Freitag, Januar 18, 2008

Nym

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Goin erinnert uns daran, dass man uns in der Gilde der Schwertmeister des Ersten Tages erwartet, also verlassen wir Ipkunis und reisen über Blautann nach Sigil, ins Zentrum der Ebenen.

Der Page, der uns die Tür zum Fachwerkhaus der Gilde öffnet, sieht so müde und gelangweilt aus wie sich die meisten der Gildenmitglieder innerlich zu fühlen scheinen; doch äußerlich gibt man sich wild und ausgelassen: Die Party ist in vollem Gange.

An einem der Tische wird ein abartiges Spiel gespielt, bei dem sich zwei Scheusale gegenseitig rundenweise auffressen müssen - der Gewinner darf gehen, wenn er noch kann. Wie krank und dekadent müssen die sein, die um das grausige Schauspiel herumstehen und darüber lachen als sähen sie einem Kind beim Ballspielen zu!
Angewidert wende ich den Blick ab und sehe die weiße Statue namens Serath bei der hübschen Elfe stehen, von der Goin sagte sie sei ein goldener Drache. Ich sprechen den Weißen an und bitte um eine Audienz mit Nym, denn ich erinnere mich an Aldreds Worte damals vor langer Zeit in Irkbatz: Nym sei ein Engel in dieser Gilde, kein Freund von Dilus denn sie gehen verschiedene Wege, und einer der Vernünftigeren, Gemäßigten.

Bei der Erwähnung dieses Namens nimmt Serath mich beiseite und geht mit mir in ein etwas abseits gelegenes Zimmer. Zuerst fürchte ich, einen Fehler begangen zu haben, doch dann geschieht etwas Bezauberndes: vor meinen Augen beginnt sich der statuenhafte Körper von Serath zu verändern, ihm wachsen plötzlich enorme Schwingen, sein Gesicht nimmt lebendigere Züge an - vor mir steht Nym höchstpersönlich!
Ich brauche einen Moment um diese Überraschung zu begreifen, und einen Moment lang fühle ich den Drang, vor einem so mächtigen und alten Celest auf die Knie zu fallen. Doch er stellt sich als ruhiger und angenehmer Zeitgenosse heraus, ohne den Fehler der Eitelkeit, wie ich es erhofft hatte.


Nym erzählt mir, dass er den Planetaren, der in Dorn verkörpert ist, kennt. Den Namen will er zwar nicht verraten, aber er nennt ihn den Kompromisslosesten von allen - einer, der gegen alle Widerstände und um jeden Preis sein Ziel durchzusetzen versucht und wenig Hemmungen auch beim Einsatz von Gewalt hat. Ich muß an meine Begegnung mit Dorn zurückdenken und kann Nym insgeheim nur zustimmen. Einen so mächtigen Celesten gegen seinen Willen in ein Schwert zu binden hätte wohl selbst ein Brenell nicht vermocht - also spricht alles dafür, dass der Planetar es freiwillig tat.
Über Brenell ist Nym im übrigen nicht bereit zu sprechen, jener ist zu gefährlich. Zwei Mitglieder der Gilde sind schon auf sein Konto gegangen. Auch über das Baby weiß er nichts.

Doch über unsere Heimat kann er mir etwas berichten. Er sagt, unsere Heimat seien die Hinterlande, ein nahezu unbekanntes Gebiet jenseits der Außenländer, noch hinter den Torstädten zu den Ebenen. Und gleichzeitig wäre meine Heimat aber auch mitten in der Säule. Früher hätte ich so jemanden für verrückt gehalten, doch irgendwie machen seine Worte jetzt Sinn für mich. Ich werde das bei den Sinnsaten vertiefen, die Hinterlande klingen nach einem ganzen Universum voller Eindrücke, die es zu erfahren gilt!


Voller Tatendrang verlasse ich den Raum, Nym folgt mir, nun wieder in der Gestalt des Serath. Dieses, sein Geheimnis, ist eines das ich den anderen nicht mitteilen werde.

Draußen hat das gräßliche Freßspiel endlich ein Ende gefunden, doch wie ich erfahre war es Ig’nea, die einen der Abishai gegen Sex ausgelöst hat. Immerhin eine gute Tat in diesem Fall.
Goin tritt an Serath heran und bittet ihn, nun wie versprochen mehr über die Fernen Reiche zu erzählen. Und das tut er.

Serath sagt, die Fernen Reiche sind die Gegenrealität zu unserer, und eine Verbindung gäbe es nur dort, wo beide Welten einen gemeinsamen Punkt berührten - da gibt es das Traumherz und den Tiefen Schatten. Vom Traumherz haben wir bereits gehört, der Tiefe Schatten ist die tiefste, am schwersten zugängliche Unterebene der Schattenebene.
Manchmal würden ein paar Wahnsinnige von hier auch Wesen von dort magisch herbeirufen; diese würden dann Tunnel graben und sie mit ihrem eigenen Kot auskleiden, um sich so für eine Weile gegen die tödlichen Einflüsse dieser Welt abzuschirmen. Doch lange überleben sie hier nicht.

Was für eine verrückte Geschichte. Ich bin mir nicht sicher, ob Serath sich am Ende nicht doch noch einen Scherz auf unsere Kosten erlaubt hat, doch was ist schon unmöglich. Während ich noch grübele, beginnt Goin ein Lied zu singen und plötzlich ...

... als ich wieder einen klaren Gedanken fassen kann fühle ich mich, als wäre ich gerade ohnmächtig gewesen. Die anderen schauen ebenso verdattert, nur Goin singt nicht mehr und ich kann mich einfach nicht erinnern was da gerade geschehen ist. Etwas in Goins Worten.. doch dann verabschiedet sich mein Verstand wieder. Er behauptet jedenfalls gar nichts getan zu haben. Sehr merkwürdig. Ich werde wohl zwei Augen auf ihn haben müssen.


Schließlich nehmen wir unseren Abschied von der Feier der Gilde. Ig’nea übernimmt den verstümmelten Abishai und ich frage mich schon, was sie wohl mit ihm vorhat, doch da überrascht uns die halbtote Kreatur: kaum dass wir vor die Tür getreten sind, eröffnet uns das Scheusal dass ein älterer Vertrag ihn bindet und er nur hier sei um uns mitzuteilen, dass zwei tätowierte Mönche ihr letztes Hemd für zwei Stäbe des Magisters hergegeben hätten. Nun erfordere es sein Vertrag, zu sterben. Noch bevor ich eingreifen kann, öffnet Ig’nea wieder die Tür, schubst den Abishai hinein und ruft etwas von „Rückgaberecht“.

Manchmal frage ich mich, ob sie noch zu retten ist. Wenn Brenell ihn geschickt hatte, hätten wir ihn noch weiter befragen können!
Nun haben wir schon zwei Probleme: zwei fanatische Selbstmörder mit derartigen Waffen sind schlechte Neuigkeiten. Doch als wäre das noch nicht genug hat Ig’nea, von all den Vorkommnissen der letzten Minuten entnervt, endgültig ihr bisschen Geduld verloren. Sie fragt Goin noch einmal, was vorhin auf der Feier geschehen ist, und als er sich wieder weigert zu reden, tritt ein mir wohlbekannter Ausdruck auf ihr Gesicht.

Sofort wird Goin steif wie ein Stock, und kurz darauf erhält er von ihr einen Tritt in den Hintern. Dann erzählt sie uns, dass Goin das Buch des Wahnsinns gelesen hat, doch es stand etwas anderes darin als bei Luzija, nämlich wie man Kontakt zu den Leuten in den Fernen Reichen bekommt. Den stellte Goin auch her, und sie flüsterten ihm Dinge ein, die ihn veränderten.
Der beeindruckende Zwerg, dem wir am See vor Tamra begegnet waren, war ein Avatar des Zwergengottes Moradin gewesen, der ihn ein letztes Mal vor den Konsequenzen warnen sollte: dem Verlust seiner Seele.

Goin ist zwar ein wenig beleidigt als er wieder aus der Starre erwacht, aber er regt sich nicht weiter darüber auf. Bei Ig’neas momentanen Laune wäre das auch sicher keine gute Idee.


Wir schlendern durch Sigils Straßen ohne ein rechtes Ziel und ich will gerade Ig’nea fragen, ob sie mit mir im Stock eine Schädelratte zähmen geht, da kommen plötzlich zwei große Gestalten auf uns zu: unsere geflügelte Dämonin Luzija mit einem breiten Grinsen im Gesicht, denn im Schlepptau hat sie - Draka!!

Die Freude ist groß. Endlich sehen wir Draka, wohlbehalten und gesund, wieder! Wir umarmen uns, Luzija tanzt und kreischt herum, und erst als wie aus dem Nichts ein stattliches Herrenhaus neben uns in der Gasse erscheint erkenne ich, dass es ein Zauber war und nicht ein reiner Ausdruck ihrer Freude über Drakas Rückkehr.
Im Innern des geräumigen Palasts können wir ungestört bei einem guten Mahl erzählen, was wir auch die halbe Nacht lang tun. So viel Zeit ist vergangen, viel ist passiert, und wir alle sind neugierig, was Draka so lange getrieben hat.

Doch außer dass sie nach dem Kind gesucht hat erzählt sie nichts, was mich ein wenig traurig stimmt. Ich hatte auf spannende Geschichten aus fernen, exotischen Ebenen gehofft, auf abenteuerliche Reisen ins Innere von feuerspeienden Bergen in denen Drachen lebten und von Kämpfen gegen riesige Panzerkäfer. Oder irgendetwas in der Art.
Einzig die Begegnung zwischen Draka und Dorn bleibt mir ewig im Gedächtnis: Draka hebt die Klinge auf, schwingt sie ein paar Mal leicht durch die Luft und scheint eine angenehme Unterhaltung mit ihr zu führen; dann legt sie sie einfach weg. Sprachlos und ein wenig neidisch blicke ich sie an, doch dann tröste ich mich damit, dass ich definitiv das aufregendere Erlebnis hatte.

Schließlich entscheiden wir uns dafür, der Spur des Schmieds zu folgen, der auch für Dorns Existenz verantwortlich ist: laut Dilus lebt und wirkt er im Hause Gonds auf Abellio, der ersten Unterebene Arkadiens.

Anderntags begebe ich mich mit Ig’nea zu den Sinnsaten, um dort nützliche Informationen über unser neues Reiseziel zu sammeln, damit wir gegebenenfalls noch Vorbereitungen treffen können.
Der Gedanke, bald viele Meilen zwischen uns und die beiden irren Mönche mit ihren todbringenden Stäben bringen zu können, ist sehr tröstlich.
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