders hinterhältige und mächtige Bezauberung.

Als Goin bemerkt, dass er aufgeflogen ist, beginnt er zu singen, spricht dabei plötzlich neue - oder ganz alte? - Worte, die Luzija zu wütenden Schmerzensschreien bringen. Dann verwandelt er sich in eine Gaswolke und will entfliehen, doch unser zorniger Dämon bläst ihn mit einem Windstoß zurück in den Kubus. Der Ärmste, er kann einfach nicht gegen diesen verfluchten Geas ankämpfen. Ig'nea legt ihn schließlich schlafen und wir bringen ihn erst in den Tempel, um für ein Wunder zu beten, und als das nicht funktioniert stimmen wir notgedrungen Luzija zu und bringen ihn in die Magierakademie, um an den Wortlaut des Spruchs zu kommen - die einzige Möglichkeit, den Geas vielleicht doch noch auszutricksen.

„Wir sind doch Freunde. Verlier hierüber kein Wort.“ Diesen Geas auszuhebeln ist ein unmögliches Unterfangen, scheint es mir.
Goins Zustand verschlimmert sich. Jetzt, da der Geas entdeckt wurde, kann er ihm ja nicht mehr gerecht werden, und das hat fatale Folgen. Furgas entscheidet schließlich, dass es Zeit ist zu handeln. Fast flößt er sogar mir Angst ein mit seiner neuen Art, aber irgendwie gefällt es mir auch. Die anderen folgen ihm, während ich bei Goin bleibe.


Ich weiß nicht, was genau dort passiert ist, aber als sie zurückkehren sieht Furgas aus, als ob es mit sehr scharfen Gegenständen zu tun hatte. Sie berichten, dass es zum Kampf zwischen ihnen und Klinge gekommen ist. Das war ja zu erwarten. Es hat ziemlichen Tumult gegeben, aber am Ende hat unsere Seite gewonnen - was den Geas hoffentlich ausgeschaltet hat. Goin scheint es zumindest besser zu gehen.

Am nächsten Tag erscheint ein Bote der Diebesgilde bei uns und bittet um Frieden. Das klingt in meinen Ohren schon viel besser als die Abmachung, die Goin ausgehandelt hatte! Da ihnen ein Oberhaupt fehlt, setzen wir Ig'neas Freund Sam auf diese Position. Offenbar gefällt ihm die Idee, ein seltsamer Kautz ist das.


Noch viel seltsamer war jedoch einer, der nur zwei Tage später in Ipkunis ankommen sollte.
Gerade hatten wir uns wieder an den normalen Lauf der Dinge gewöhnt, Wunden waren geheilt und die weißblühenden Malven in meinem Park standen in voller Blüte, da klopft ein Fremder an den Kubus. Ein breites Kreuz wie ein Krieger, doch die gebeugte Haltung und Kleidung eines Bettlers. Er stellt sich uns als Renwan vor und bittet um einfache Arbeit hier in der Stadt. Ein wenig seltsam kommt er uns schon vor, und Detritor wittert einen potentiellen Zuwachs in der Wache, also laden wir ihn in eine Taverne ein und befragen ihn erst einmal.

Renwan erzählt, dass er auf dem Weg von Norden zum diamantenen Sultanat im Süden sei, hier wäre das Grenzgebiet. Im Westen, gegenüber des Großen Sees, herrsche Krieg zwischen dem Kaiser und „den Geschuppten“, welche unglaublich starke Kämpfer seien. Luzija erkennt anhand seiner Beschreibungen, dass wir doch auf Arborea sind, auf einem stabilen Gebiet. War unsere erste Einschätzung also doch richtig.

Als wir Renwan auf einen dünnen, weißen Kragen ansprechen, der an seinem Hals anliegt, weicht er ein wenig aus und sagt, es sei ein Parasit, der seine Haut gefressen hätte. Wie gruselig! So etwas gibt es hier hoffentlich nicht häufiger.
Trotz einigen spendierten Mahlzeiten und Freibier läßt er sich aber nicht von seinem Wunsch abbringen: Nicht in die Stadtwache möchte er, sondern lieber Straßen kehren. Also bekommt er seinen Wunsch eben. Ein wenig wundert er sich über so viel Aufmerksamkeit, verständlicherweise, macht aber ansonsten einen friedlichen und unverdächtigen Eindruck - jedenfalls auf mich. Luzija und Ig'nea sehen das aber ganz anders.

Noch in dieser Nacht schleichen die beiden zu dem leerstehenden Haus, das wir ihm als Bleibe angeboten haben, um herauszufinden, was es mit dem Parasiten auf sich hat.
Zumindest kehren beide kurz darauf unversehrt zurück, und auch Renwan kehrt ab dem nächsten Tag ruhig die Gassen. Sie erzählen uns, dass sie ihn gezwungen haben sich auszuziehen. Der Parasit sei am ganzen Körper, ließe ihn schneeweiß erscheinen, und habe Ig'neas Dolch festgehalten, als sie sich der Haut näherte. Renwan erzählte, er habe ihn auf der Positiven Energieebene abbekommen. Na wenigstens kriecht sowas nicht hier herum. Auf Brenell befragt, sagte er, er würde den Namen kennen, aber mehr als Legende - der Prinz der Lügen. Prinz der wahrheitsgetreuen Lüge, wenn man mich fragt.


Zehn Tage später geht Renwan fort, wir bemerken sein Fehlen erst als er schon ein paar Stunden weg ist. Ich versuche die anderen davon zu überzeugen dass sie ihn doch gehen lassen sollen, er habe doch nichts getan was unseren Argwohn verdient hätte. Aber sie bleiben stur.
Also führe ich sie schließlich auf seiner Spur aus der Stadt hinaus. Er ist nicht schwer zu finden, und wieder verhält er sich völlig normal und unverdächtig, antwortet sogar geduldig auf jede noch so kleinliche Frage Luzijas. Mittlerweile ist mir egal ob er der ist, der er vorgibt zu sein; ich kann mir nicht vorstellen, dass er ein verkleideter Brenell ist, und wenn er ein Solar wäre, der zehn Tage lang unsere Straßen gekehrt hat, wäre es mir auch recht. Warum sind alle nur so paranoid?
Ich wende mich bereits zum Gehen, da spüre ich plötzlich Hitze in meinem Genick, wirble herum - Luzija schleudert Feuerbälle auf Renwan!
Das geht nun wirklich zu weit. Wütend steige ich auf, um den Unschuldigen von oben entdecken zu können, während Luzija in die Flammen und auf unseren ehemaligen Straßenkehrer zustürmt. Der steht, nun vollkommen in dieses eigenartige weiße Etwas gehüllt, in den ersterbenden Flammen, und schnell spreche ich einen Heilzauber auf den vermeintlich Verletzen. Bilde ich es mir ein oder nickte er mir wohlwollend zu? Dann greift an seinen Rücken und mit einem schmatzenden Geräusch löst sich eine helle Klinge, die er auf die Anstürmende niedersausen läßt.

Einen solchen Schmerzensschrei habe ich selten gehört, und schon gar nicht von Luzija, die ja einen Faible für Schmerzen hat; so lange andere sie ertragen müssen. Schwer angeschlagen versucht sie, von Renwan wegzufliegen. Der läßt sein Schwert wieder verschwinden, schnippst kurz und sein alter Poncho ist wieder da, und wendet sich zum Gehen.

Während die anderen bei Luzija bleiben und ihre Wunde versorgen, halte ich ihn noch einmal an, um mich für ihr schlechtes Benehmen zu entschuldigen. Auch mir ist längst klar, dass er kein einfacher Bettler ist, aber wir haben nicht das Recht, ihn zur Wahrheit zu zwingen. Ich persönlich glaube, dass er, was oder wer immer er wirklich sein mag, ein ehrbarer und aufrechter Mensch ist. Was nicht jeder hier von sich behaupten kann. Er bedankt sich für meine Hilfe, warnt, dass er Luzija auch hätte töten können, und - vermutet, dass wir uns wiedersehen werden.

Mit diesen Worten verläßt uns unser seltsamer Straßenfeger. Eine Weile sehe ich ihm nachdenklich hinterher, unsicher, ob ein Wiedersehen gut oder schlecht für uns ausginge.
Am Ende beschließe ich, es einfach auf mich zukommen zu lassen und kehre zu den anderen zurück. Luzijas Wunde wird einige Zeit brauchen, bis sie vollständig geheilt ist; doch das ist nichts im Vergleich zu ihrem verletzten Stolz. An einem beleidigten Scheusal hat man lange zu knabbern.