Hinauf nach Merkuria
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Noch ist alles ruhig in der Festung der Mönche. Goin mahnt uns, keine wichtigen Geheimnisse zu erzählen denn einer der Mönche, ein Elf, würde uns beobachten. Genauer gesagt, Ig'nea. Warum weigert sie sich auch nur, das Ritual zu machen?
Unseren Überraschungsangriff können wir vergessen, also machen wir uns mißmutig wieder auf den Rückweg, so hat das keinen Sinn. Jetzt, wo wir gewarnt sind, fällt es Goin auf, dass auch an dem Portal das uns herbrachte ein Fokus haftet. Kein Wunder dass sie schon von unserer Ankunft wußten. Nächstes Mal werden wir einen diskreteren Weg wählen.
Elidan und Luzija zaubern uns schließlich nach Ipkunis zurück, zwar wieder ein wenig außerhalb, aber wir finden zügig in unsere Stadt. Der weiße Turm grüßt uns schon von weitem, und wir werden wie beim letzten Besuch von der Bevölkerung freudig empfangen. Schön wieder hier zu sein.
Rinpi hat uns schon im Turm erwartet, er ist es leid den Aufpasser zu spielen, und ausgerechnet Detritor erklärt sich bereit, hier fürs erste Wache zu halten. Ich wußte gar nicht, dass er etwas für magische Maschinen übrig hat, doch wie es scheint, hat er vor den Turm neu zu gestalten. Ich bin gespannt, was uns beim nächsten Besuch hier erwartet.
Wir lassen uns nieder und beraten, wohin uns nun unser Weg führen soll. Elidan begibt sich gleich nach Sigil, um ein paar Zauber zu besorgen die ihm bei zukünftigen Zusammenstößen mit den Mönchen hilfreich sein könnten.
Ich bemerke einige Tauben, die auf dem Fenstersims sitzen und lasse sie hinein, doch sofort ist das Geschrei groß. Spione, Brenell, der Teufel höchstpersönlich. Es sind doch nur Tauben? Selbst Goin bestätigt, dass niemand sie, wie die Grubkäfer damals in Sigil, zum Spionieren benutzt. Aber um des lieben Friedens willen verscheuche ich die Tierchen, die sich unwillig wieder von dannen machen.
Ein wenig übervorsichtig finde ich diese Reaktion schon.
Goin ist der Meinung, wir sollten der Spur der beiden kaltgeschmiedeten Adamantwaffen nachgehen. Gleich zwei Waffen zu finden, die es im Grunde gar nicht geben dürfte, kann kein Zufall sein, meint er. Außerdem ist er sich sicher, dass sowohl Dorn wie auch der Nagel von Maladomini vom selben Zwergenschmied gemacht wurden und deutet immer wieder auf ein paar Dellen in den Waffen. Naja, so ganz überzeugt bin ich nicht.
Er glaubt, dass Dorn zwar eine sehr feine magische Waffe sei, aber noch viel mehr als das: von der richtigen Hand geführt, könnte sie irgendwann Energie ansammeln, oder eine zweite Variante: sie ist eine intelligente Waffe, die ein eigenes Bewußtsein erlangt hat. In diesem Moment könnte sie beschließen, sich in eine andere Hülle zu begeben.
Mittlerweile hat sich Goin richtig in Fahrt geredet und ich verstehe überhaupt nichts mehr. Waffen die denken? Sich in andere Hüllen begeben? Hoffentlich kommt mein Bogen nie auf so dumme Gedanken. Ich glaube Goin immer weniger, der hat doch bestimmt wieder heimlich Zwergenbier getrunken.
Doch dann unterzieht Ig'nea Dorn derselben Untersuchung wie damals den Nagel und untermauert damit Goins Theorie. Sie sagt, Dorns Geschichte sei nicht so, wie wir es vermutet hatten, diese Waffe sei viel jünger als wir dachten und nicht schon in aberhundert Schlachten gegen Scheusale geschwungen worden. Seltsam, was stimmt denn nun? Dies ist die neue Geschichte, die sie uns präsentiert:
Zuerst sieht sie einige Szenen, die Dorn mit uns erlebt hat: Furgas' Heiratsantrag, die Enthauptung des Abishai in Sigil, die Rettungsaktion im Schwarzen Segel und wie wir Dorn fanden, damals als Ipkunis im Abyss war.
Dann wird es dunkel, Dorn ist in ein Bündel gewickelt. Jemand packt ihn aus, hat dabei kurz Schmerzen und freut sich dennoch diebisch, wirft ihn in die Maschine. Dorn fällt und hat Angst, echte Todesangst, doch er kann widerstehen und landet auf dem Boden, wo Luzija ihn später fand.
Zuvor sieht man den Werfer, er ist eher klein und schmächtig und Ig'nea erkennt ihn als Brenell, wie er von einer großen, geflügelten Gestalt das Bündel überreicht bekommt, die Stimmung ist angespannt. Ob das derselbe Solar ist, den Furgas nach Ipkunis eingeladen hatte?
Davor spielt es sich genau umgekehrt ab: Brenell überreicht dem Solar die Waffe, allerdings kann er sie da noch anfassen und sie ist nicht in Decken verhüllt.
Die letzte Szene zeig einen Zwergen in einer dunklen Rüstung, der in einer Schmiede mit einem seltsam schlanken, rundlichen Amboß steht und sich mit einer etwas größere Gestalt, Brenell, streitet. Dorn liegt auf dem Amboß.
Dann hört die Vision einfach auf, reißt ab.
Vielleicht ist ja doch etwas an Goins verrückten Ideen dran.
Immerhin verändert sich die Waffe tatsächlich ab und zu, wenn Furgas das will.
Doch warum arbeitet ein Solar, wenn auch ungern, überhaupt mit Brenell zusammen? Würde sich ein Celest nicht eher die Flügel abschneiden, bevor er einen Vertrag mit den Baatezu eingeht? Gut, sie kommen besser mit denen aus als mit den wilden Tana'ri, aber dicke Freunde sind sie trotzdem nicht, das haben wir schon als Planlose in Barmak gelernt.
Auch wenn Furgas sich sträubt, wir beschließen auf den Berg Celest zu gehen und einfach dort zu fragen. Nur weil er sich dort nicht mehr blicken lassen soll mit solchen Anfragen, wie er sagt, heißt das ja nicht dass wir es auch nicht dürfen.
Wir packen unsere paar Habseligkeiten, auf dem Weg zum Baumportal hole ich mein Ur'epona ab und dann marschieren wir los. Endlich mal eine vernünftige Ebene, auf der ich meine Lieblinge mitnehmen kann!
In Sigil führt uns Furgas zielsicher in eine der schlechteren Gegenden, warum auch immer ein Portal zum Berg Celest in einem solchen Dreckloch liegt wissen wohl nur die Götter selbst. Wir durchschreiten das Portal...
... und platschen nach ein paar Metern freiem Fall ins Wasser. Na wunderbar, kein Verlaß auf Furgas' Fähigkeiten als Ebenenführer. Von wegen, Portal am Fuß eines Berges! Der Berg ist noch meilenweit von uns entfernt, nur ein riesiger Schemen am Horizont. Furgas schwebt natürlich über uns im Trocknen und guckt ganz unschuldig.
Neben mir quiekt Ig'nea, ihr scheint das Baden keinen Spaß zu machen. Als Feuergenasi wohl auch nicht verwunderlich. Oder liegt es an etwas anderem? Sie sieht jedenfalls schleunigst zu, aus dem Naß herauszukommen. Mein armes Ur'epona ist wohl auch ein wenig zu überrascht von diesem Ausgang, denn plötzlich ist an seiner Stelle nur noch kurz ein pferdeförmiges Loch im Wasser bis die Wellen es wieder verschlucken. Hoffentlich hat es sich nach Hause teleportiert und nicht sonst wo hin.
Da ich mich mit meinen nassen Federn nicht allein aus dem Wasser hieven kann, zieht mich Furgas schließlich heraus und wir machen uns auf den Weg zum Berg. Das Meer glänzt silbrig im Sternenlicht der Dämmerung, und wir erkennen, dass der Fuß des Berges gar nicht so klein ist, wie er anfangs wirkte. Ein paar Siedlungen werfen helle Lichtpunkte übers Wasser.
Kurz darauf sehen wir unter uns einige regenbogenfarbene Wesen im Wasser auf uns zuschwimmen, sie winken nur kurz und entfernen sich dann wieder. Wie nett.
Nicht mal eine Minute später kommen drei geflügelte Frauen auf uns zu. Sie sind schwer gerüstet, und irgendwie sehen sie mir ein bißchen ähnlich. Auf die Frage nach unserem Begehr antworten wir, dass wir zur Feste zum Großen Kreuz möchten, woraufhin sie uns auffordern, ihnen zum Fuß des Berges zu folgen.
Ganze sieben Stunden dauert der Flug, doch ich empfinde die Reise als sehr angenehm. Auch Goin und Furgas scheinen den nächtlichen Ausflug zu genießen, nur Ig'nea wirkt angespannt. Vielleicht ist sie aber auch noch brummelig wegen des unerwarteten Bades.
Am Fuß angelangt deuten die Frauen auf einen Weg, der sich in Serpentinen nach oben schlängelt, bis er sich in etwa einem Kilometer Höhe in den Wolken verliert. Dem Pfad sollten wir folgen, er brächte uns nach Merkuria. Dann verlassen sie uns, nicht jedoch ohne uns zu mahnen, hier die Gesetze zu achten und nichts Böses zu tun. Als ob das nicht selbstverständlich wäre.
Wir steigen bergan. Hübsch ist es hier. Alles macht einen friedlichen, ordentlichen und zufriedenen Eindruck. Das silbrige Strahlen der Sterne schimmert auf den Kieseln und erhellt unseren Weg, ein Bächlein rinnt fröhlich neben uns her. Wir schreiten federleicht, naja bis auf Ig'nea, die schnauft, und kommen einige Stunden später zu einem kleinen Dorf, das ausgelassen feiert. Neugierig fragen wir nach dem Anlaß: es ist der Tag der Kreuzritter. Sofort zaubert Goin ein Liedchen aus dem Ärmel, und man läd uns freundlich ein, uns an den Tisch zu setzen.
Die Leute sind ausgelassen und fröhlich, kräftiges Bier und süßer Wein werden zu reichhaltigem Essen serviert. Niemand scheint hier einen Kater zu befürchten. Goin singt ein Heldenepos nach dem andern, wir tanzen, feiern und lassen uns von der guten Laune anstecken. Ich glaube sogar Ig'nea ist wieder versöhnt, jedenfalls unterhält sie die Kinder mit Feuertricks.
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sich Furgas mit einem älteren Mann unterhält, doch bevor ich zu ihnen gehen kann, spricht mich ein kleiner Junge an. Er fürchtet sich offenbar vor der Dunkelheit und glaubt, etwas herumschleichen gesehen zu haben. Etwas Böses. Die anderen Kinder sagten, es sei Ig'nea, doch die habe er schon gefragt und sie hat verneint.
Und weil ich ein Held bin, voller guter Laune und gutem Wein, gehe ich also mutig auf Monsterjagd um das Dorf herum. Auch die andern folgen nach und nach meinem guten Beispiel, langsam frage ich mich, ob das vielleicht ein Spiel der Kinder ist. Schick die netten Fremden auf die Suche nach dem Schwarzen Mann. Aber wie erwartet sind keine bösen Monster zu entdecken, es sei denn man findet Rehe gefährlich.
Schließlich begeben wir uns zur Nachtruhe. Wobei Nacht ein seltsamer Begriff ist, denn es hat den Anschein, dass es hier immer nur silbriges Sternenlicht gibt, mehr oder weniger hell.
Als ich erwache, sind die braven Bürger längst ihren Arbeiten nachgegangen. Ein Krug frisches Wasser und ein herzhaftes Frühstück stehen dennoch für uns bereit, und für jeden eine säuberlich gepackte Wegzehrung. Hier gefällt es mir.
Die Sterne leuchten hell am Himmel als wir uns schließlich wieder auf den Weg bergan machen. Furgas erzählt, dass er gestern einer unfruchtbaren Frau seinen Segen geben sollte. Ich wünschte er würde sich öfter auf diese Seiten seines Paladintums besinnen als auf die holzköpfige Brutalität. Mein Held. Hoffentlich konnte er der armen Frau helfen.
Wir sind noch nicht weit gekommen, da springt Furgas plötzlich ins Gebüsch. Er winkt uns heran, vor uns liegt ein totes Reh, dem feinsäuberlich ein Bein abgetrennt wurde. Blutspuren führen uns zu einem Lagerplatz mit einem noch nicht ganz erkalteten Feuer. Hier haben zwei Personen gelagert. Furgas ist empört, auch ich finde eine solche Verschwendung nicht in Ordnung; gegen das Jagen von Tieren zum Essen habe ich im Grunde nichts.
Nach einer Stunde Fußmarsch treffen wir auf zwei reisende Söldner, die sich ächzend und stöhnend den Weg hinaufschleppen. Sie geben unumwunden zu, das Reh getötet zu haben, und dass das wohl noch zu dem beschwerlichen Marsch beigetragen haben mag. Also so funktioniert das hier! Kein Wunder, dass Ig'nea so viel mehr Mühe mit dem Wandern hat als Furgas. Der Braunhaarige erzählt, dass sie aus Sigil gekommen seien, vom Gnadentöterweg, doch ursprünglich stamme er aus Damara. Goin fällt natürlich gleich wieder ein passendes Lied ein, scheint in seiner alten Heimat zu liegen dieses Damara. Scheint es nur so oder laufen die beiden jetzt schon beschwingter?
Kurze Zeit später werden wir von einem Paladin in strahlend weißer Rüstung überholt. Obwohl er ganz gemütlich zu gehen scheint, fliegt er förmlich an uns vorbei. Als wir ihn ansprechen, kehrt er zurück und erklärt uns, dass jeder Weg hier so lange dauert, wie er eben dauert. Und dass Ig'nea einen sehr langen Weg vor sich hätte, daher solle sie in sich Gehen und das Gute entdecken. Mit diesen Worten verabschiedet er sich und zieht davon, sehr begeistert ist Ig'nea nicht. Goin versucht, sie mit unserem liebgewonnenen Lied von Ipkunis aufzumuntern, und als wir erneut an einer Biegung vorbeikommen, läßt er sich hinreißen und flechtet die Urworte der Schöpfung in sein Lied.
Von weit oben kommt da der Paladin herangebraust und mahnt Goin freundlich aber bestimmt, dass es zwar nicht verboten sei, diese Worte zu sprechen, doch sie hätten große Macht und könnten, wenn er auch nur einen Fehler in der Betonung machen würde, großen Schaden anrichten. Disharmonie in den Wohlklang bringen. Und Fehler werden hier hart bestraft.
Den Rest des Weges bringen wir daher lieber ohne die magischen Worte hinter uns.
Nach zwei Tagen kommen wir an der Abzweigung zu Bahamuts Heimstatt vorbei, ich muß an Drakas Sinnesstein denken. Ob sie wohl hier war?
Am dritten Tag endet der Weg an einem weißen Marmorpalast, der sich eng an die steile Felswand drängt. Weithin sichtbar prangt das Banner Helms an den Mauern, dies ist das letzte Bollwerk Lunjas. Man läßt uns ein und führt uns durch sich endlos windende Gänge immer weiter bergan, Stufe um Stufe. Selbst für Furgas und mich wird das tagelange Aufsteigen langsam anstrengend, Ig'nea ist beinahe am Ende ihrer Kräfte, doch ihren Sturkopf gibt sie nicht auf.
Wir machen eine kleine Pause, und da kommen tatsächlich die beiden Söldner die Treppen hinaufgekeucht. Sie sind mehr tot als lebendig, der Blonde spuckt sogar schon Blut. Was für ein Auftrag kann nur solche Qualen wert sein? Furgas besinnt sich erneut auf seine guten Qualitäten und heilt den Söldner, auch wenn Ig'nea ihn argwöhnisch dabei beobachtet. Etwas mehr selbstlose Nächstenliebe würde ihren Weg hier sicherlich erleichtern, warum versteht sie das bloß nicht?
Als wir wieder zu Atem gekommen sind, mühen wir uns weiter die Stufen hinauf. Der Blonde folgt uns langsam, ohne seinen Kameraden. Nach einem halben Kilometer langen wir an einer rauhen, schroffen Felswand an, deren Ende in den Wolken versinkt. Von jetzt an heißt es klettern.
Ich überlege gerade, ob wir das überhaupt schaffen, da überholt uns der Söldner und mit eisernem Willen krallt er sich Zentimeter für Zentimeter die Wand entlang nach oben.
Ich seufze. Kneifen gilt nicht, wenn er das schafft müssen wir es doch auch. Also beißen wir die Zähne zusammen, raffen unsere müden Knochen auf und hieven uns nach oben. Schon nach wenigen Metern haben wir ihn überholt, mehr als Heilung und tröstende Worte können wir ihm leider nicht mit auf den Weg geben, denn wie es schon der Paladin sagte: Hier dauert der Weg für jeden so lange, wie er eben dauert.
Der Aufstieg kommt mir wie eine Ewigkeit vor, und ich gewinne Hochachtung vor Ig'neas unbeugsamem Willen. Sie muß es noch härter treffen als uns, und selbst ich muß mich gelegentlich an Furgas' Arm ausruhen. Verflixt, ich hätte früher doch mehr klettern üben sollen, bloß wo?
Kurz bevor wir die Kante erreichen, stellt uns ein besonders steiles Stück noch vor eine Herausforderung, doch dann schleifen wir uns endlich bäuchlings auf das von goldenem Licht durchflutete Plateau.
Vor uns liegen Wiesen, Wälder, alles in dieses sanfte goldene Licht getaucht. Ein Weg führt zu einem gewachsenen Holztor, vor dem ein Bär im Priestergewand an einem Pult steht und immer wieder Bittsteller, die sich in einer langen Reihe brav angestellt haben, entweder durch das Tor winkt oder abweist.
Während die anderen sich in die Reihe stellen, wage ich einen Blick über den Rand. Der Blonde klammert sich verzweifelt am Steilhang fest und streckt mir hilfesuchend die Hand entgegen. Ich helfe ihm hinauf und kaum dass er festen Boden unter den Füßen hat, bricht er zusammen und bleibt einen Moment lang wie ein Fisch an der Luft japsend liegen. Der wäre glatt abgestürtzt. Doch er hat denselben Sturkopf wie Ig'nea, und sobald er wieder atmen kann, robbt auf die Schlange der Wartenden zu.
Furgas, Goin und ich werden gleich durchgewunken, bei Ig'nea meint der Bär jedoch, es stünden fünf mal Nein gegen fünf mal Ja, also warum ist sie hier? Sie antwortet: um ihre Freunde zu schützen - und wird durchgelassen. Hat sie also doch etwas gelernt.
Auf der anderen Seite stehen wir in einer sehr geordneten Gegend: wogende Weizenfelder säumen schnurgerade den ordentlich geharkten Weg, und viele Leute sind unterwegs, streben aufwärts. Auch hier zählt nicht, wohin man geht, sondern wohin mal will.
Furgas und ich wollen zum Großen Kreuz, doch Goin und Ig'nea werden wieder einmal von ihrer Paranoia gepackt und verfolgen den Blonden, kehren aber bald ohne bahnbrechende Erkenntnisse zu uns zurück.
Die Feste zum Große Kreuz ist ein imposantes Gebäude: eine runde Mittelkuppel, von der fünf Gebäudestränge sternförmig abgehen, und jede Menge Bittsteller. Also heißt es wieder anstehen und warten.
Am Abend werden wir zu dem Solar vorgelassen. Er ist nicht erfreut, Furgas erneut zu sehen und wiederholt uns gegenüber, was er ihm wohl schon gesagt hatte: er kann uns nicht helfen. Nicht, er WILL uns nicht helfen, er kann es nicht. Weil wir Verbannte wären. Er weiß etwas! Über unsere Herkunft, was wir sind, und irgendwie hält ihn das davon ab uns helfen zu dürfen. Oder ist es einer dieser vertrackten Baatezuverträge, der ihn bindet? Das einzige, was er bestätigt ist, dass wir uns Sorgen wegen Brenell machen sollten. Als ob wir das nicht wüßten.
Ein wenig enttäuscht machen wir uns auf den Rückweg. Wenigstens müssen wir nicht denselben langen Weg zum Portal nehmen, sondern man zeigt uns ein anderes Portal: in einem Haus durch die linke Tür gehen, sich mit einem schwarzen Kiesel ritzen und das Blut verreiben. Natürlich haben sie nicht gelogen, und so sind wir nur einen Tag nach unserem Treffen mit dem Solaren wieder in Sigil, noch dazu einem recht guten Viertel.
Zwei Stunden später sitzen wir einmal wieder mit Arthur am großen Tisch und reden über unsere traurige Ausbeute an Informationen. Die Reise zum Berg Celest an sich war sehr interessant für mich, aber was die Waffen angeht sind wir nicht wirklich weitergekommen. Selbst Arthur, der schon viel herumgekommen ist und uns die abenteuerlichsten Geschichten von riesigen Silberblöcken und großem Reichtum erzählt, hat noch nie etwas von kaltgeschmiedetem Adamant gehört und mag es auch nicht glauben. Selbst als er Dorn in die Hand nimmt, es zum Schwert wird und blau zu leuchten beginnt, denkt er noch immer es sei aus normalem Adamant. Immerhin erkennt er, dass es sehr mächtig ist.
Arthur erzählt auch einiges über die magischen Verträge der Baatezu, wie sie funktionieren und wie man sie aushebeln kann. Je mächtiger der Vertragspartner, umso schwieriger wird es jedoch, ein Schlupfloch zu finden. Über Odo, der gerade nicht da ist, meint er er sei ein echter Tausendsassa. Mit dem würde ich mich gern mal wieder unterhalten, aber der ist so oft weg.
Furgas verabschiedet sich weil er noch etwas einkaufen will, und auch ich kann endlich nach meinem Ur'epona sehen, das tatsächlich wohlbehalten in seinem Stall in Blautann angekommen ist. Braves Tier. Es hat sich einen langen, ausgiebigen Ausritt verdient.
Als ich später nach Sigil zurückkehre, finde ich in Arthurs Haus einen schwer angeschlagenen Furgas wieder, ein großes Loch prangt in seiner Rüstung. Viel ist aus ihm nicht herauszubringen, ich glaube er schämt sich. Sagt irgendwas von Fehler gemacht und Dorn hätte ihn bestraft. Dorn? Hat das was mit diesem eigenen Bewußtsein zu tun? Langsam wird mir diese Waffe unheimlich. Ich kümmere mich um seine Wunden, doch für seine Rüstung kann ich nichts tun und ich fürchte den größten Knacks hat sein Stolz abbekommen. Jedenfalls zieht er sich recht schnell in Arthurs Dachkammer zurück und verbringt dort eine Menge Zeit, vermutlich mit Büßen.
Bevor er geht meint er aber noch, das einzige Gute daran wäre gewesen dass er viel Zeit zum Nachdenken gehabt hätte und nun davon überzeugt sei, wir müßten noch einmal der Spur des von Brenell gestohlenen Babys nachgehen. Der letzte Hinweis auf dessen Verbleib war von dem Zauberfresser in Ipkunis gekommen: Kront.
Sogleich begebe ich mich zu den Sinnsaten und stelle Nachforschungen über dieses Kront an. Ich finde heraus, dass es sich dabei um ein Gebiet auf der Ebene Ysgard handelt, eisige Sümpfe, in denen kein Mensch ernsthaft leben will.
Deshalb leben dort auch keine Menschen, sondern die Drachenartigen. Von ihren menschlichen Vorfahren als Bastarde abgelehnt, von ihren drachischen Ahnen als schwach ausgestoßen, haben sie sich dort zusammengetan und leben, fast wie wir im Dorf früher, friedlich zusammen: chromatische und metallische Drachen, Halbdrachen, eben alle. Das gefällt mir.
Ich stoße außerdem auf eine viele hundert Jahre alte Aufzeichnung eines Sinnsaten, ein Art Vers:
Es kam die Schar der Verzweifelten Hundert,
bis zum Großen Auge des Tages.
Einauge, der sie führte, verging
als Letzter in Feuer, Chaos und Waffengeklirr.
Aus Tag wurde Nacht.
Und so herrscht er in Quesre als Ewiger Wahrer
und Hüter des zerfallenen hellblauen Auges.
Hab acht, es mag blinzeln!
Schon wieder kryptische Rätsel. Nun, ich habe Zeit.
Über Quesre finde ich heraus, dass es das stabile Gebiet zwischen Tamra, Man's End und Ipkunis ist. Also vermutlich das ehemals stabile Gebiet, denn Ipkunis fehlt ja nun in der Triangel. Und wer weiß, was aus Tamra geworden ist.
Ich erzähle den anderen von meinen Entdeckungen und langsam verfestigt sich der Plan, nach Kront zu reisen. Auf Ysgard war ich auch noch nie! Vielleicht lockt das auch Furgas wieder von seinem Holzscheit runter. Er und Arthur haben in den letzten Tagen viel Zeit zusammen verbracht. Hoffentlich bewahrt ihn das demnächst vor seinem rachsüchtigen Hammer.
Doch bevor wir die Reise nach Kront antreten können erhalte ich eine Einladung in die Festhalle, im Bezirk der Dame! Die Sinnsaten richten dort eine rauschende Ballnacht aus, alle wichtigen Persönlichkeiten Sigils werden anwesend sein, Musik und Tanz, Köstlichkeiten von allen Ebenen! Eine solche Einladung ist eine der höchsten Ehren, die einem Sinnsaten zuteil werden kann, vor allem wenn man noch gar nicht so lange im Bund ist wie ich.
Aufgeregt mache ich mich auf den Weg zu einem guten Schneider. Der Elf ist zwar ziemlich schnöselig, nimmt Maß und wedelt mich dann hinaus, aber macht einen fachkundigen Eindruck. Die Kleider in seiner Ausstellung sind wahrhaft gigantisch: Samtweiche Stoffe, herrliche Farben, einfach ein Traum.
Gerade mal vier Stunden später liefert ein Bote ein großes Paket bei Arthurs Haus ab. Mein Kleid! Ein bombastisches Gebilde aus rot und gold, komplett mit Reifröcken, Korsett, Haken und Ösen. Da komme ich nie rein, geschweige denn ohne Waffengewalt wieder raus.
Aber Arthurs Hausmädchen scheinen sich mit solchen Dingen auszukennen und führen mich in ein Ankleidezimmer. Die folgende Prozedur ist fast so schlimm wie der Kampf um Ipkunis im Abyss. Nicht nur, dass mir dieses Korsett das Leben aus dem Leib zu pressen scheint wie den Saft aus einem zerpquetschten Apfel, es macht den beiden Damen wirklich Spaß, mich mit meinem eigenen Kleid zu foltern.
Doch damit nicht genug: in meinem Rücken schnattern die beiden sorglosen Plappermäuler ganz ungeniert über die körperlichen Vorzüge von Paladinen. Ganz besonders die muskulöse Brust von dem süßen Neuen, den sie heute in der Badewanne massiert haben. Da müßte man doch heute Nacht mal vorbeischauen, albernes Gekicher.
Hätte mich nicht dieses vermaledeite Korsett daran gehindert, wäre ich explodiert. So ist mir nur der Kragen geplatzt und ich verbat mir jeden weiteren Kommentar.
Buße tun. Spitzer Holzscheit. Soso.
Doch lange kann das kindische Geschwätz der beiden meine Laune nicht trüben: als ich im Spiegel das Ergebnis bewundern kann, ist jegliches Unbill vergessen. Einfach himmlisch. Ungewohnt, aber entzückend. Auch Furgas staunt nicht schlecht, als ich die Treppe hinunterschreite.
Draußen erwartet mich bereits eine Kutsche, und siehe da - Ig'nea hat ebenfalls beschlossen, auf den Ball zu gehen. In MEINEM Kleid! Sowas. Sie hätte etwas mehr Anstand und Fantasie besitzen können. Und außerdem, woher will sie die Einladung nehmen? Doch all das kümmert sie wohl nicht, also braust der Achtspänner schließlich mit zwei Balldamen davon.
Nach eineinhalb holprig rasanten Fahrtstunden kommen wir endlich an der Halle der Sinnsaten an und laufen von dort aus das kurze Stück zur Festhalle. Eine lange, bunte Schlange wartet dort schon auf Einlaß. Ein Ogermagus mit Monokel und schwarzem Samtanzug kontrolliert die Gäste, und ein Knochenteufel zerfällt vor meinen Augen zu Staub! Gefälschte Einladung.
Ich werfe schnell einen Blick zu Ig'nea. Doch sie ist zuversichtlich, wenn ich sie nicht auf meine Karte mit hineinnehmen kann, wird sie sich jemanden suchen. Nun bin ich erleichtert, denn bei psionischen Tricks und Fälschungen versteht man hier offenbar keinen Spaß.
Wie befürchtet gilt meine Einladung nur für mich, doch der Oger scheint irgendwie Verständnis für Ig'nea zu haben und läßt sie etwas abseits der Schlange warten. Wie ich sie kenne, findet sie sicher jemanden, der noch eine hübsche junge Begleitung sucht.
Also betrete ich vorerst allein die Festhalle. Was für eine Stimmung! Kronleuchter werfen ihr tausendfach gebrochenes Licht auf einen riesigen Saal, edle Musik schwingt federleicht durch die Luft wie die tanzenden Paare auf der Tanzfläche. Rundherum stehen die schillerndsten Persönlichkeiten in großen und kleinen Grüppchen, plaudern und lachen oder gehen wohl auch ernsthafteren Themen nach. Gerade dann sind auch Leibwächter anwesend, wenn auch sehr diskret.
Doch für Politik interessiere ich mich heute Abend nicht. Nach einem kleinen Abstecher zum reichhaltigen Buffet stürze ich mich ins Getümmel der Tanzfläche. Die meisten der Gruppentänze kenne ich zum Glück mittlerweile, sogar der Tanz aus dem Dörfchen in Lunja ist darunter.
Zwischendurch sehe ich immer wieder mal Ig'nea, einen reichen Schönling am Arm. Sie schafft es doch immer wieder, muß ich lächelnd bei mir denken.
Kurze Zeit später habe ich das Gefühl, dass mich die Leute hin und wieder merkwürdig ansehen, doch ich kann mir keinen Reim darauf machen. Bis mir ein Freund von den Sinnsaten verrät, dass eine junge Frau, die genau dasselbe Kleid trägt wie ich, von einem völlig ungenierten Dandy auf dem Büffet vernascht worden wäre. Ig'nea!! Irgendwann drehe ich ihr doch noch den Hals um!
Am nächsten Tag bin ich zwar rechtschaffen müde, habe aber eine herrlich beschwingte Nacht hinter mir. Das scheint nicht bei allen der Fall gewesen zu sein, denn Goin berichtet mir etwas von nächtlichen Besuchen der beiden Hausmädchen bei Furgas, doch der beteuert mir sofort auf Knien, er habe sie davongejagt. Ein wenig macht es sogar Spaß, ihn zappeln zu lassen, aber natürlich glaube ich ihm. Nach der Sache mit Ig'nea würde er mich bestimmt nicht mehr anlügen. Er kann noch immer so süß sein.
Länger läßt sich die Reise nach Kront nicht aufschieben, also beginnen wir mit den Reisevorbereitungen. Ein Portal dorthin zu finden gestaltet sich als unmöglich, wir müssen mit einem allgemeinen Weg nach Ysgard vorlieb nehmen. Es befindet sich am äußersten Rand Sigils, und praktischer Weise ist ganz in der Nähe ein Laden, in dem wir unsere Ausrüstung ein wenig an die kalten Verhältnisse dort anpassen können. Der Inhaber ist ein Knochenteufel, ich kann mir nicht helfen, ich mag die kleinen Biester einfach nicht; immer sehe ich das Bild des armen Dieners in Ordos Haus vor mir. Ganz zu schweigen von den quälenden Minuten im Eisblock.
Daher überlasse ich es den anderen, mit ihm zu verhandeln und mache meinen Besorgungen lieber anderswo.
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