Juvanis

Freitag, Juni 22, 2007

Hellblaue Augen

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Man’s End.


Das Paradies der wohlverdienten alten Recken, Erholungsort der Gepeinigten und Müden. Und wie müde wir sind. Die beschwerliche Reise nach Kront liegt hinter uns und hat uns neue Rätsel aufgetragen, an denen wir zu nagen haben.

Beim Frühstück im "Lachenden Halbling" beraten wir, was zu tun ist. Ig’nea hat sich Gedanken über das Ritual gemacht, sie möchte es nun doch wagen. Die Vorteile überwiegen eben deutlich die Nachteile, meint sie; Luzija hat sicher alle Register gezogen. Wir reisen also nach Ipkunis, Furgas über das öffentliche Portal, wir anderen mit Elidans Zauber. So langsam finde ich beinahe schon Gefallen an diesem Ziehen im Körper, wenn wir über die Astralebene geschleudert werden von hier nach da. Es ist ein Vorbote, ein gespanntes Kribbeln überall in Erwartung des Neuen und Unbekannten, das vor mir liegen wird.


Es dauert zwei Tage, bis wir wegen der Abweichung nach Ipkunis gelangen, wo Furgas bereits mit einem neuen Schild, den er in Sigil erstanden hat, auf uns wartet. Ig’nea verschwindet in Luzijas Folterkammer und wird acht Tage lang nicht wieder herauskommen
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Wir anderen nutzen die Zeit, um in unserer Stadt nach dem Rechten zu schauen und uns schließlich im Weißen Turm zusammenzusetzen.

Detritor hat sich wohnlich eingerichtet, für seine Begriffe. Er sieht schlecht aus, bleich und verkatert, das Zimmer ist unordentlich und ranzig. Dieser alte Schlucker, es wird Zeit dass er wieder auf Reisen geht, Sesshaftigkeit tut ihm nicht gut. Den Rausch kann ich schnell vertreiben, doch sein gräßlicher Totenkopfschmuck schmerzt dabei. Richtig, darüber wollten wir ja auch noch rede
n.

Doch Detritor ziert sich. Den Großteil unserer Zeit in Ipkunis verbringen wir damit, ihm nach und nach Informationen zu entlocken. Zwischendurch schauen wir bei Luzija vorbei, sie sagt Ig’nea wehrt sich geistig gegen das Ritual, und das verlängert die Sac
he.


Schließlich verrät Detritor, dass er bei unserer ersten Überfahrt von Tamra mit Draka allein auf der Insel war. Sie trafen dort auf Brenell, der an der seltsamen Maschine hantierte und sie aufforderte, eine Säule zu versetzen, als Gegenleistung bot er ihnen eine wertvolle Perle. Ich dachte, nur Goin wäre so goldversessen, doch sie stimmten zu.
Als sie es taten, trennte sich plötzlich ihr Geist von ihrem Körper! Sie standen buchstäblich neben sich und mussten, zur Tatenlosigkeit verdammt, zusehen, wie ihre Körper mit unserer Gruppe weiterzogen. Später landeten ihre Seelen in den Gestalten des vernarbten Kriegers und des alten Heilers, und um wieder aus der fremden Hülle in ihre eigenen Körper zu gelangen, mussten sie sich töten lassen - von sich selbst.

Fast kann ich verstehen, warum Detritor uns diese verrückte Geschichte damals nicht erzählen wollte. Es klingt beinahe wie ein Märchen, doch wenn man bedenkt was wir schon alles erlebt haben, ist das noch gar nichts. Wer schon mit einer ganzen Stadt von einer Ebene zur anderen gesprungen ist, lässt sich so schnell durch nichts mehr erschüttern.

Er erzählt weiter, dass er sich das Tattoo in der Nacht in Irkbaz selbst angetan hat, da war er wie von Sinnen. Wenn er sich gegen dessen Macht wehrt, fügt es ihm Schaden zu, und obwohl er manchmal das Gefühl hat, dass es zu seiner Natur gehört, hat er sich doch gegen den Weg des Mals entschieden
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Während ich mit Furgas meine Tiere abholen gehe, verhört Goin unseren Freund weiter, ganz nett und liebevoll natürlich. Im Reden und Überreden ist er ein echter Künstler, da stören wir nur
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Als wir Stunden später zurückkehren, hat er ihn tatsächlich weich bekommen und Detritor erzählt uns von seinem Traum
:

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Er kämpft einen aussichtslosen Kampf gegen Brenell, der so viel schmächtiger wirkt als unser kräftiger Detritor, doch am Ende wird er von seinem Schwert niedergestreckt
.

Dann sieht er sich selbst mit nacktem Oberkörper, singend und mit einem Totenschädel in den Händen. Als er ihn vor seine Brust hält, wird er von seinem Körper absorbier
t.

Er wandelt durch einen finsteren Gang. Am Ende ist helles Licht, wie eine sich öffnende Tür, und dahinter sieht er, glasklar und in allen Einzelheiten, Drakas Gesicht
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Orks. Überall. Er kämpft gegen sie, wird gefangengenommen und gefoltert, doch es macht ihm überhaupt nichts aus. Der Folterknecht verzweifelt schier, egal was er tut, Detritor lacht ihn nur aus und bleibt unverletzt. Doch als er einen von ihnen in die Finger bekommt, knickt er dessen Knochen wie ein dürres Ästchen. Lacht
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Dann sieht er sich selbst, wie er axtschwingend seine Feinde vor sich hertreibt, die in Panik vor ihm flüchten
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Als letztes sitzt er in einem Schaukelstuhl auf der Veranda eines hübschen Häuschens mit Garten, im Spiegel an der Wand sieht er Jahreszeiten kommen und gehen, die Zeit verfliegt, doch er altert nicht um eine Sekunde.

<<


Was für ein merkwürdiger Traum.
O
b es sich dabei um ein Versprechen handelt? Um eine Verführung, ein Angebot? Vielleicht erzählt dieser Traum von Detritors möglicher Zukunft, wenn er die Macht des Mals annimmt. Doch kann man dem vertrauen?

Brenell scheint es getan zu haben, denn wenn unsere Nachforschungen stimmen, ist er viele tausend Jahre alt und dennoch jung wie ehedem
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Furgas meint plötzlich, er würde gern etwas testen - und rammt Detritor einen Klingenhandschuh in den Arm! Ist er noch zu retten?! Wie zu erwarten folgt ein Echo von Detritor, der nun seinerseits die Faust in Furgas’ Gesicht versenkt. Bevor die Sache in eine Prügelei ausarten kann, ziehe ich die beiden auseinander und Elidan kümmert sich um Detritors Wunde, jetzt fällt es unserem Paladin ein zu erklären, was es mit dieser Aktion auf sich hatte: er wollte klären, ob die Wunde schneller geheilt wäre als üblich. Jetzt ist sie es auf jeden Fall
.
Altert mein Freund aus Kindertagen wirklich nicht mehr? Darauf sollten wir achten. Rasieren braucht er sich scheinbar nicht
.


Wir warten noch immer auf Ig’neas Vollendung des Rituals, diesmal macht ihr Sturkopf ihr Leiden nur länger
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Tagsüber bin ich im Park, genieße die warmen Sonnenstrahlen und bringe meinen Tieren neue Tricks bei. Jeder geht seinen Aufgaben nach, und Furgas hat sogar eine besondere Überraschung für mich: er präsentiert mir einen schlichten aber offensichtlich fein gearbeiteten goldenen Ring. Ein solches Schmuckstück war bestimmt nicht billig, und ich weiß doch, dass er im Gegensatz zu anderen in der Gruppe nicht gerade der Reichste ist
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Auch wenn jeder seine Tage frei gestaltet, jeden Abend treffen wir uns alle im Weißen Turm. Eines Abends sprechen wir wieder einmal über unsere Chancen bei einem Kampf gegen die Mönche. Jetzt, da Ig’nea bald nicht mehr von ihnen aufgespürt werden kann, bleibt nur noch Goin als Risiko. Die anderen diskutieren verschiedene Möglichkeiten, ihn davor zu schützen, doch plötzlich überkommt mich ein eigenartiges Gefühl. Etwas nippt an meinem Geist, wie ein feines Anklopfen
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Es erinnert mich an meinen Traum nach dem Ritual, und als ich mich dem Gefühl zuwende, höre ich wieder die leise lockende Stimme: wir können dir da helfen
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Noch immer sitzt mein Körper bei den anderen, doch mein Geist ist bei der seltsam vertrauten Stimme
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Mach ihn zu einem von uns
, flüstert sie. Er muß nur den Frevel begehen.
Was meinen sie denn damit? Bestimmt den Frevel, von dem das Buch der Mönche gesprochen hat
.

Bring ihn zu uns, nach Ryleh
!
Von diesem Ort habe ich noch nie gehört; ist das etwa der Name unserer Heimat? Wenn wir das nächste Mal in Sigil sind muß ich unbedingt die Sinnsaten danach frage
n!

Laß ihn das Buch lesen, das Buch des Wahnsinns...



Das Buch des Wahnsinns. Unter diesem Titel ist es mir zwar nicht bekannt, doch ich gehe jede Wette ein, dass es das Buch der Mönche ist. Kein schmeichelhafter Titel. Aber wenn es tatsächlich Goin zu einem von uns macht, ihn vor den Blicken der Feinde schützt, dann wäre das doch gut! Und überhaupt, wie schlimm kann es schon sein, ein Buch zu lesen
.

Die Stimme verstummt und ich finde wieder zu mir selbst zurück. Sehr viel weiter sind die anderen nicht gekommen, gerade sprechen sie über Fells Tätowierungen. Ich schlage Goin vor, wegen der Sache später mit Luzija zu sprechen, sie hätte bestimmt die besten Quellen. Er ist einverstanden. Noch erzähle ich lieber nicht alles aus meiner Vision, erst will ich mehr über Ryleh herausfinden
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Endlich taucht Ig’nea wieder aus Luzijas Folterkeller auf. Im ersten Moment wirkt sie erschreckend verändert, wie ein fleischgewordener Großbrand - doch dann stellt es sich nur als einer ihrer Scherze heraus. Ja, sie ist wirklich noch ganz die Alte. Dennoch hat das lange Ritual seine Spuren an ihr hinterlassen, und auch wenn ich Sam gegenüber skeptisch geworden bin, diesmal muß ich seine Fürsorglichkeit anerkennen, denn er drängt uns, zur Erholung nach Man’s End zurückzukehren. Eine wirklich gute Idee
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Hoch zu Roß und mit allem Nötigen im Gepäck (in diesem Falle insbesondere Detritor, der dringend frischen Wind um die Nase braucht) shiftet uns Elidan in die Außenländer, und nach drei ereignislosen Tagen im Grasland erreichen wir die Stadt, zahlen eine Goldmünze für die obligatorische Scherbe und mieten uns in unserem Stammgasthaus, dem "Lachenden Halbling" ein
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Für Detritor ist die Stadt noch neu, daher führe ich ihn ein wenig herum, während sich Ig’nea erholt und Luzija mit Goin zu einer Lesestunde im Buch des Wahnsinns zusammensitzt. Ich bin wirklich gespannt, ob die Stimme Recht behält und er zu einem von uns werden wird
.

Nach dem gemeinsamen Abendessen führt uns Sam zu einer Therme, in der sich bereits eine kleine Menschenmenge versammelt hat. Er zahlt einen stattlichen Eintritt und nach einem erfrischenden Bad bekommen wir Sitzplätze auf niedrigen Bänken im Wasser zugewiesen, dann beginnt ein herrliches Spektakel: Wasserspiele, Fontänen, magische Lichteffekte, bunte Schausteller, die zur Musik ihre Kunst darbieten, Halblinge in schwimmenden Nussschalen paddeln umher und servieren Leckereie
n.
Nach einer Stunde schreitet eine Prozession weißgekleideter Frauen und Männer in die Menge und wer ein Goldstück berappt, kann sich massieren lassen. Hier weiß man wirklich zu leben
!
Am Ende singen die Halblinge ein fröhliches Abschiedslied und wir verlassen wunderbar entspannt die Therme
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Noch ist der Abend jung und Sam lenkt uns zielsicher in einen urigen Gewölbekeller, in dem ganz vorzüglicher Wein und, laut Detritor, auch gutes Bier serviert werden. Die Auswahl ist groß, doch ich denke er hat jede Sorte probiert, nur um sicher zu sein
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Zwei Stunden später verlassen wir die gastliche Stube wieder, ein wenig heiterer aber wir laufen noch gerade. Eigentlich bin ich schon ein wenig müde, doch Sam scheint noch lange nicht mit seinem Programm am Ende. Kurz darauf verlassen wir die hell erleuchteten Straßen und gelangen zu einem kleinen, dunklen See. Um diese Zeit ist niemand mehr hier, Luzija hüpft herum und - naja, sie würde es singen nennen, reißt sich die Kleider vom Leib springt ins Wasser. Auch die anderen Luftikusse können für eine Weile das kühle Naß genießen, und schließlich planschen wir alle fröhlich im See herum
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Ig’nea und Sam entfernen sich recht bald von uns, Luzija spielt Krokodil und irgendwann tunkt jeder jeden. Elidan schwimmt wie ein Fisch und möchte scheinbar am liebsten gar nicht mehr auftauchen
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Plötzlich schreit Furgas überrascht auf, ich frage mich noch was wohl ist, da spüre ich auf einmal wie etwas Großes unter Wasser blitzschnell an mir vorbeiwischt und mir dabei das Oberteil vom Leib reißt. Luzija, dieses freche Biest
!
Doch bis wir an Land geschwommen sind, können wir ihr nur noch hinterher sehen, wie sie lachend Richtung Gasthaus davonfliegt. Natürlich hat sie alle unsere Kleider mitgenommen. Kaum dass ich aus dem Wasser bin, schlage ich die Flügel vor mir zusammen, auch wenn mit Ausnahme von Sam jeden hier seit meiner Geburt kenne, ist mir das ganze schon ziemlich peinlich. Doch ich merke bald, dass ich es noch gut getroffen habe - dem ein oder anderen fehlt nämlich die Hos
e.

Im Spießrutenlauf rennen wir, halb oder ganz nackt, über die wohlausgeleuchteten Straßen von Man's End. Wenigstens haben die Wachen genug Anstand uns nicht aufzuhalten, und es sind kaum noch Leute unterwegs. Trotzdem wäre ich am liebsten unsichtbar, aber das geht offensichtlich nicht allen so, denn die anderen finden genug Zeit, ausgiebig auf die Tätowierung zu starren, die ich mir bei unserem letzten Besuch in Sigil von Fell habe stechen lassen. Einigen gefällt es, doch gerade im Moment bin ich für solche Komplimente nicht empfänglic
h.
Ungebremst stürme ich in die Taverne, hechte am völlig verdutzten Wirt und einigen johlenden Schluckern vorbei und stürze die Treppe zu den Gästezimmern hinauf, wo ich atemlos zu Boden sinke. Die anderen folgen kurz darauf, mit Luzijas Beutel in der Hand. Endlich wieder Kleider! Sie hatte den wohl beim Wirt deponiert, wenigstens etwas
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Wir bleiben noch ein paar Tage hier und warten auf Ig’neas Genesung, langweilig wird es in Man’s End so schnell nicht: Jeden Tag warten Heiler und Theaterhäuser mit Wohltaten und Schauspiel auf, so dass für Körper und Geist gut gesorgt wird
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Als ich eines Morgens nach einer langen Nacht in den "Lachenden Halbling" zurückkehre, finde ich nur Elidan und Detritor am Frühstückstisch vor. Sie erzählen, dass sich Ig’nea mit Goin im Zimmer eingeschlossen hat und Furgas noch schlafe, doch als sie bei ihm klopfen und er die Treppe hinunter kommt, sieht er nicht gerade erholt aus. Eher als hätte er wieder Stunden auf seinem Lieblingsholzklotz verbracht: dunkle Augenringe, tiefe Kerben in den Knien. Wie einem das so viel bedeuten kann, werde ich wohl nie verstehen, aber ihm scheint es zu gefallen
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Obwohl, seine Laune ist nicht gerade die beste. Als er sich mit Elidan anlegt, beschließe ich spontan, dass Frühstück doch überschätzt wird und verlasse den Halbling wieder. Draußen ist die Luft besser
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Nach einer Weile kommen Elidan und Detritor nachgeflogen; sieh an, ist unser Elf also endlich flügge geworden! Ein wenig unsicher ist er noch mit seinen neuen Flugstiefeln, also nehmen mein alter Freund und ich ihn unter unsere Fittiche und üben den restlichen Tag mit ihm Flugmanöver
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Am Abend sind wir endlich wieder vollzählig am Tisch. Goin schwebt grazil wie ein Zwerg die Treppen hinunter, das war ja zu erwarten. Da Ig’nea offensichtlich wieder voll hergestellt ist, beschließen wir, am nächsten Tag Man’s End zu verlassen und uns auf den Weg zur Insel zu machen
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Doch die letzte Nacht hier ist noch jung, und als Furgas völlig übermüdet eingeschlafen ist und seine wohlverdiente Ruhe bekommt, schleiche ich mich leise aus dem Zimmer. Im Schankraum ist nicht mehr viel los, daher schlendere ich zu dem kleinen See abseits der Straße, den uns Sam vor ein paar Tagen gezeigt hat, und schwimme ein paar Runden. Es dauert nicht lange und ich bekomme Gesellschaft. In der Ferne schlägt eine Glocke Mitternacht, doch für mich ist gerade die Sonne aufgegange
n.


Den eigentlichen Sonnenaufgang Stunden später muß ich verschlafen haben, denn das erste, was ich aus schlaftrunkenen Augen erblicke ist - mein Ebenbild! Steht mitten im Zimmer und grinst mich überrascht aber wissend an. Dann reißt jemand die Fensterläden auf, Licht ergießt sich flutartig in den Raum und blendet mich. Ist das etwa Furgas? Wie kommt er denn hierher? Die Konturen meines Ebenbildes verschwimmen und plötzlich steht Ig’nea vor mir. Jetzt verstehe ich. Sie haben mich gesucht
.
Das Licht hat auch Jarvis neben mir geweckt und er reibt sich schlaftrunken die Müdigkeit aus seinen schönen, hellblauen Augen. Als Furgas ihn erkennt, schreit er wütend auf - und stürzt sich aus dem Fenster. Einen Moment lang mache ich mir Sorgen, doch dann erinnere ich mich an das Elixier der Lüfte. Ig’nea steht noch immer stumm mit einem breiten Grinsen im Gesicht im Zimmer und schaut abwechselnd mich und Jarvis an, und plötzlich muß auch ich lächeln. Sie versteht das auch ohne große Worte
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Wer hätte gedacht, dass ich das einmal von ihr sagen würde
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Eine Stunde später habe ich mein Ur’epona im besten Stall einquartiert und stehe abmarschbereit bei den anderen vorm "Lachenden Halbling". Furgas ist nicht da, er hat sich nach seinem Abgang durchs Fenster nicht mehr blicken lassen, auch Elidan hat die Stadt, laut Wachen, bereits in Richtung Fluß verlasse
n.


Ich schlinge die Arme um Detritors breite Schultern und geschwind sausen wir dem Vorauseilenden hinterher. Sechs Stunden später haben wir ihn auf seinem Geisterroß eingeholt, und nach einer kleinen Diskussion können wir ihn zumindest dazu bewegen, gemeinsam weiter nach Süden zu reisen
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Was soll nur dieses ganze Gerede, wir seien keine Gruppe mehr? Gut, wir verändern uns eben schneller als er, dafür lebt er aber auch viel länger und kann sich mehr Zeit damit lassen. Früher im Dorf, als er noch jung war, hat er angeblich auch Schabernack getrieben, aber das war vor meiner Zeit. Hat er das schon vergessen
?

Ig’nea wispert uns zu, dass sie sich zu uns auf den Weg machen und am Stadttor auch auf Furgas getroffen sind, zwar war er blutbespritzt aber ansonsten gesund. Zwei Tage später ist unsere Gruppe wieder vereint und zwei Wochen später kommen wir an Ordos Sommerhaus an. Furgas redet noch immer kein Wort mit mir; ich kann ihn ja verstehen. Die anderen tragen es leichter, Luzija ist sogar sehr angetan wie es scheint. Aber unsere Verbindung ist seit dem Ritual sowieso anders geworden
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Das Sommerhaus ist in einem wirklich traurigen Zustand. Offenbar ist seit unserem letzten Besuch niemand mehr hier gewesen und es verfällt langsam aber stetig. Im Bootshaus finden wir ein zehn Meter langes Segelboot, doch wir entscheiden uns für den schnelleren Luftweg. Also jage ich uns Proviant, dann fliegen wir auf den See hinaus
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Eine Woche lang sehen wir nichts als Wasser. Ich versuche mich zu orientieren, magisch und auch mit konventionellen Methoden wie Holzstöckchen und Strömung, nachts schlafen wir in herbeigezauberten Hütten wie vor kurzem in Kront
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Ich weiß er glaubt, ich hätte es nicht bemerkt, aber ich habe gesehen, dass Furgas den Ring ins Wasser geworfen hat. Noch immer schweigt er sich aus
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Endlich tauchen vor uns wieder die blauen Flecken im Wasser auf. Es dauert nicht lange und wir haben die richtige Stelle gefunden, und noch bevor Luzija die Wirkung des Luftelixiers aufheben kann, ist Furgas schon davon getaucht. Er wird sich doch noch irgendwann umbringen, nur jetzt ist es nicht mehr sein Leichtsinn sondern seine Sturheit
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Auf der Insel bietet sich das altbekannte Bild: der im unsterblichen Kreislauf der Wiedergeburt gefangene Echsenmensch ist hier, die Maschine, das Moos, aber kein Brenell. Also haben sie das Kind wohl noch nicht hierher gebracht. Doch warum warten, wenn man den Schlüssel in den Händen hält? Warum noch kein Angriff auf Man’s End, um Quesre zu erschüttern und die Insel nach Baator zu ziehen? Oder braucht es gar keinen, sondern etwas Subtileres?

Ig
’nea versetzt sich in Trance während wir anderen umherstreifen und erzählt anschließend eine Geschichte, die uns stellenweise sehr bekannt vorkommt:

>>

Die letzten drei Tode der Echse, bedauernswert. Sie versucht noch immer, das Geheimnis der Maschine zu ergründen, gewinnt Erkenntnisse und vergisst sie doch nach ihrem Tod wieder
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Dann sieht sie Draka und Detritor allein auf der Insel, Brenell schiebt an den Säulen herum. Erst ist er gleichgültig, doch dann fällt sein Blick auf das Bündel mit dem Baby an Drakas Gürtel. Panik steigt in ihm auf, und das bei Brenell! Er beginnt ein Gespräch. Die beiden freuen sich, wahrscheinlich hat er ihnen gerade die hohe Belohnung versprochen. Brenell zaubert etwas, holt aus einem Sack die Echse - er will nur weg von hier, weg, doch dann ein Hoffnungsschimmer. Die Lösung
!
Er lässt Draka und Detritor ein paar Säulen verschieben, plötzlich entläd sich etwas und es gibt zwei Drakas und Detritors. Die Echse wird von der Macht der Maschine förmlich zerfetzt, sie wird wohl durch Lebenskraft gespeist wie der Schild in Ipkunis. Jetzt ist Brenell erleichtert, gibt den beiden etwas und dann verschwinden sie. Zu uns, wie wir wissen
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Also wollte Brenell das Baby nicht auf der Insel haben. Doch warum? Warum hat er es ihnen nicht damals schon abgenommen? Das verstehe ich nicht.

Lange kann ich nicht grübeln, denn Detritor, der sichtlich mit sich gerungen hat, verrät uns eine weitere Geschichte. Wann hat diese Heimlichtuerei denn endlich ein Ende? Er erzählt uns, dass er und Draka nach ihrer Trennung als Geister zu der Stelle gereist sind, an der auf der Karte in Ordos Haus mehrere große X eingezeichnet waren. Sie fanden dort ein paar aufgegebene Stollen, doch in einem war ein Grab mit einem großen humanoiden Drachenskelett auf einem Thron mit der Aufschrift „Tatz Driz Tor“. Das war einer der drei Gründer von Quesre!

Es gab auch einige Wachen dort, doch das Auftauchen der Geister und ein paar seltsame Effekte, die Detritor nicht näher beschreiben wollte, haben wohl zu ihrer Auslöschung geführt. Ebenso in der nahegelegenen Garnison. Haben sie etwa dort zu zweit einen Krieg geführt? Der irre Wächter, der uns damals nachts überfiel, war vielleicht einer der letzten Überlebenden.

Diese Grabkammer sollten wir uns anschauen, hier auf der Insel können wir nicht viel ausrichten ohne das Baby. Elidan taucht plötzlich hinter uns auf, wo kommt er plötzlich her? Er trägt jetzt eine schwarze Brustplatte und sieht immer weniger wie der Magier aus, den wir mal kannten. Ich finde es immer wieder interessant zu sehen, wie das Ritual manche von uns verändert.

Sechs Tage später sehen wir wieder das Festland und haben kurz darauf den von Detritor beschriebenen Stollen gefunden. Marode sieht er aus, also krabbele ich sehr vorsichtig hinein. Es riecht faulig und modrig, sehr wohl fühle ich mich untertage nicht. Der kurze Gang mündet in eine relativ große Kammer, die jedoch fast gänzlich von einem steinernen Thron, auf dem das Skelett eines Drachkin sitzt, eingenommen wird.

Die anderen kommen auch nach, langsam wird es voll hier. Furgas greift nach einer herabgesunkenen Klaue des Drachen und verharrt mitten in der Bewegung. Elidan sieht etwas, das ich offenbar nicht sehe, denn er beginnt zu zaubern, auch Luzija hüpft auf Maikäfergröße geschrumpft auf und ab und wirkt Magie. Da ich hier nichts tun kann, verlasse ich den engen Raum schleunigst, auch Detritor verlässt die Kammer.

Eine ganze Stunde warten wir draußen. Anfangs tut sich noch etwas da unten, doch dann warten wir nur auf Ig’neas Vision. Luzija teilt uns mit, dass die Inschriften im Grab der uns bekannte Text von Einauge sei, nur mit dem Zusatz: Hier ruht Einauge und wacht über das Auge. Irgendein Bannzauber habe auf dem Skelett gelegen, und als Furgas beide Hände des Drachen anfasste fing er an zu schweben, der Bann wurde schwächer, Kraftlinien hätten auf ihn übergegriffen und schließlich sei der Bann ganz erloschen, das Skelett zerfallen. Merkwürdig.

Ig’nea bestätigt, dass irgendetwas auf Furgas übergegangen ist, des weiteren hat sie folgendes gesehen:




Zwei schwer gerüstete Männer kommen herein. Sie spürt Verwirrung, Zorn, Angst und Trauer.

Detritor und Draka stehen hier, Waffen gezückt. Leute kommen dazu, sie kämpfen.

Brenell sticht einen anderen Gräber ab und wirft seine Leiche mittels Psi aus der Höhle, er freut sich über den Fund.

Zuvor bricht er mit demselben Gräber durch die letzte Mauer, die den Tunnel von der Kammer trennte, sie sind in freudiger Erwartung aufgeregt.

Dunkelheit.



Immer ist dieser Brenell einen Schritt vor uns da. Sehr auffällig. Was wollte er von Tatz? Und wie hat er Ordo dazu gebracht, ihm diese Grabungen zu finanzieren, denn warum sonst hätten wir Karten und Ausrüstung in dessen Haus gefunden? Mir brummt der Schädel.

Furgas ist wieder zu sich gekommen und möchte unbedingt den See sehen. Luzija betrachtet ihn und meint, dass hinter seinem Gesicht das eines goldenen Drachen zu sehen sei, doch er behauptet er würde nichts davon merken, er wolle doch nur das Wasser sehen. Sie fesseln ihn, setzen sich in den unmöglichsten Gestalten auf ihn drauf - irgendwann wird es mir zu viel und ich spiele lieber ein wenig abseits mit meinem Limlim.

Da sehe ich an der Küste einen einsamen Wanderer nach Süden laufen. Wer verirrt sich bloß in solch eine Gegend? In dem Moment verwandelt sich Ig’nea erneut, in eine riesige, furchteinflößende Untotengestalt. Sofort nimmt der Fremde reißaus, auch ich entferne mich lieber ein bisschen von dem Ungetüm.
Vielleicht ist der Neue ja interessant, also fliegen Luzija und ich hin. Natürlich ist er misstrauisch, wer wäre das nicht, ein Nightcrawler läuft gerade mit uns herum. Er sagt, er sei ein Krieger auf dem Weg nach Tamra, dort würde gekämpft werden. So viel scheint wahr zu sein, denn von dem Kampf der Drachen gegen die Baatezu haben wir schon gehört. Luzija schäkert mit ihm, stößt dabei aber auf wenig Gegenliebe. Schließlich lassen wir ihn ziehen und kehren zu Furgas zurück, der endlich seinen See gesehen hat und zufrieden ist.

Wohin soll unsere Reise nun führen?
Einerseits würde ich gern nach Sigil zurück und nach ein paar Dingen in der Halle der Sinnsaten forschen; andererseits sind wir schon auf halbem Weg nach Tamra, und vielleicht war unser Zusammentreffen mit dem Krieger ein Wink des Schicksals.


Was ist dieses Auge, das Tatz Driz Tor bewachte? Warum wollte Furgas auf einmal den See sehen - ist der See das Auge? Das helle Wasser um die Insel, das hellblaue Auge?

Wo ist das Baby und warum hat es Brenell nicht damals schon an sich genommen?
Was war das für ein Ritual in Irkbaz`?

Können uns die Drachen in Tamra bei Furgas’ Besessenheit helfen? Immerhin war Tatz einer von ihnen.

Wie wollen die Baatezu die Kontrolle über die Insel erlangen? Sind sie etwa schon dabei?

Und wann sehe ich Jarvis wieder?


All diese Fragen gehen mir durch den Kopf, während wir die nächsten zehn Tage lang über den See fliegen - bis am Horizont die geschwärzten Trümmer Tamras auftauchen ...
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Samstag, Juni 16, 2007

Eisiges Kront

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Eine Woche dauert es bis unsere Ausrüstung vollständig ist. Da Kront nicht nach einem guten Ort für meine Tiere klingt, verbringe ich die letzten Tage mit den dreien: lasse mein Ur'epona mit magischen Hufen beschlagen, mache Ausritte und bringe ihnen Tricks bei.

Elidan ist auch ein paar Tage weg, als er wiederkehrt sieht er seltsam verändert aus. Auf seinem Kopf wachsen jetzt Ranken, und seine Augen sehen aus wie die einer Katze. Ist das etwa ein Höcker auf seinem Rücken? Ich fürchte er ist zu lange in den Beastlands gewesen. Aber er meint, das hätte alles seine Richtigkeit und hätte etwas mit Selbstfindung zu tun. Immerhin sieht es besser aus als Goins frühzeitig ergrauter Bart im Goldenen Tempel damals.

Goin hat noch ein paar Nachforschungen angstellt, hat herausgefunden dass Einauge ein späterer König war, laut einer alten Randnotiz, und philosophiert über die Bedeutung des Zaubers, den Brenell über das Baby gelegt hatte. Planare Bindung. Hat er etwas zum Schutz des Babys vor Kronts Kälte eingebunden? Finde ich zu umständlich, das hätte er auch anders haben können. Oder war es eine eigenmächtige Aktion ohne den Befehl der Acht? Hatte Brenell nicht selbst gesagt, wer das Kind an sich bände bekäme dadurch große Macht?

Schließlich brechen wir auf. Ringe mit eisblauen Saphiren schmücken den ein oder anderen Finger, warme Schafspelze und Mützen sind im Gepäck verstaut. Erneut verschlägt es uns in den schlechteren Teil Sigils. Die Luft wird stickig und vom Qualm der Großen Gießerei verpestet, die Menschen sehen kränklich aus.
Vor uns aus dem Dunst schält sich ein 150 Schritt hoher Metallbogen: Wir sind an der Grenze Sigils angelangt, hier geht es nach draußen ins Nichts. Neben den Bogen ist ein zehn Meter hohes Skelett eines Grubenfürsten genagelt, die gespreizten Beine sollen das Portal nach Ysgard sein. Wie uns der Schlepper sagte, ziehen wir unsere Waffen und gehen geradewegs auf die Mauer zu.


Kurz flackert ein blaues Leuchten auf, dann bläst mir ein eisiger Wind ins Gesicht. Ich kneife die Augen zusammen, hell spiegelt sich das Licht der Sonne auf den schneebedeckten Gipfeln einer gigantischen Gebirgslandschaft. Wir stehen auf einem der höchsten Gipfel, in der Ferne windet sich eine lange Wehrmauer von einem Berg zum nächsten. Was für eine grandiose Aussicht! Mir bleibt glatt die Luft weg.

Moment. Sie bleibt mir wirklich weg! Neben mir bemerke ich Elidan nach Luft ringen, dann taumelt er zwischen zwei große, sich kreuzende Knochen hinter uns durch und verschwindet. Ich folge ihm, der Luft wegen und weil ich mich an die wenig freundlichen Gestalten jenseits des Portals erinnere.
Als Elidan sich endlich einen Weg überlegt hat, wie er sich und uns gegen die schädlichen Einflüsse Ysgards schützen kann und wir erneut durchs Portal schreiten, ist nur noch Goin da. Er hat sich schon ein wenig an die dünne Luft gewöhnt und erzählt uns, dass Ig'nea vorausgeflogen ist, um die Mauer näher in Augenschein zu nehmen.

Aus Seilen und Fellen bauen wir ein provisorisches Tragegestell für Elidan und machen uns auf, ihr zu folgen. Unterwegs nimmt sie Kontakt mit uns auf und erzählt uns, dass sie bei den Barbaren ist, die hier das Reich des Königs von Bergen gegen seine Feinde verteidigen.
Nach vier Stunden angestrengter Fliegerei kommen wir endlich am Ziel an: eine 20 Meter hohe Mauer, etwa vier Meter dick, zieht sich über die Bergketten bis zum Horizont. Auf dem Wehrgang patroullieren Bittsteller, und alle paar hundert Meter prangt ein Befestigungsturm in der Mauer, der gut und gern vierzig Mann Platz bietet. Schienen laufen auf dem Wehrgang, doch Loren sehen wir gerade keine.
Man weist uns den Weg zu Ig'nea, sie unterhält sich mit einem der höheren Offiziere, wie es scheint. Er erzählt ein wenig über seine Aufgabe hier und dass es recht friedlich zur Zeit ist, doch vor allem weist er uns den Weg aus dem Gebirge: Immer die Mauer entlang bis zum Ende, dann käme man nach Kront. Wir dürfen ausnahmsweise auch die magischen Loren benutzen.

Elidan macht es sich mit unserem Gepäck in der Lore bequem, dank der Klingenreben auf seinem Kopf hat er viel Platz für sich darin. Goin und ich hängen uns hinten an das Gestell, während Ig'nea und Furgas nebenher schweben.
Es geht relativ schnell, vor den Türmen bremst die Lore ganz von allein und wird durch ein Tor durchgelassen. Abends rasten wir, um den Verkehr nicht aufzuhalten wird die Lore von einem Flaschenzug von den Schienen gehoben. Interessantes System!

Während des nächsten Tages geht es leicht aber beständig abwärts, und am Nachmittag gelangen wir schließlich an einen steilen Berghang. Unten steht ein einzelner Turm, die Mauer endet dort. Doch nicht nur die Mauer - die ganze Erde scheint hier zu enden! Reißt einfach ab wie eine Kante am Berg. Von unten dringt ein schwaches, rötliches Glühen herauf. Weit entfernt am Himmel sehen wir ein weiteres, schwebendes Stück Land.
Also stimmt es, was wir bei den Zwergen gelernt haben: Ysgard besteht aus riesigen Erdflüssen, die sich durch die Luft schieben. Darunter ist Muspelheim - feurig heiße, geschmolzene Erde. Es soll sogar noch eine Unterebene unter Muspelheim geben, eine höhlenartige unterirdische Welt.


Die Lore schiebt sich langsam vorwärts, beginnt zu knarren - oh, das wird ein Spaß! - und kippt dann vornüber. Ich kralle mich am Holz fest, stoße einen Jubelschrei aus und schon rast das kleine Gefährt wie ein abgeschossener Pfeil den Hang hinab. Furgas und Ig'nea können gar nicht so schnell mithalten wie wir in die Tiefe brausen, Goins Baart flattert neben mir waagerecht im Wind und ich habe ein kribbeliges Gefühl im ganzen Körper wie Ameisen unter der Haut. Herrlich!

Viel zu schnell ist der Spaß vorbei und die Lore rollt vor dem Turm aus. Auch Goin hat ganz rote Wangen bekommen und gluckst vor sich hin. Wir steigen aus und fragen eine der Wachen nach dem Weg nach Kront, er zeigt auf eine der schwebenden Inseln.
Hinter uns hören wir einen Freudenschrei: eine weitere Lore saust den Hang hinunter, ein in fliegende Roben gehüllter Mensch sitzt darin und genießt ganz offensichtlich den Ritt. Unten angekommen klettert er fluchs den Turm hinauf - und fliegt davon! Muß ein Magier sein.

Man ruft schließlich den wachhabenden Magier herbei, er läßt sich unsere Fluggeschwindigkeit vorführen und berechnet dann den Kurs, den wir nehmen sollen. Noch völlig berauscht von der schnellen Fahrt hinab starten wir los und vergessen völlig unseren armen Elidan, der ja noch immer nicht flugtauglich geworden ist. Mist aber auch.
Doch da sehen wir, dass der fremde Magier zurückkehrt und ihn huckepack nimmt. Sehr freundlich.


Die andere Erdinsel kommt langsam näher, unter uns glimmt die kochende Oberfläche der Lavaflüsse Muspelheims. Bald haben Elidan und der Fremde uns eingeholt und wir fangen an zu plaudern, ist ja noch ein Stück bis nach Kront. Ich habe mich getäuscht, er ist kein Mensch sondern ein Elf. Er stellt sich als Wison vor, sagt er wäre vor vielen Jahren aus Sigil hierhergekommen und habe seitdem auf der Mauer gedient. Also ist er kein Bittsteller!
Nun ist sein Dienst zuende, doch bevor er weiterzieht will er noch etwas einkaufen und nebenbei einen Auftrag erledigen. Seine Augen kleben ständig an mir, und er erkundigt sich auffällig nach Ig'nea. Offenbar gibt es keine Kriegerinnen im Dienst des Königs von Bergen, jedenfalls schaut er mich an als hätte er seit Jahren keine Frau mehr gesehen.

Das entgeht Furgas natürlich auch nicht, und er ist wenig erfreut. Als er Wison einen Tritt verpassen will, trifft er statt dessen jedoch Elidan auf dessen Rücken, und beinahe stürzt er in die Tiefe. Du meine Güte, wir werden es doch hoffentlich lebend bis nach Kront schaffen? Wenigstens hat der Schreck geholfen und sie lassen die Kabbeleien.

Als wir die Kante Kronts überqueren spüren wir sofort, wie die Erde uns ansaugt und festhält. Fliegen scheint hier unmöglich zu sein. Gut, dass Ig'nea vorausgeflogen ist und uns gewarnt hat, nicht zu hoch anzufliegen.
Vor uns liegt ein winterlicher Sumpf. Hier am Rand ist die Erde noch relativ trocken und fest, doch das ändert sich schnell. Ich kann in der näheren Umgebung keine hervorstechenden Merkmale erkennen, keine Städte oder Bauwerke. Ig'nea schlägt vor, Wison als Führer zu verdingen, und alle sind froh, einen Ortskundigen dabei zu haben. Außer Furgas. Irgendwie können die beiden sich nicht leiden hab ich den Eindruck. Der Tritt hat das sicher nicht verbessert.
Doch Wison ist begeistert, gleich zwei Frauen, hakt sich links und rechts ein und erklärt sich bereit, uns zu einem der Dörfer zu bringen.


Den ganzen Tag marschieren wir durch das frostige Sumpfland. Wir fragen Wison über die Gefahren des Sumpfes aus, davon gibt es reichlich. Neben der Kälte und tückischen Sumpflöchern sind wohl Mücken die größte Gefahr hier. Vor allem, wenn sie in Schwärmen attackieren. Wir sollen gut Ausschau halten und sofort mit Flächenzaubern gegen sie vorgehen, sobald wir sie erblicken, sonst könnte es sehr unangenehm werden.

Als sich das Licht des Tages neigt, suche ich einen trockenen Rastplatz für uns. Eine kleine Torfinsel mit einem Baum darauf findet meine Gnade, wir entzünden ein Feuer und wärmen unser kaltes, klammes Gebein. Trotz der Schutzmaßnahmen ist es einfach unangenehm hier, kein Wunder dass hier kein Mensch leben möchte. Nach einem kargen Abendessen zaubert Wison eine magische Hütte für die Herren, Ig'nea und ich nehmen mit den Ästen des Baumes vorlieb. Da hat man eine viel bessere Aussicht als in dem Kasten - sobald man durch die Luke steigt ist es zwar halbwegs warm und ruhig, aber auch finster und eng.

Am nächsten Morgen brechen wir frühzeitig auf und waten weiter durch den Sumpf. Immer weniger feste Stellen machen das Vorankommen schwer, der Morast saugt und zieht an unseren Füßen bei jedem Schritt wie klebriger Teer.
Da wir bei dieser Anstrenung sicher noch viel hungriger sein werden als gestern beschließe ich, auf die Jagd zu gehen. Anschleichen und verstecken ist schwierig hier, doch nach fünf Stunden kehre ich erfolgreich zu den anderen zurück, ein Reh über den Schultern. Auch Wison war auf der Pirsch und bringt zwei Hasen mit. Rasch entzündet Goin ein Feuer und bereitet fachmännisch das Wildbret zu. Endlich wieder frisches Fleisch! Während des Essens unterhalten sich Wison und Furgas über Dorn. Er sagt, Dorn sei eine Frau und würde sich offensichtlich langweilen, deshalb singt sie. Warum beharken sich die beiden bloß ständig, wir haben doch wirklich andere Sorgen.
Wir bringen noch ein paar Meilen hinter uns und übernachten dann auf einer großen Eisscholle, mit Fellen untergelegt ist das gar nicht so übel.

Der nächste Tag beginnt wie der gestrige. Wir rollen unser Gepäck auf, strecken die eingfrorenen Glieder und dann marschieren wir weiter hinter Wison her. Der Weg ist schmal, links und rechts von uns klaffen Wasserlöcher, die nur von einer dünnen Eisschicht überzogen sind.
Plötzlich ruft Wison: Eismoskitos!, doch bis wir sie gesehen haben sind die ersten schon bei uns und stechen mit ihren kleinen, nadelspitzen Rüsseln durch jeden ungerüsteten Fleck, den sie finden können, und sie sind verdammt gut im Finden. Ig'nea wehrt die Stechbiester mit einer Art Schild ab, das sich auf einmal um sie herum aufbaut, diese Zauberkundigen haben es wirklich gut.
Mit Bogen oder Schwert kann ich hier nichts ausrichten, also handle ich instinktiv: ich erinnere mich an das, was man mir damals in unserem Dorf erzählt hatte. Dass ich, wenn ich älter wäre, Dinge tun könnte, indem ich die Energie in meiner Seele benutze.

Ich schließe die Augen, greife hinab und taste nach dem, wovon ich bisher nur gehört hatte. Vernichte die Plagegeister! Vor meinem inneren Auge reißt die Dunkelheit plötzlich auf und ein strahlend helles aber nicht blendendes Licht erfüllt mich, Energie fließt durch meinen Körper. Ich öffne die Augen, fixiere den schwarzbrummenden Schwarm und schleudere diese Energie darauf. Eine Druckwelle aus Licht schlägt mitten in die Mücken ein und verzehrt sie in heiligem Feuer. Doch auch Ig'nea, Elidan und unser Führer werden von dem Licht erfasst und schreien auf. Nur Furgas, Goin und ich bleiben unversehrt. Das muß ich mir in Zukunft merken.

Um mich vor weiteren Stichen zu schützen, werfe ich mich wie die anderen ins eiskalte Wasser. Gerade höre ich noch Wison einen Zauber wirken, da donnert erneut Feuer um uns herum. Doch diesmal ist es kein heiliges Licht, diesmal ist es richtiges Feuer. Die überlebenden Moskitos fallen buchstäblich wie die Fliegen, doch auch wir tragen Verbrennungen davon.
Da von den Mücken vorerst keine Gefahr mehr droht, heilen und versorgen wir unsere Wunden und ich entschuldige mich bei meinen Freunden. Dass dieser Zauber einen solchen Wirkungskreis entfaltet, hatte ich nicht geahnt. Nur gut, dass sie nicht nachtragend sind, auch Wison nicht.

Der Rest des Tages verläuft ruhig.
Leider trifft das nicht auf den Abend zu. Nach dem Essen teilen wir wieder Wachen ein, diesmal übernehmen Wison, Furgas und ich die zweite. Es dauert nicht lange und die beiden liefern sich wieder ein hitziges Wortgefecht, sie sind sich wirklich spinnefeind. Da zaubert Furgas irgendetwas, schreit plötzlich auf und reibt sich die Augen. Wison zaubert ebenfalls, und auf einmal tut sich unter Furgas die Erde auf und verschluckt ihn bis zum Hals. Scheinbar ist er blind. Was hat er nur wieder gemacht?
Wison sagt, er hätte Furgas gewarnt dass er ihn ungespitzt in den Boden rammen würde, wenn er auf ihn zauberte. Und daran hat er sich auch gehalten. Da sich unser Paladin uneinsichtig (wie auch, ohne Augenlicht) zeigt und darauf beharrt, Wison zu bekämpfen da er ein böser Mensch sei, geht jener einfach weg. Er möchte keinen Ärger, weist mir noch den Weg zum Dorf und meint, in ein bis zwei Tagen wären wir dort.

Aber noch immer ist keine Ruhe zu finden. Kaum dass Furgas wieder bei Sicht ist und aus der Erde befreit, streitet er sich lautstark mit Elidan wegen irgendwelcher Wachwechsel. Da kann doch kein Mensch schlafen, wenn sie so weitermachen locken sie wirklich jedes nicht völlig taube Wesen in drei Kilometern Entfernung an.
Ich entferne mich entnervt von der Gruppe und treffe dort erneut auf Wison. Freundlicherweise erschafft er eine dieser magischen Hütten, die Aussicht ist dahin, aber wenigstens ist es endlich ruhig.

Als ich am nächsten Morgen erwache, ist es schon spät. Die anderen sind noch am Leben, irgendwie haben sie sich also doch zusammengerauft. Ein plätscherndes Geräusch erregt unsere Aufmerksamkeit, Furgas meint es sei die ganze Nacht dagewesen und er habe es für Wison gehalten. Doch Goin enttarnt es als eine Illusion.

Wir brechen auf. Wisons Wegbeschreibung war recht gut und in den letzten Tagen habe ich ein gutes Gefühl für die Zeichen der Sumpflandschaft bekommen. Ohne Zwischenfälle legen wir Meile um Meile durch die Eislandschaft zurück.
Dann sehen wir vor uns unser Ziel auftauchen: zwei einfache, aber große Lehmhütten. Ig'nea setzt sich telepathisch mit Wison in Verbindung und er rät ihr, den Geschichtenerzähler aufzusuchen, wenn wir mehr über Einauge erfahren wollen. Doch in den Hütten ist niemand, nur ein riesiger Haufen Gold mit den Konturen eines daraufliegenden Drachen und in der anderen ein Haufen Edelsteine. Ja, hier leben eindeutig Drachen mit Traditionsbewußtsein.

Zum Glück können wir Goin, der schon glitzernde Augen bekommen hat, davon abhalten sich zu bedienen, denn kurz darauf nähern sich zwei in Felle gekleidete Drachenwesen. Sie haben zwei erlegte Rehe über die Schulter geworfen und sind offensichtlich die Bewohner der Hütten. Es muß an der Einsamkeit liegen, jedenfalls ist ihr Humor gewöhnungsbedürftig, doch sind sie freundlich genug, uns den Weg zum Geschichtenerzähler zu weisen.

Einen halben Tag später langen wir an einer einzelnen Hütte mitten im Sumpf an. Wir klopfen und ein bleiches Drachenwesen mit eindeutig menschlichen Zügen öffnet uns. Er ist ein wenig unwirsch, ein Eigenbrödler, daher erklärt er sich schnell bereit, uns für eine Silbermünze pro Nase eine Geschichte zu erzählen. Hauptsache, wir verschwinden dann wieder.

Wir zahlen, er bittet uns hinein und wir fragen nach der Geschichte von Einauge:


Vor langer, langer Zeit gab es hier einen großen goldenen Drachen (in Wahrheit war es ein grauerm, aber egal), der hieß Einauge. Er erhielt einen Hilferuf von den Menschen aus Quesre, die damals noch klug genug waren sich auf die Stärke der Drachenwesen zu besinnen, und Einauge folgte dem Ruf.
Eine Woche später sandte auch er einen Hilferuf: Scheusale würden um das Gebiet kämpfen wegen einer Maschine, die magische Sachen erschaffen konnte. Aber weil sie nicht lange genug dort bleiben konnten, wollten sie das Gebiet auf ihre Ebene ziehen.
Einhundert sammelte Einauge um sich und sie kämpften gegen die Scheusale. Was genau passierte, weiß man nicht; es heißt, ein paar hätten überlebt und seien dort geblieben.


Als wir dem Erzähler den Namen Aldor Tatz nennen sagt er, das bedeute Einauge. War es tatsächlich derselbe? Wir müssen leider von seinem Tod berichten, und erwähnen dabei Brenell. Auch dieser Name ist ihm nicht unbekannt, er nennt ihn die Hand der Acht. Er ist ihre Exekutive, schier unbesiegbar, denn er wurde das Konzept des Todes.
Ein wenig verwirrt uns diese Aussage, doch wir haben ihn neugierig gemacht.

Und wir können ihn immer mehr in Erstaunen versetzen. Wir berichten von der Insel mit der magischen Maschine, und von dem Baby. Woher wir das alles wüßten? Jetzt ist er nicht mehr neugierig, sondern mißtrauisch. Es sei vor kurzem schon einmal einer hier gewesen, der nach der Geschichte von Einauge gefragt hätte, doch der hatte nichts von alledem gewußt.
Also war Wison hier gewesen?
Der Erzähler meint, das Kind sei der Schlüssel zur Insel, wenn Brenell es hätte dann wäre das eine schlimme Nachricht.

Ein großer Goldener, ein silberner und ein schwarzer Drachenmensch verdunkeln plötzlich die Eingangstür. Der Erzähler geht hinaus und beginnt, auf Drakonisch zu berichten was wir ihm erzählt haben, doch als er bemerkt, dass einige von uns ihn verstehen, wechselt er auf eine andere Sprache.


Es geht hier also um die Insel auf dem See, über die wir nach unserer Flucht aus Tamra durch Zufall gestolpert waren. Oder besser, um dieses Gerät, das sich dort befindet und mit dem man jeden magischen Effekt erzeugen kann. Behauptet Luzija, nur sie hatte dieses Moos lesen können.
Und das Baby war der Schlüssel zur Insel. Hatten wir sie deshalb entdeckt? Weil wir das Baby an Bord hatten? Und war es vielleicht jetzt auch schon dort, war das der zweite Versuch, die Insel auf eine andere Ebene zu ziehen? Es würde erklären, warum durch den Krieg in Tamra und Ipkunis versucht worden war, das stabile Gleichgewicht in Quesre zu zerstören. Oder zumindest, es in eine bestimmte Richtung zu drängen.
Aber warum dann die Sache in Irkbatz mit der planaren Bindung? Hat Brenell dem Baby ein Bewußtsein gegeben, ähnlich wie bei Dorn? Mit welchen Folgen? Warum uns hierher locken? Nur um diese Geschichte zu erfahren vielleicht?

Draußen versammeln sich immer mehr Drakoner. Zwei, die sich noch an die Zeit von Einauge erinnern, treten vor und bitten uns nach draußen. Sie bilden einen Kreis um uns und sehen irgendwie - kampfbereit aus.

Dann fragt er, woher wir all das wissen und warum er manche von sehen könnte doch Elidan und Furgas nicht! Er spricht wohl von der wahren Sicht, diesen Effekt kennen wir ja schon. Wir versuchen so gut es geht ihre Fragen zu beantworten, doch meist endet es mit Kopfschmerzen für uns. Vom Dorf können wir nicht erzählen, unsere gemeinsame Verbindung mit Brenell und unsere Vermutung, dass er uns dazu bringen möchte, ihm bei irgendetwas zu helfen geht halbwegs.
Einer der Drachen versucht, unser Gedächtnis zu lesen bevor wir ihn warnen können, und es haut ihn ebenso aus den Latschen wie die drei Zwergenoberhäupter in Barmak.

Wir fürchten schon, jetzt bringen sie uns um, doch offenbar haben sie mehr Erfahrung als Angst. Der nächste, der sich mir nähert, ist vorsichtiger.

Er vermutet einen „Riss“. Wir kämen wohl von einem eigentlich unmöglichen Ort und können nicht zurück, daher auch die Kopfschmerzen wenn wir es doch versuchen, und das könnte an dem Ritual liegen, das wir damals in der Hütte gemacht hatten: wir hatten alles verbrannt, was uns mit unserer alten Heimat verband und damit den Weg abgeschnitten.
Doch wo war diese Heimat? Wirklich im Mittelpunkt der Säule, wo das Nichts ist, wie einige von uns vermuten? Oder hinter dem Rand der Außenländer? Oder etwa aus diesen Fernen Reichen, von denen die Drachen munkeln? Es heißt, wer von dort käme den würden die Götter verdammen. Der Solar hatte uns die Verdammten genannt!

Als wir weitererzählen, sagen die Drachen, dass Brenell auch einen Totenkopf auf der Brust hätte, genau wie Detritor. Es wird Zeit, dass uns unser alter Freund endlich reinen Wein einschenkt! Wieder kommt mir der eigenartige Traum nach dem Ritual in den Sinn. Ein Mann mit Totenkopf, der Psioniker, der tanzende Derwisch. Luzija hat den Weg des Urbarden eingeschlagen, wenn sie bloß hier wäre; vielleicht wäre ihr etwas eingefallen.
Sind wir denn alle Konzepte, so wie Brenell?

Am Ende verurteilen uns die Drakoner nicht. Fast beiläufig erfahren wir, dass vor etwa zehn oder elf Jahren eine Gruppe von 30 Drachenmenschen bei Nacht und Nebel verschwand. Das würde zeitlich zusammenfallen mit der Schlacht um Tamra und Ipkunis! Undeutlich tauchen Erinnerungen in mir auf an unsere Flucht in einem schweren, eisenbeschlagenen Boot. Waren darin nicht Drachen gewesen? Und Chronos? Ob er wohl noch lebt...


Wir verabschieden uns schließlich von den Drachenmenschen, die sich nicht sonderlich bereitwillig zeigen, noch einmal um Quesre zu kämpfen. Dann liegt es wohl an uns, es wird Zeit, dort nach dem Rechten zu sehen!

Elidan will uns zum Turm bei Ychts Garten shiften, von dort aus wollen wir erkunden, was aus der Triangel geworden ist. Kurz zieht es, als unsere Körper weg von dieser, über die Astralebene, hin zu den Außenländern gezogen werden...


... dann stehen wir neben einem Fluß.
Neben uns sinkt Furgas in die Knie. Er hält Dorn in der Hand, die Stacheln des Griffs haben sich in seine Hand gegraben und er blutet unaufhörlich. Was ist denn nun schon wieder los? Dieses verdammte Ding wird ihn noch umbringen! Nur gut, dass meine Waffen kein Bewußtsein haben, das setzt ihnen nur Flausen in den metallenen Kopf.
Er murmelt etwas von "werde es nie wieder tun", bittet um Verzeihung, doch Dorn läßt sich nicht erweichen. Bald gehen uns die Heilzauber aus, selbst Beten zu Torm bringt nichts. Da rät ihm Elidan, der offenbar mitbekommen hat worum es hier geht, uns das Wort abzunehmen, über all das zu schweigen. Das zeigt endlich Wirkung.

Furgas klärt uns auf, dass der Solar ihn davor gewarnt hatte, jemals über Dorn und dessen Geheimnis zu sprechen, doch genau das hatte er bei den Drachen getan. Und dafür hat ihn die Waffe beinahe getötet. Ich kann nur den Kopf schütteln über sie, die möchte ich im Leben nicht führen. Ich wüßte nie, wann sie sich gegen mich richtet, statt gegen die wahren Feinde. Mit solch einem selbstbewußten Ding in der Hand muß man sich wirklich gut überlegen, was man tut. Was immer der Solar mit Dorn gemacht hat - da steckt eine sehr überzeugte, unerbittliche Seele drin.

Eine Woche später kommen wir an Ordos Sommerhaus an. Es sieht verlassen aus. Ob Ordo ein Bürger von Ipkunis war, der es nicht überlebt hat?
Aus dem Leder in dem kleinen Anbau schneidere ich ein ordentliches Tragegestell für Elidan, so lange bis er endlich einen Weg gefunden hat, selbst zu fliegen. Da es über den See nach Tamra zu weit ist zum Fliegen wenden wir uns zuerst nach Man's End, dem letzten Punkt der Triangel, der noch in Sicherheit zu sein scheint.


Zwei Wochen später erreichen wir Man's End. Man setzt uns wieder eine dieser Runenscherben ein, die das Zaubern in der Stadt verhindern soll. Alles wirkt so friedlich und ordentlich wie bei meinem letzten Besuch: kleine, schnuckelige Häuser, öffentliche heiße Quellen und natürlich die Kurbäder. Nach den Strapazen der letzten Wochen eine echte Erholung, wir mieten uns im „Lachenden Halbling“ ein und Ig'nea legt sich sofort einen Kurschatten zu. Eigentlich sollte ich ihr für die Sache mit dem Kleid auf dem Ball ja noch die Ohren langziehen, aber ich bin zu erschöpft und genieße lieber die Massagen.

Doch wir legen nicht nur die müden Füße hoch, sondern holen ein paar Informationen ein. Auch wenn eine Audienz bei Lady Esalis erst in einem halben Jahr möglich ist, so hören wir dennoch aus den Erzählungen der Bewohner einiges interessantes:

Ipkunis ist fort, und an dem Ort wo es war hausen jetzt Orks.

In Tamra kämpft ein Haufen Irrer gegen die Baatezu, jedes Angebot auf Unterstützung hätten sie dankend abgelehnt. Ich wette das sind die Drachen, von denen wir in Kront gehört haben.

Das heißt also, dass von den drei Orten, die das stabile Quesre hielten, das chaotische Element gefallen und das neutrale umkämpft ist. Allein das rechtschaffene ist unangetastet.

Wenn das mal nicht Brenells Absicht war, dieses Schlitzohr.
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Donnerstag, Juni 14, 2007

Hinauf nach Merkuria

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Noch ist alles ruhig in der Festung der Mönche. Goin mahnt uns, keine wichtigen Geheimnisse zu erzählen denn einer der Mönche, ein Elf, würde uns beobachten. Genauer gesagt, Ig'nea. Warum weigert sie sich auch nur, das Ritual zu machen?
Unseren Überraschungsangriff können wir vergessen, also machen wir uns mißmutig wieder auf den Rückweg, so hat das keinen Sinn. Jetzt, wo wir gewarnt sind, fällt es Goin auf, dass auch an dem Portal das uns herbrachte ein Fokus haftet. Kein Wunder dass sie schon von unserer Ankunft wußten. Nächstes Mal werden wir einen diskreteren Weg wählen.

Elidan und Luzija zaubern uns schließlich nach Ipkunis zurück, zwar wieder ein wenig außerhalb, aber wir finden zügig in unsere Stadt. Der weiße Turm grüßt uns schon von weitem, und wir werden wie beim letzten Besuch von der Bevölkerung freudig empfangen. Schön wieder hier zu sein.
Rinpi hat uns schon im Turm erwartet, er ist es leid den Aufpasser zu spielen, und ausgerechnet Detritor erklärt sich bereit, hier fürs erste Wache zu halten. Ich wußte gar nicht, dass er etwas für magische Maschinen übrig hat, doch wie es scheint, hat er vor den Turm neu zu gestalten. Ich bin gespannt, was uns beim nächsten Besuch hier erwartet.

Wir lassen uns nieder und beraten, wohin uns nun unser Weg führen soll. Elidan begibt sich gleich nach Sigil, um ein paar Zauber zu besorgen die ihm bei zukünftigen Zusammenstößen mit den Mönchen hilfreich sein könnten.
Ich bemerke einige Tauben, die auf dem Fenstersims sitzen und lasse sie hinein, doch sofort ist das Geschrei groß. Spione, Brenell, der Teufel höchstpersönlich. Es sind doch nur Tauben? Selbst Goin bestätigt, dass niemand sie, wie die Grubkäfer damals in Sigil, zum Spionieren benutzt. Aber um des lieben Friedens willen verscheuche ich die Tierchen, die sich unwillig wieder von dannen machen.
Ein wenig übervorsichtig finde ich diese Reaktion schon.

Goin ist der Meinung, wir sollten der Spur der beiden kaltgeschmiedeten Adamantwaffen nachgehen. Gleich zwei Waffen zu finden, die es im Grunde gar nicht geben dürfte, kann kein Zufall sein, meint er. Außerdem ist er sich sicher, dass sowohl Dorn wie auch der Nagel von Maladomini vom selben Zwergenschmied gemacht wurden und deutet immer wieder auf ein paar Dellen in den Waffen. Naja, so ganz überzeugt bin ich nicht.
Er glaubt, dass Dorn zwar eine sehr feine magische Waffe sei, aber noch viel mehr als das: von der richtigen Hand geführt, könnte sie irgendwann Energie ansammeln, oder eine zweite Variante: sie ist eine intelligente Waffe, die ein eigenes Bewußtsein erlangt hat. In diesem Moment könnte sie beschließen, sich in eine andere Hülle zu begeben.

Mittlerweile hat sich Goin richtig in Fahrt geredet und ich verstehe überhaupt nichts mehr. Waffen die denken? Sich in andere Hüllen begeben? Hoffentlich kommt mein Bogen nie auf so dumme Gedanken. Ich glaube Goin immer weniger, der hat doch bestimmt wieder heimlich Zwergenbier getrunken.
Doch dann unterzieht Ig'nea Dorn derselben Untersuchung wie damals den Nagel und untermauert damit Goins Theorie. Sie sagt, Dorns Geschichte sei nicht so, wie wir es vermutet hatten, diese Waffe sei viel jünger als wir dachten und nicht schon in aberhundert Schlachten gegen Scheusale geschwungen worden. Seltsam, was stimmt denn nun? Dies ist die neue Geschichte, die sie uns präsentiert:



Zuerst sieht sie einige Szenen, die Dorn mit uns erlebt hat: Furgas' Heiratsantrag, die Enthauptung des Abishai in Sigil, die Rettungsaktion im Schwarzen Segel und wie wir Dorn fanden, damals als Ipkunis im Abyss war.

Dann wird es dunkel, Dorn ist in ein Bündel gewickelt. Jemand packt ihn aus, hat dabei kurz Schmerzen und freut sich dennoch diebisch, wirft ihn in die Maschine. Dorn fällt und hat Angst, echte Todesangst, doch er kann widerstehen und landet auf dem Boden, wo Luzija ihn später fand.

Zuvor sieht man den Werfer, er ist eher klein und schmächtig und Ig'nea erkennt ihn als Brenell, wie er von einer großen, geflügelten Gestalt das Bündel überreicht bekommt, die Stimmung ist angespannt. Ob das derselbe Solar ist, den Furgas nach Ipkunis eingeladen hatte?

Davor spielt es sich genau umgekehrt ab: Brenell überreicht dem Solar die Waffe, allerdings kann er sie da noch anfassen und sie ist nicht in Decken verhüllt.

Die letzte Szene zeig einen Zwergen in einer dunklen Rüstung, der in einer Schmiede mit einem seltsam schlanken, rundlichen Amboß steht und sich mit einer etwas größere Gestalt, Brenell, streitet. Dorn liegt auf dem Amboß.
Dann hört die Vision einfach auf, reißt ab.



Vielleicht ist ja doch etwas an Goins verrückten Ideen dran.
Immerhin verändert sich die Waffe tatsächlich ab und zu, wenn Furgas das will.

Doch warum arbeitet ein Solar, wenn auch ungern, überhaupt mit Brenell zusammen? Würde sich ein Celest nicht eher die Flügel abschneiden, bevor er einen Vertrag mit den Baatezu eingeht? Gut, sie kommen besser mit denen aus als mit den wilden Tana'ri, aber dicke Freunde sind sie trotzdem nicht, das haben wir schon als Planlose in Barmak gelernt.

Auch wenn Furgas sich sträubt, wir beschließen auf den Berg Celest zu gehen und einfach dort zu fragen. Nur weil er sich dort nicht mehr blicken lassen soll mit solchen Anfragen, wie er sagt, heißt das ja nicht dass wir es auch nicht dürfen.

Wir packen unsere paar Habseligkeiten, auf dem Weg zum Baumportal hole ich mein Ur'epona ab und dann marschieren wir los. Endlich mal eine vernünftige Ebene, auf der ich meine Lieblinge mitnehmen kann!
In Sigil führt uns Furgas zielsicher in eine der schlechteren Gegenden, warum auch immer ein Portal zum Berg Celest in einem solchen Dreckloch liegt wissen wohl nur die Götter selbst. Wir durchschreiten das Portal...


... und platschen nach ein paar Metern freiem Fall ins Wasser. Na wunderbar, kein Verlaß auf Furgas' Fähigkeiten als Ebenenführer. Von wegen, Portal am Fuß eines Berges! Der Berg ist noch meilenweit von uns entfernt, nur ein riesiger Schemen am Horizont. Furgas schwebt natürlich über uns im Trocknen und guckt ganz unschuldig.
Neben mir quiekt Ig'nea, ihr scheint das Baden keinen Spaß zu machen. Als Feuergenasi wohl auch nicht verwunderlich. Oder liegt es an etwas anderem? Sie sieht jedenfalls schleunigst zu, aus dem Naß herauszukommen. Mein armes Ur'epona ist wohl auch ein wenig zu überrascht von diesem Ausgang, denn plötzlich ist an seiner Stelle nur noch kurz ein pferdeförmiges Loch im Wasser bis die Wellen es wieder verschlucken. Hoffentlich hat es sich nach Hause teleportiert und nicht sonst wo hin.

Da ich mich mit meinen nassen Federn nicht allein aus dem Wasser hieven kann, zieht mich Furgas schließlich heraus und wir machen uns auf den Weg zum Berg. Das Meer glänzt silbrig im Sternenlicht der Dämmerung, und wir erkennen, dass der Fuß des Berges gar nicht so klein ist, wie er anfangs wirkte. Ein paar Siedlungen werfen helle Lichtpunkte übers Wasser.
Kurz darauf sehen wir unter uns einige regenbogenfarbene Wesen im Wasser auf uns zuschwimmen, sie winken nur kurz und entfernen sich dann wieder. Wie nett.
Nicht mal eine Minute später kommen drei geflügelte Frauen auf uns zu. Sie sind schwer gerüstet, und irgendwie sehen sie mir ein bißchen ähnlich. Auf die Frage nach unserem Begehr antworten wir, dass wir zur Feste zum Großen Kreuz möchten, woraufhin sie uns auffordern, ihnen zum Fuß des Berges zu folgen.

Ganze sieben Stunden dauert der Flug, doch ich empfinde die Reise als sehr angenehm. Auch Goin und Furgas scheinen den nächtlichen Ausflug zu genießen, nur Ig'nea wirkt angespannt. Vielleicht ist sie aber auch noch brummelig wegen des unerwarteten Bades.

Am Fuß angelangt deuten die Frauen auf einen Weg, der sich in Serpentinen nach oben schlängelt, bis er sich in etwa einem Kilometer Höhe in den Wolken verliert. Dem Pfad sollten wir folgen, er brächte uns nach Merkuria. Dann verlassen sie uns, nicht jedoch ohne uns zu mahnen, hier die Gesetze zu achten und nichts Böses zu tun. Als ob das nicht selbstverständlich wäre.

Wir steigen bergan. Hübsch ist es hier. Alles macht einen friedlichen, ordentlichen und zufriedenen Eindruck. Das silbrige Strahlen der Sterne schimmert auf den Kieseln und erhellt unseren Weg, ein Bächlein rinnt fröhlich neben uns her. Wir schreiten federleicht, naja bis auf Ig'nea, die schnauft, und kommen einige Stunden später zu einem kleinen Dorf, das ausgelassen feiert. Neugierig fragen wir nach dem Anlaß: es ist der Tag der Kreuzritter. Sofort zaubert Goin ein Liedchen aus dem Ärmel, und man läd uns freundlich ein, uns an den Tisch zu setzen.
Die Leute sind ausgelassen und fröhlich, kräftiges Bier und süßer Wein werden zu reichhaltigem Essen serviert. Niemand scheint hier einen Kater zu befürchten. Goin singt ein Heldenepos nach dem andern, wir tanzen, feiern und lassen uns von der guten Laune anstecken. Ich glaube sogar Ig'nea ist wieder versöhnt, jedenfalls unterhält sie die Kinder mit Feuertricks.

Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sich Furgas mit einem älteren Mann unterhält, doch bevor ich zu ihnen gehen kann, spricht mich ein kleiner Junge an. Er fürchtet sich offenbar vor der Dunkelheit und glaubt, etwas herumschleichen gesehen zu haben. Etwas Böses. Die anderen Kinder sagten, es sei Ig'nea, doch die habe er schon gefragt und sie hat verneint.
Und weil ich ein Held bin, voller guter Laune und gutem Wein, gehe ich also mutig auf Monsterjagd um das Dorf herum. Auch die andern folgen nach und nach meinem guten Beispiel, langsam frage ich mich, ob das vielleicht ein Spiel der Kinder ist. Schick die netten Fremden auf die Suche nach dem Schwarzen Mann. Aber wie erwartet sind keine bösen Monster zu entdecken, es sei denn man findet Rehe gefährlich.

Schließlich begeben wir uns zur Nachtruhe. Wobei Nacht ein seltsamer Begriff ist, denn es hat den Anschein, dass es hier immer nur silbriges Sternenlicht gibt, mehr oder weniger hell.
Als ich erwache, sind die braven Bürger längst ihren Arbeiten nachgegangen. Ein Krug frisches Wasser und ein herzhaftes Frühstück stehen dennoch für uns bereit, und für jeden eine säuberlich gepackte Wegzehrung. Hier gefällt es mir.


Die Sterne leuchten hell am Himmel als wir uns schließlich wieder auf den Weg bergan machen. Furgas erzählt, dass er gestern einer unfruchtbaren Frau seinen Segen geben sollte. Ich wünschte er würde sich öfter auf diese Seiten seines Paladintums besinnen als auf die holzköpfige Brutalität. Mein Held. Hoffentlich konnte er der armen Frau helfen.

Wir sind noch nicht weit gekommen, da springt Furgas plötzlich ins Gebüsch. Er winkt uns heran, vor uns liegt ein totes Reh, dem feinsäuberlich ein Bein abgetrennt wurde. Blutspuren führen uns zu einem Lagerplatz mit einem noch nicht ganz erkalteten Feuer. Hier haben zwei Personen gelagert. Furgas ist empört, auch ich finde eine solche Verschwendung nicht in Ordnung; gegen das Jagen von Tieren zum Essen habe ich im Grunde nichts.

Nach einer Stunde Fußmarsch treffen wir auf zwei reisende Söldner, die sich ächzend und stöhnend den Weg hinaufschleppen. Sie geben unumwunden zu, das Reh getötet zu haben, und dass das wohl noch zu dem beschwerlichen Marsch beigetragen haben mag. Also so funktioniert das hier! Kein Wunder, dass Ig'nea so viel mehr Mühe mit dem Wandern hat als Furgas. Der Braunhaarige erzählt, dass sie aus Sigil gekommen seien, vom Gnadentöterweg, doch ursprünglich stamme er aus Damara. Goin fällt natürlich gleich wieder ein passendes Lied ein, scheint in seiner alten Heimat zu liegen dieses Damara. Scheint es nur so oder laufen die beiden jetzt schon beschwingter?
Kurze Zeit später werden wir von einem Paladin in strahlend weißer Rüstung überholt. Obwohl er ganz gemütlich zu gehen scheint, fliegt er förmlich an uns vorbei. Als wir ihn ansprechen, kehrt er zurück und erklärt uns, dass jeder Weg hier so lange dauert, wie er eben dauert. Und dass Ig'nea einen sehr langen Weg vor sich hätte, daher solle sie in sich Gehen und das Gute entdecken. Mit diesen Worten verabschiedet er sich und zieht davon, sehr begeistert ist Ig'nea nicht. Goin versucht, sie mit unserem liebgewonnenen Lied von Ipkunis aufzumuntern, und als wir erneut an einer Biegung vorbeikommen, läßt er sich hinreißen und flechtet die Urworte der Schöpfung in sein Lied.
Von weit oben kommt da der Paladin herangebraust und mahnt Goin freundlich aber bestimmt, dass es zwar nicht verboten sei, diese Worte zu sprechen, doch sie hätten große Macht und könnten, wenn er auch nur einen Fehler in der Betonung machen würde, großen Schaden anrichten. Disharmonie in den Wohlklang bringen. Und Fehler werden hier hart bestraft.
Den Rest des Weges bringen wir daher lieber ohne die magischen Worte hinter uns.

Nach zwei Tagen kommen wir an der Abzweigung zu Bahamuts Heimstatt vorbei, ich muß an Drakas Sinnesstein denken. Ob sie wohl hier war?

Am dritten Tag endet der Weg an einem weißen Marmorpalast, der sich eng an die steile Felswand drängt. Weithin sichtbar prangt das Banner Helms an den Mauern, dies ist das letzte Bollwerk Lunjas. Man läßt uns ein und führt uns durch sich endlos windende Gänge immer weiter bergan, Stufe um Stufe. Selbst für Furgas und mich wird das tagelange Aufsteigen langsam anstrengend, Ig'nea ist beinahe am Ende ihrer Kräfte, doch ihren Sturkopf gibt sie nicht auf.
Wir machen eine kleine Pause, und da kommen tatsächlich die beiden Söldner die Treppen hinaufgekeucht. Sie sind mehr tot als lebendig, der Blonde spuckt sogar schon Blut. Was für ein Auftrag kann nur solche Qualen wert sein? Furgas besinnt sich erneut auf seine guten Qualitäten und heilt den Söldner, auch wenn Ig'nea ihn argwöhnisch dabei beobachtet. Etwas mehr selbstlose Nächstenliebe würde ihren Weg hier sicherlich erleichtern, warum versteht sie das bloß nicht?

Als wir wieder zu Atem gekommen sind, mühen wir uns weiter die Stufen hinauf. Der Blonde folgt uns langsam, ohne seinen Kameraden. Nach einem halben Kilometer langen wir an einer rauhen, schroffen Felswand an, deren Ende in den Wolken versinkt. Von jetzt an heißt es klettern.
Ich überlege gerade, ob wir das überhaupt schaffen, da überholt uns der Söldner und mit eisernem Willen krallt er sich Zentimeter für Zentimeter die Wand entlang nach oben.
Ich seufze. Kneifen gilt nicht, wenn er das schafft müssen wir es doch auch. Also beißen wir die Zähne zusammen, raffen unsere müden Knochen auf und hieven uns nach oben. Schon nach wenigen Metern haben wir ihn überholt, mehr als Heilung und tröstende Worte können wir ihm leider nicht mit auf den Weg geben, denn wie es schon der Paladin sagte: Hier dauert der Weg für jeden so lange, wie er eben dauert.

Der Aufstieg kommt mir wie eine Ewigkeit vor, und ich gewinne Hochachtung vor Ig'neas unbeugsamem Willen. Sie muß es noch härter treffen als uns, und selbst ich muß mich gelegentlich an Furgas' Arm ausruhen. Verflixt, ich hätte früher doch mehr klettern üben sollen, bloß wo?
Kurz bevor wir die Kante erreichen, stellt uns ein besonders steiles Stück noch vor eine Herausforderung, doch dann schleifen wir uns endlich bäuchlings auf das von goldenem Licht durchflutete Plateau.

Vor uns liegen Wiesen, Wälder, alles in dieses sanfte goldene Licht getaucht. Ein Weg führt zu einem gewachsenen Holztor, vor dem ein Bär im Priestergewand an einem Pult steht und immer wieder Bittsteller, die sich in einer langen Reihe brav angestellt haben, entweder durch das Tor winkt oder abweist.
Während die anderen sich in die Reihe stellen, wage ich einen Blick über den Rand. Der Blonde klammert sich verzweifelt am Steilhang fest und streckt mir hilfesuchend die Hand entgegen. Ich helfe ihm hinauf und kaum dass er festen Boden unter den Füßen hat, bricht er zusammen und bleibt einen Moment lang wie ein Fisch an der Luft japsend liegen. Der wäre glatt abgestürtzt. Doch er hat denselben Sturkopf wie Ig'nea, und sobald er wieder atmen kann, robbt auf die Schlange der Wartenden zu.

Furgas, Goin und ich werden gleich durchgewunken, bei Ig'nea meint der Bär jedoch, es stünden fünf mal Nein gegen fünf mal Ja, also warum ist sie hier? Sie antwortet: um ihre Freunde zu schützen - und wird durchgelassen. Hat sie also doch etwas gelernt.

Auf der anderen Seite stehen wir in einer sehr geordneten Gegend: wogende Weizenfelder säumen schnurgerade den ordentlich geharkten Weg, und viele Leute sind unterwegs, streben aufwärts. Auch hier zählt nicht, wohin man geht, sondern wohin mal will.
Furgas und ich wollen zum Großen Kreuz, doch Goin und Ig'nea werden wieder einmal von ihrer Paranoia gepackt und verfolgen den Blonden, kehren aber bald ohne bahnbrechende Erkenntnisse zu uns zurück.
Die Feste zum Große Kreuz ist ein imposantes Gebäude: eine runde Mittelkuppel, von der fünf Gebäudestränge sternförmig abgehen, und jede Menge Bittsteller. Also heißt es wieder anstehen und warten.
Am Abend werden wir zu dem Solar vorgelassen. Er ist nicht erfreut, Furgas erneut zu sehen und wiederholt uns gegenüber, was er ihm wohl schon gesagt hatte: er kann uns nicht helfen. Nicht, er WILL uns nicht helfen, er kann es nicht. Weil wir Verbannte wären. Er weiß etwas! Über unsere Herkunft, was wir sind, und irgendwie hält ihn das davon ab uns helfen zu dürfen. Oder ist es einer dieser vertrackten Baatezuverträge, der ihn bindet? Das einzige, was er bestätigt ist, dass wir uns Sorgen wegen Brenell machen sollten. Als ob wir das nicht wüßten.

Ein wenig enttäuscht machen wir uns auf den Rückweg. Wenigstens müssen wir nicht denselben langen Weg zum Portal nehmen, sondern man zeigt uns ein anderes Portal: in einem Haus durch die linke Tür gehen, sich mit einem schwarzen Kiesel ritzen und das Blut verreiben. Natürlich haben sie nicht gelogen, und so sind wir nur einen Tag nach unserem Treffen mit dem Solaren wieder in Sigil, noch dazu einem recht guten Viertel.

Zwei Stunden später sitzen wir einmal wieder mit Arthur am großen Tisch und reden über unsere traurige Ausbeute an Informationen. Die Reise zum Berg Celest an sich war sehr interessant für mich, aber was die Waffen angeht sind wir nicht wirklich weitergekommen. Selbst Arthur, der schon viel herumgekommen ist und uns die abenteuerlichsten Geschichten von riesigen Silberblöcken und großem Reichtum erzählt, hat noch nie etwas von kaltgeschmiedetem Adamant gehört und mag es auch nicht glauben. Selbst als er Dorn in die Hand nimmt, es zum Schwert wird und blau zu leuchten beginnt, denkt er noch immer es sei aus normalem Adamant. Immerhin erkennt er, dass es sehr mächtig ist.

Arthur erzählt auch einiges über die magischen Verträge der Baatezu, wie sie funktionieren und wie man sie aushebeln kann. Je mächtiger der Vertragspartner, umso schwieriger wird es jedoch, ein Schlupfloch zu finden. Über Odo, der gerade nicht da ist, meint er er sei ein echter Tausendsassa. Mit dem würde ich mich gern mal wieder unterhalten, aber der ist so oft weg.
Furgas verabschiedet sich weil er noch etwas einkaufen will, und auch ich kann endlich nach meinem Ur'epona sehen, das tatsächlich wohlbehalten in seinem Stall in Blautann angekommen ist. Braves Tier. Es hat sich einen langen, ausgiebigen Ausritt verdient.


Als ich später nach Sigil zurückkehre, finde ich in Arthurs Haus einen schwer angeschlagenen Furgas wieder, ein großes Loch prangt in seiner Rüstung. Viel ist aus ihm nicht herauszubringen, ich glaube er schämt sich. Sagt irgendwas von Fehler gemacht und Dorn hätte ihn bestraft. Dorn? Hat das was mit diesem eigenen Bewußtsein zu tun? Langsam wird mir diese Waffe unheimlich. Ich kümmere mich um seine Wunden, doch für seine Rüstung kann ich nichts tun und ich fürchte den größten Knacks hat sein Stolz abbekommen. Jedenfalls zieht er sich recht schnell in Arthurs Dachkammer zurück und verbringt dort eine Menge Zeit, vermutlich mit Büßen.
Bevor er geht meint er aber noch, das einzige Gute daran wäre gewesen dass er viel Zeit zum Nachdenken gehabt hätte und nun davon überzeugt sei, wir müßten noch einmal der Spur des von Brenell gestohlenen Babys nachgehen. Der letzte Hinweis auf dessen Verbleib war von dem Zauberfresser in Ipkunis gekommen: Kront.

Sogleich begebe ich mich zu den Sinnsaten und stelle Nachforschungen über dieses Kront an. Ich finde heraus, dass es sich dabei um ein Gebiet auf der Ebene Ysgard handelt, eisige Sümpfe, in denen kein Mensch ernsthaft leben will.
Deshalb leben dort auch keine Menschen, sondern die Drachenartigen. Von ihren menschlichen Vorfahren als Bastarde abgelehnt, von ihren drachischen Ahnen als schwach ausgestoßen, haben sie sich dort zusammengetan und leben, fast wie wir im Dorf früher, friedlich zusammen: chromatische und metallische Drachen, Halbdrachen, eben alle. Das gefällt mir.

Ich stoße außerdem auf eine viele hundert Jahre alte Aufzeichnung eines Sinnsaten, ein Art Vers:



Es kam die Schar der Verzweifelten Hundert,
bis zum Großen Auge des Tages.
Einauge, der sie führte, verging
als Letzter in Feuer, Chaos und Waffengeklirr.
Aus Tag wurde Nacht.
Und so herrscht er in Quesre als Ewiger Wahrer
und Hüter des zerfallenen hellblauen Auges.
Hab acht, es mag blinzeln!


Schon wieder kryptische Rätsel. Nun, ich habe Zeit.
Über Quesre finde ich heraus, dass es das stabile Gebiet zwischen Tamra, Man's End und Ipkunis ist. Also vermutlich das ehemals stabile Gebiet, denn Ipkunis fehlt ja nun in der Triangel. Und wer weiß, was aus Tamra geworden ist.

Ich erzähle den anderen von meinen Entdeckungen und langsam verfestigt sich der Plan, nach Kront zu reisen. Auf Ysgard war ich auch noch nie! Vielleicht lockt das auch Furgas wieder von seinem Holzscheit runter. Er und Arthur haben in den letzten Tagen viel Zeit zusammen verbracht. Hoffentlich bewahrt ihn das demnächst vor seinem rachsüchtigen Hammer.


Doch bevor wir die Reise nach Kront antreten können erhalte ich eine Einladung in die Festhalle, im Bezirk der Dame! Die Sinnsaten richten dort eine rauschende Ballnacht aus, alle wichtigen Persönlichkeiten Sigils werden anwesend sein, Musik und Tanz, Köstlichkeiten von allen Ebenen! Eine solche Einladung ist eine der höchsten Ehren, die einem Sinnsaten zuteil werden kann, vor allem wenn man noch gar nicht so lange im Bund ist wie ich.
Aufgeregt mache ich mich auf den Weg zu einem guten Schneider. Der Elf ist zwar ziemlich schnöselig, nimmt Maß und wedelt mich dann hinaus, aber macht einen fachkundigen Eindruck. Die Kleider in seiner Ausstellung sind wahrhaft gigantisch: Samtweiche Stoffe, herrliche Farben, einfach ein Traum.
Gerade mal vier Stunden später liefert ein Bote ein großes Paket bei Arthurs Haus ab. Mein Kleid! Ein bombastisches Gebilde aus rot und gold, komplett mit Reifröcken, Korsett, Haken und Ösen. Da komme ich nie rein, geschweige denn ohne Waffengewalt wieder raus.

Aber Arthurs Hausmädchen scheinen sich mit solchen Dingen auszukennen und führen mich in ein Ankleidezimmer. Die folgende Prozedur ist fast so schlimm wie der Kampf um Ipkunis im Abyss. Nicht nur, dass mir dieses Korsett das Leben aus dem Leib zu pressen scheint wie den Saft aus einem zerpquetschten Apfel, es macht den beiden Damen wirklich Spaß, mich mit meinem eigenen Kleid zu foltern.
Doch damit nicht genug: in meinem Rücken schnattern die beiden sorglosen Plappermäuler ganz ungeniert über die körperlichen Vorzüge von Paladinen. Ganz besonders die muskulöse Brust von dem süßen Neuen, den sie heute in der Badewanne massiert haben. Da müßte man doch heute Nacht mal vorbeischauen, albernes Gekicher.
Hätte mich nicht dieses vermaledeite Korsett daran gehindert, wäre ich explodiert. So ist mir nur der Kragen geplatzt und ich verbat mir jeden weiteren Kommentar.
Buße tun. Spitzer Holzscheit. Soso.

Doch lange kann das kindische Geschwätz der beiden meine Laune nicht trüben: als ich im Spiegel das Ergebnis bewundern kann, ist jegliches Unbill vergessen. Einfach himmlisch. Ungewohnt, aber entzückend. Auch Furgas staunt nicht schlecht, als ich die Treppe hinunterschreite.
Draußen erwartet mich bereits eine Kutsche, und siehe da - Ig'nea hat ebenfalls beschlossen, auf den Ball zu gehen. In MEINEM Kleid! Sowas. Sie hätte etwas mehr Anstand und Fantasie besitzen können. Und außerdem, woher will sie die Einladung nehmen? Doch all das kümmert sie wohl nicht, also braust der Achtspänner schließlich mit zwei Balldamen davon.

Nach eineinhalb holprig rasanten Fahrtstunden kommen wir endlich an der Halle der Sinnsaten an und laufen von dort aus das kurze Stück zur Festhalle. Eine lange, bunte Schlange wartet dort schon auf Einlaß. Ein Ogermagus mit Monokel und schwarzem Samtanzug kontrolliert die Gäste, und ein Knochenteufel zerfällt vor meinen Augen zu Staub! Gefälschte Einladung.
Ich werfe schnell einen Blick zu Ig'nea. Doch sie ist zuversichtlich, wenn ich sie nicht auf meine Karte mit hineinnehmen kann, wird sie sich jemanden suchen. Nun bin ich erleichtert, denn bei psionischen Tricks und Fälschungen versteht man hier offenbar keinen Spaß.

Wie befürchtet gilt meine Einladung nur für mich, doch der Oger scheint irgendwie Verständnis für Ig'nea zu haben und läßt sie etwas abseits der Schlange warten. Wie ich sie kenne, findet sie sicher jemanden, der noch eine hübsche junge Begleitung sucht.
Also betrete ich vorerst allein die Festhalle. Was für eine Stimmung! Kronleuchter werfen ihr tausendfach gebrochenes Licht auf einen riesigen Saal, edle Musik schwingt federleicht durch die Luft wie die tanzenden Paare auf der Tanzfläche. Rundherum stehen die schillerndsten Persönlichkeiten in großen und kleinen Grüppchen, plaudern und lachen oder gehen wohl auch ernsthafteren Themen nach. Gerade dann sind auch Leibwächter anwesend, wenn auch sehr diskret.

Doch für Politik interessiere ich mich heute Abend nicht. Nach einem kleinen Abstecher zum reichhaltigen Buffet stürze ich mich ins Getümmel der Tanzfläche. Die meisten der Gruppentänze kenne ich zum Glück mittlerweile, sogar der Tanz aus dem Dörfchen in Lunja ist darunter.
Zwischendurch sehe ich immer wieder mal Ig'nea, einen reichen Schönling am Arm. Sie schafft es doch immer wieder, muß ich lächelnd bei mir denken.
Kurze Zeit später habe ich das Gefühl, dass mich die Leute hin und wieder merkwürdig ansehen, doch ich kann mir keinen Reim darauf machen. Bis mir ein Freund von den Sinnsaten verrät, dass eine junge Frau, die genau dasselbe Kleid trägt wie ich, von einem völlig ungenierten Dandy auf dem Büffet vernascht worden wäre. Ig'nea!! Irgendwann drehe ich ihr doch noch den Hals um!


Am nächsten Tag bin ich zwar rechtschaffen müde, habe aber eine herrlich beschwingte Nacht hinter mir. Das scheint nicht bei allen der Fall gewesen zu sein, denn Goin berichtet mir etwas von nächtlichen Besuchen der beiden Hausmädchen bei Furgas, doch der beteuert mir sofort auf Knien, er habe sie davongejagt. Ein wenig macht es sogar Spaß, ihn zappeln zu lassen, aber natürlich glaube ich ihm. Nach der Sache mit Ig'nea würde er mich bestimmt nicht mehr anlügen. Er kann noch immer so süß sein.

Länger läßt sich die Reise nach Kront nicht aufschieben, also beginnen wir mit den Reisevorbereitungen. Ein Portal dorthin zu finden gestaltet sich als unmöglich, wir müssen mit einem allgemeinen Weg nach Ysgard vorlieb nehmen. Es befindet sich am äußersten Rand Sigils, und praktischer Weise ist ganz in der Nähe ein Laden, in dem wir unsere Ausrüstung ein wenig an die kalten Verhältnisse dort anpassen können. Der Inhaber ist ein Knochenteufel, ich kann mir nicht helfen, ich mag die kleinen Biester einfach nicht; immer sehe ich das Bild des armen Dieners in Ordos Haus vor mir. Ganz zu schweigen von den quälenden Minuten im Eisblock.

Daher überlasse ich es den anderen, mit ihm zu verhandeln und mache meinen Besorgungen lieber anderswo.
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Freitag, Juni 01, 2007

Unauffindbar - oder nicht?

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Arthur verschluckt sich beinahe an seinem trockenen Brotkanten, als Furgas mir den Antrag macht. Auch die anderen sind nicht um Kommentare verlegen, Elidan scheint das ganze für eine weitere Kinderei zu halten und drängt darauf, sich endlich wichtigen Dingen zuzuwenden, wie nach Ipkunis zurückkehren und das Ritual durchführen.
Sind heute morgen denn alle verrückt geworden?

Ig’nea würde lieber nochmal den Mönchen nachspüren, diesmal aber nicht wieder davonlaufen wenn sich die Möglichkeit eines Kampfes ergibt. Das Ritual könnte dabei nur stören. Als ich sie höflich darauf aufmerksam mache, dass sie in diesem Fall für immer von den Mönchen „geläutert“ werden könne, wenn die sie in die Finger bekommen, fährt sie mich an was ich denn davon verstünde, wer wäre ich denn überhaupt und dass ich mir doch nichts auf Furgas’ Antrag einbilden solle; an ihre Künste würde ich sowieso nie heranreichen.
Ist das Feuerteufelchen etwa eifersüchtig? Bloß weil sie keiner heiraten würde, muß sie mich nicht gleich so ankeifen, ich kann schließlich nichts dafür dass Männer sie nur für das eine nehmen.
Das war wohl keine so gute Antwort; sie läßt es sich nicht nehmen, mir haarklein unter die Nase zu reiben, wie sie Furgas zum Fliegen gebracht hat. Aber im Grunde hatte ich es ja schon geahnt. Nur hätte ich es ihm nicht zugetraut, nicht nach seiner Wandlung.

Geknickt und immer noch ein wenig wütend verlasse ich mit den anderen Ig’nea und Goin, die noch Geschäfte hier in Sigil zu erledigen haben und uns erst in drei Tagen nach Ipkunis folgen wollen.


Ipkunis bietet einen imposanten Anblick. Die Stadt ist gewachsen, seit wir sie zum letzten Mal sahen, der weiße Turm mit etwa hundertfünfzig Schritt leuchtet uns schon von weitem entgegen. Unsere Ankunft wird von der Bevölkerung mit großer Freude gefeiert, man bereitet uns einen wirklich heldenhaften Empfang! Die Stadt hat sich wirklich zu ihrem Vorteil entwickelt. Auch die umliegenden Dörfer profitieren von Ipkunis und gedeihen.

Elidan beschließt, als erster das Ritual durchzuführen und verschwindet mit Luzija in der Akademie der Magier. Wir anderen nutzen ihre Abwesenheit, um nach unseren eigenen Projekten zu schauen.
Der Park erfreut sich bei der Bevölkerung besonderer Beliebtheit, er nimmt einen Großteil der Stadtfläche ein und Teile von ihm sind mittlerweile ebenso wanderfreudig wie manche Straßen hier. Endlich wieder grüne Wiesen, Bäume und ein blauer Himmel! Erst jetzt merke ich, wie sehr mir das im staubigen, gelblich-kranken Dunst von Sigil doch fehlt - fast so sehr, wie mein treuer Adler, der wieder zu mir zurückgefunden hat, kaum dass wir das Portal durchschritten hatten.

Furgas weicht kaum mehr von meiner Seite. Kein Wort des Geständnisses über die Sache mit Ig’nea, als wäre nie etwas gewesen. Was soll ich bloß tun?
Vorerst stürze ich mich in Arbeit. Wir begeben uns zu dem weißen Turm. Er hat nun eine etwas ausgefeiltere Form, mit einer vierstöckigen Fensterreihe im oberen Bereich und sogar einer angedeuteten Tür am Fuße! Als wir klopfen, öffnet uns ein alter Bekannter: Rinpi.

Der kleine Zauberer bittet uns hinein und schwups, werden wir durch etwas nach oben gesaugt zu den Fensterreihen. Er erklärt uns, dass er in unserer Abwesenheit auf den Turm aufgepaßt und außer ein paar Trennwänden auch keine Veränderungen vorgenommen hätte. Dieses Gebäude sei metaphysisch, nur ein Symbol, für den Zustand der Stadt. Ihre Seele. Früher war es ein Kubus, dann hat sich die Stadt verändert und daher hat sich der Turm angepaßt - und wurde zu diesem Gebilde.

Auch die Maschine ist noch da, in der Spitze des Turms. Sie erhalte gutes Futter, hauptsächlich von Sam. Schlagartig erinnere ich mich an Jarvis’ Warnung, Sam wäre vielleicht nicht der selbstlose Freund und Retter, für den wir ihn hielten. Rinpi bestätigt meinen Verdacht: die Energie stammt nicht von magischen Gegenständen, sondern von Menschen, einer moralisch äußerst verwerflichen Art von „Futter“.

Von Goin erfahren wir, dass sich die Diebesgilde unter Sam tatsächlich umstrukturiert hat: sie verdingen sich nun hauptsächlich als Meuchler, wenn auch eher außerhalb der Stadt, was es in Ipkunis’ Mauern relativ friedlich sein läßt. Bis zum Sultanat seien sie bereits vorgedrungen, auch wenn sie es dort noch schwer haben. Ebenso im Kaiserreich, denn dort geht man mit Konkurrenz wenig zimperlich um. Ich traue diesem Sam immer weniger.


Dann bin ich an der Reihe, das Ritual durchzuführen. Mit einem vorfreudigen Lächeln führt mich Luzija in diese schreckliche Folterkammer hinunter. Elidans Blut klebt noch frisch an der Holzbank, den Wänden und überhaupt überall. Ich muß völlig verrückt sein.

Sie schnallt mich fest und meint, es würde zwar eine Weile dauern und ein bißchen weh tun, na gut, sehr weh tun, aber danach würde ich mich viel besser fühlen. Das diabolische Glimmen in ihren Augen läßt mich zweifeln, doch nun gibt es kein Zurück mehr. Seelenruhig schlägt sie das Ritualbuch auf, stellt die Frauenstatue darauf und geht fröhlich summend ihr Sortiment an Folterwerkzeugen durch, bis sie das passende gefunden zu haben scheint. Dreht es prüfend in der Hand, sucht eine Stelle unter meinem Brustkorb, lächelt mich an - und treibt die Klinge in mein Fleisch...


Die Schmerzen sind unerträglich. Zwei Tage lang quält mich Luzija auf jede erdenkliche, kranke Weise. Zwei Tage lang pendele ich zwischen Sterben und Leiden. Zwei Tage lang versucht sich mein Körper gegen die wahnsinnigen Schmerzen zu wehren.

Am dritten Tage gibt er auf.

Es ist, als ob auf einmal ein Schalter in meinem Kopf umgelegt wurde. Der Verstand schaltet sich einfach ab. Ich empfinde die Schmerzen als schön. Ist das die einzige Möglichkeit, wie mein Körper damit umgehen kann, ohne verrückt werden? Oder ist das bereits Wahnsinn?

Ich fühle mich plötzlich Luzija stärker verbunden als je zuvor. Selbst dass sie vor -- meinem Auge -- das andere verspeist hat, kann ich ihr einfach verzeihen. Eine solche Art der Nähe habe ich noch nie empfunden, als ob sie mein Zwilling wäre, ein Teil von mir selbst. Ich bewundere ihre Arbeit an meinem Fleisch, jeder Schnitt Präzision, voller Hingabe. Sie führt mich näher an den Rand, immer näher. Ich kann die Kälte schon spüren, eine unbarmherzige und gleichgültige Kälte, ganz anders als damals im Eisblock. Kann hinabsehen in die dunkle, unendliche Schwärze des Abgrunds...

Im letzten Moment reißt mich Luzija zurück.
Doch einem Teil von mir fällt es schwer, sich von den Torturen des Rituals zu lösen. Luzijas Arbeit ist getan, sie bindet mich los und übergibt mich in Furgas’ Pflege, aber ich bin rastlos. Etwas verfolgt mich, aus dem Abgrund heraus...

In der Nacht träume ich von schattenhaften Gestalten, seltsam vertraut, die mich locken. Sie bringen mich zu einem Fremden, doch ich weiß, dass es ein Psioniker ist. Er beschwört Bilder herauf, eine tanzende und singende Gestalt, einen vermummter Kämpfer mit einem Totenschädel auf der Brust. Als er seine Kapuze wegzieht sehe ich, dass sein Kopf auch beinahe wie ein Schädel aussieht, dünne Haut spannt sich über den Knochen. Er beschützt die beiden anderen.

Eine Woche vergeht. Elidan hat sich mittlerweile vom Ritual erholt und unterstützt die anderen bei dem Vorhaben, eine erste Handelskarawane nach Sigil zu entsenden. Doch meine Genesung geht nur schleppend voran.
Liegt es an diesem Ort? Oder werde ich tatsächlich beobachtet? Furgas meint, ich wäre paranoid, eine Folge des Rituals. Vielleicht hat er recht; aber nur, weil ich paranoid bin heißt das doch nicht, dass mich nicht vielleicht tatsächlich jemand verfolgt? Womöglich ist er es ja, der meine Genesung verzögert. Etwas stimmt nicht.

Am nächsten Abend als Furgas gerade eingeschlafen ist, öffne ich ein Fenster, es ist so stickig hier. Da flattert plötzlich hinter mir einen Zettel auf dem Boden. Es ist eine Einladung für mich zur Erholung nach Man’s End! Wo kommt der auf einmal her? Hatte Furgas etwa versucht, ihn vor mir zu verstecken? Fieberhaft versuche ich mich zu erinnern. Man’s End. Die gerechte Lady Esalis, die alten Helden die sich dort von ihren großen Taten erholen, heiße Quellen, Heilbäder - das ist es! Dort werde ich sicher sein.
Ohne zu zögern schwinge ich mich aus dem Fenster und lasse Ipkunis hinter mir, die Stadt in der ich mich ständig verfolgt fühle.


Sechzehn Tage später kehre ich nach Ipkunis zurück.
Ein wenig peinlich ist mir mein Verhalten schon, und die anderen bestürmen mich mit Fragen, allen voran natürlich Furgas. Ich kann es mir nicht anders erklären als dass mein Körper die Foltern des Rituals von uns allen am schlechtesten verkraftet hat und er sich mit dieser verrückten Paranoia wohl vor weiterem Schaden schützen wollte.

Wenigstens bin ich nun wieder vollständig hergestellt und Herrin meiner Sinne, jedenfalls glaube ich es. Man’s End ist tatsächlich ein hervorragender Kurort, den werde ich mir merken. Nur die abendlichen Lagerfeuergeschichten der Althelden werden irgendwann langweilig.


Die anderen berichten, was in der Zwischenzeit alles geschehen ist:

Goins Handelskarawane ist bald bereit, nach Sigil aufzubrechen und wenn es soweit ist, werden wir sie als Schutztrupp begleiten.

Luzija hat Zwergenspione zum alten Baumportal entsandt, damit in Zukunft auch wir erfahren, wenn Freunde aus dem Dorf hier ankommen.

Elidan hat sich nach seiner Regeneration in Forschungen vergraben, was es mit unserem kleinen Teleportationsproblem auf sich hat und wurde seitdem nur selten im Tageslicht erblickt
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Furgas hat mit freundlicher Unterstützung vom Berg Celest einen beachtlichen Torm Tempel bauen lassen. Allein die Ankunft der 50 Mann starken Prozession mit Bannern und Fanfaren, angeführt von einem gewaltigen Solar, muß ein Spektakel gewesen sein das ich sehr bedaure verpaßt zu haben.

Am Tempel versäumt er es nicht, seinen Heiratsantrag zu erneuern. Sei kein Feigling, jetzt oder nie, denke ich mir und spreche ihn ehrlich auf die Sache mit Ig’nea an, wie sie mir an den Kopf geworfen hat was in der Nacht im Wald passiert ist, und dass seitdem mein Vertrauen in ihn gebrochen ist.
Ich glaube, er ist ehrlich zerknirscht über seinen Moment der Schwäche, er gesteht es und schwört mir bei Torms Namen, einen solchen Treueeid nie zu brechen. Ich weiß zwar, wieviel Torm ihm bedeutet, aber ich bin keine seiner Gläubigen. Doch die Geste berührt mich. So viele gemeinsame Jahre lassen sich nicht einfach wegwischen. Schließich verspricht mir Furgas, mich nicht mit Schwüren zu bedrängen sondern mir durch Taten seine Loyalität zu beweisen.

Von nun an empfangen mich regelmäßig die schönsten Wildblumen. Also ist doch noch etwas von dem süßen Furgas unter dem harten Panzer verblieben.


Der Tag des Aufbruchs ist gekommen. Eine lange Wagenkolonne, beladen mit Gütern die Goin für Vielversprechend hält, rumpelt nach Sigil. Wir vereinbaren, dass immer zwei bei den Wagen auf dem Markt bleiben, die anderen können frei über ihre Zeit verfügen.

Und das tun wir auch:

Während Ig’nea ausgiebig die Läden Sigils unsicher macht, nutzt Elidan die vielfältigen Möglichkeiten der Stadt, um seine Forschungen zu beenden. Stolz erklärt er uns, das Geheimnis enträtselt zu haben: Jemand läßt uns Umwege auf der Astralebene machen, deshalb brauchen wir dort so lange. Er kann dies, weil er unsere Signatur manipuliert - genau erschließt sich mir das zwar nicht, aber ich verstehe diesen Teil: er kann den Effekt umgehen. Sehr schön, damit stehen uns die Ebenen offen! Ich bin so gespannt, was wir alles sehen werden.

Luzija und Furgas haben sich erneut daran gemacht, über Brenell und die Geschichte von Orth nachzuforschen. In dem halben Jahr, in dem wir die Karawane betreuten, pflastern schließlich zwanzig Gelehrte und Informanten ihren Weg, doch sie können etwas Licht ins Dunkel bringen:

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Brenell Rean’oks Ursprünge liegen im Dunkeln, die ersten Aufzeichnungen reichen etwa sieben bis achttausend Jahre zurück. Das würde zu Yachinx’ Erzählung von Orth passen. Es heißt, er sei in der Hierarchie ganz weit oben und mache Verträge für die Dunklen Acht, die maßgeblich den Blutkrieg steuern und für die höllischen Angelegenheiten außerhalb Baators zuständig sind. Also auch zum Beispiel für einen verliebten Drow, der auf Athas um Hilfe bittet. Brenell hat angeblich einst einen Vertrag direkt mit den Acht gemacht, in dem es um irgendeine Materierwelt ging, wo dann eine Stadt komplett verschwand, doch Orth sei es nicht. Nun ja, es könnte sich dabei ja auch um die Feinde von Orth handeln, die als erstes vernichtet wurden.
Die beiden stoßen auch auf ein Testament, das offensichtlich von Draka aufgezeichnet wurde! Draka berichtet darin, dass sie zum Mausoleum des Chronepsis gehen würde (schon wieder dieser Drache mit dem Zeitbezug), danach erweiterte sie es und teilte mit, dass sie auf dem Berg Celest zu Bahamut gehen wolle - dem Gott der goldenen Drachen. Na sie hat sich ja Ziele gesetzt.
<<

Ich verbringe das halbe Jahr sozusagen zwischen den Welten. Wenn ich in Sigil bin, bewache ich entweder die Karawane oder treibe mich bei den Sinnsaten herum. Ihre Feiern sind legendär, und so ziemlich täglich. Auf einem meiner Streifzüge durch die Stadt stolpere ich über einen zerlumpten Händler, der putzige kleine Haustiere verkauft. Er nennt sie Limlim, für zwanzig Kupfer kann ich eins haben. Als ein besonders neugieriges Exemplar an mir hochhüpft und mich mit einem fröhlichen *piyo* anzirpt, schmelze ich dahin und kann nicht widerstehen.

Den Großteil meiner Zeit verbringe ich jedoch in Arborea. Der kleine Limlim ist begeistert von so viel Grün und Natur, er macht meterhohe Freudensprünge und mehr als einmal muß ich ihn dann aus den unteren Zweigen der Bäume pflücken. Zum Glück ist mein Adler nicht eifersüchtig auf den neuen Familienzuwachs.

Nach zwei Monaten stoßen wir bei einem Ausflug auf eine Herde wunderschöner Pferde. Ihr Fell schimmert strahlend weiß, und irgendwie habe ich das Gefühl, dass diese Tiere etwas ganz besonderes sind. Wild und frei, und doch kümmern sie sich um einander. Wie unsere kleine Gruppe.
Ich beobachte sie von nun an jedem Tag, den ich in Arborea bin. Als ich auf einer Party in Sigil einem anderen Sinnsaten von diesen Pferden erzähle berichtet er mir aufgeregt, dass es sich bei diesen prachtvollen Tieren um Ur’eponas handeln muß. Es heißt, sie seien die Nachfahren der Pferdegöttin Epona und hätten von ihr eine besondere Macht geerbt: nur durch ihren Willen könnten sie von Ebene zu Ebene springen, was sie zu begehrten Reittieren für Reisende macht.

Die nächsten Wochen folge ich der Herde auf Schritt und Tritt, beobachte ihr Verhalten und ihre Vorlieben. Nach und nach kann ich mich einem von ihnen nähern, und mit viel Geduld und Bestechungen in Form von Leckereien aller Ebenen gelingt es mir tatsächlich, es zu zähmen. Nur das mit dem kontrollierten Ebenenspringen müssen wir noch ein bißchen üben. Ich lasse einen Stall in der Nähe des Portals errichten, falls ich mal kurzfristig fort muß und meine Gefährten nicht mitnehmen kann.


Als ich schließlich nach Sigil zurückkehre, sind Goins Waren so gut wie verkauft und wir machen uns Gedanken, wie es nun weitergeht. Furgas schlägt vor, noch einmal den Fusler im Stock zu befragen, nur für den Fall dass er den Sinnesstein noch vollständig angesehenhat.

Erneut begeben wir uns also ins Herz des Stocks. Noch immer ist der bemitleidenswerte Krüppel in der Straße vor der Schwarzen Pranke, wie beim letzten Besuch kümmern wir uns um ihn so gut es geht.
Vor der Pranke hockt ein Cornugon auf einer stinkenden, zerquetschten Frauenleiche und winkt uns zu. Widerliches, heimtückisches Biest. Es nennt sich Dr. Akusa, sei ein Arzt mit zigtausend Jahren Erfahrung im Blutkrieg, sollten wir mal Bedarf haben würde er uns günstig und gut zusammenflicken können. Erinnerungen an die grausigen Foltern des Rituals steigen in mir auf und ich bekomme eine Gänsehaut.

Luzija beginnt einen angeregten Plausch über den Blutkrieg mit dem Vieh, wir anderen wenden uns ab und der Absteige zu. Wenigstens läßt Furgas diesmal die Tür intakt. Im Zimmer des Fuslers angekommen finden wir jedoch nur eine siechende Frau vor, deren Leiden wir zwar erfolgreich heilen können, aber über den Verbleib des Vormieters weiß sie nichts.

Also unterzieht Furgas die alte Vettel einer Befragung. Manchmal frage ich mich ernsthaft, ob dieser Torm wirklich eine gute Gottheit ist oder nur ein sadistischer Teufel in guter Tarnung. Als Furgas der armen Alten, die immer wieder beteuert sie wisse nichts über den Fusler, beide Arme bricht, reißt mir endgültig der Geduldsfaden und ich gehe dazwischen. Solche Herzlosigkeit hätte ich nicht von ihm erwartet und bin ich nicht bereit zu tolerieren. Beleidigt stapft er Richtung Ausgang und murmelt irgendwas von mangelndem Verständnis für die Inquisition, da meint Ig’nea mit glasigem Blick plötzlich, dass die Vettel tatsächlich etwas vor uns verberge.

Auf dem Fuße macht unser Paladin kehrt und ich unterdrücke ein Seufzen, gerade habe ich die Alte geheilt und jetzt geht es von vorn los, doch da kommen mir Goin und Ig’nea zu Hilfe - diesmal sollen wir es auf ihre Weise versuchen.

Während sie die störrische Vettel mit zuckersüßen Liedchen, geistigen Einflüsterungen und der Verlockung einiger Platinmünzen umgarnen, behalte ich die Pranke im Auge. Luzija und der Cornugon sind verschwunden, was mich ein wenig beunruhigt, doch noch viel mehr beunruhigt mich eine Gruppe mehrerer Scheusale, die sich dort scheinbar formiert.

Als sie ihre Waffen ziehen, rufe ich den anderen eine Warnung zu, was immer sie tun, sie sollten es besser schnell tun, denn wir bekommen gleich mächtig Ärger. Furgas ist sofort an meiner Seite, den Hammer in der Hand.
Doch plötzlich stellt sich eine verhüllte Gestalt mit dem Rücken zu uns in den Türrahmen. Draußen wird es still, und wenige Sekunden später verschwindet die Figur wieder - die Scheusale haben ihre Waffen weggesteckt und sind dabei, sich in die Pranke zurückzuziehen. Wie merkwürdig. Ob die Alte einen Hausmeister hat?

Zufrieden kommt Ig’nea zu uns und berichtet, dass sie nun wisse wo der Fusler steckt: unser Angriff hatte ihn doch schwerer verletzt als wir vermutet hatten, er hatte seiner Arbeit nicht mehr nachgehen können und das Zimmer räumen müssen. Nun sieche er mit all den anderen Glücklosen auf der Müllhalde dahin. Sofort meldet sich mein schlechtes Gewissen; der Höllenhund Zerstörung ist wieder da. Vielleicht hatte der Hundefürst ja Recht und wir verdienen es, ausgelöscht zu werden - wo wir hingehen hinterlassen wir verbrannte Erde und gezeichnetes Leben. Aber vielleicht ist es ja noch nicht zu spät und wir können dem armen Schlucker noch helfen!

Die Alte ist jedenfalls froh, uns endlich los zu sein. In dieser Gegend kann es einen schnell den Kopf kosten wenn man dabei gesehen wird, wie man mit den falschen Leuten plaudert.


Draußen läuft uns Luzija direkt in die Arme. Sie sieht gar nicht gut aus, hat ein häßliches Loch im Bauch. Sieht unnormal aus, irgendwie tödlich - da rafft es sie auch schon dahin. Dr. Akusa kommt angerannt, schnappt Luzija und rennt in einem ungeheuren Tempo davon. Wir eilen hinterher und folgen ihm in seine "Praxis"; die Folterkammer in Ipkunis ist ein Dreck dagegen.

Auch die nun folgende "Behandlung" ist so widerwärtig, dass die meisten von uns, grün im Gesicht, früher oder später dieses Schlachthaus verlassen. In unglaublicher Geschwindigkeit schlitzt Akusa Luzijas Adern auf, allesamt, und läßt sie wie ein Schinken am Haken ausbluten. Dann nimmt er ihre Innereien auseinander, wirft alles in einen stinkenden Pott mit - ich weiß nicht genau was und will es auch nicht wissen, doch wider jede Logik schlägt die Todgeweihte am Ende der schaurigen Prozedur die Augen wieder auf.
Dankbar für die Hilfe bezahlen wir Akusa und er verrät uns noch, dass es sich bei der Waffe um eine Namensklinge gehandelt hat: wenn man den Namen der Person kennt, tötet sie sie sofort. Was für eine mächtige Waffe! Luzija erzählt uns, dass ihr unterwegs eine vermummte Gestalt begegnet ist, der Beschreibung nach dieselbe, die uns im Haus der Vettel zu Hilfe kam. Sie war neugierig und wollte sehen, wer sich unter der Kapuze verbirgt, also rempelte sie sie an. Sie sah kurz einen hübschen, schwarzhaarigen Mann, doch dann lenkte sie die Klinge in ihrem Bauch ab.
Wenigstens ist sie gerade noch mal so mit heiler Haut davon gekommen.


Nach dieser aufreibenden Unterbrechung machen wir uns auf den Weg zur Müllhalde. Weit ist es nicht, und wir gehen buchstäblich nur der Nase nach. Die Luft ist schwül und stickig, der Gestank fast körperlich fühlbar und betäubend. Hin und wieder sehen wir abgerissene Gestalten am Rand der Dunkelheit, die uns mit hungrigen Augen anstieren. Bis auf das sonore Brummen und das Quieken der Ratten ist es beunruhigend still hier.

Ein Schlucker rempelt Ig’nea an, offensichtlich provokativ denn sie hatte uns gerade gewarnt, gut auf unsere Habseligkeiten aufzupassen und auf Diebe zu achten. Bedrohlich fuchtelt sie mit feurigen Händen vor ihm herum, läßt ihn aber ansonsten in Frieden.
Das ist wohl auch die bessere Taktik hier unten, denn kurz darauf kommt Elidan mit einem anderen armen Tropf ins Gespräch. Für ein wenig Essen für sich und fünf seiner Freunde ist er bereit, uns Auskunft zu geben - für Elidan und seinen heißen Draht zum göttlichen Manna kein Problem, und siehe da: der unglückselige Mieter ist auch unter ihnen! Er sieht wirklich schlecht aus, offenbar hat er innere Verletzungen.
Wir überhäufen ihn mit Heilung, entfernen Krankheit und Läuse gleich mit, dann machen sie sich über das Essen her, neidisch beäugt von einem guten Dutzend anderer Bettler. Hier unten könnte man sich als Mildtäter einige Punkte im Himmel verdienen.

Viel Neues kann er uns nicht erzählen, noch dazu ist er trotz aller Wohltaten nicht sonderlich gesprächig oder ehrlich. Er bestätigt, den Sinnesstein beim Aufräumen im Staub gefunden zu haben und wollte ihn dann an die Sinnsaten verkaufen, doch man hätte ihm gesagt, er sei beim Brand beschädigt worden und nichts wert. Angeschaut habe er ihn auch nicht. Wir wissen zwar, dass das gelogen ist, doch es macht keinen Unterschied - wie befürchtet war die Erinnerung schon damals nicht mehr vollständig, er kann uns also nichts darüber sagen.


Kurze Zeit später ist Goins Handelskarawane wieder auf dem Rückweg nach Ipkunis. Stolz zählt er uns die Gewinne vor, immerhin ein gutes Drittel mehr als wir ausgegeben haben. Ig’nea erhält Neuigkeiten über die Mönche: offenbar waren sie vor einer Woche bei Fell! Und wir haben nichts davon mitbekommen, so ein Mist. Sind etwa neue Dörfler gekommen und sie haben sich ihre Gesichter eintätowieren lassen? Fell schweigt natürlich, wie schon bei uns zuvor.
Sofort will Luzija ihre beiden Spione befragen, doch es zeigt sich, dass beide bei der Verfolgung der Mönche umgekommen sind. Also waren sie auch wieder in den Beastlands!

Wir beschließen, erneut die Spur der Mönche aufzunehmen und sie diesmal nicht davonkommen zu lassen, ganz nach Ig’neas Geschmack. Schnell sind unsere sieben Sachen gepackt, meine Tiergefährten abgeholt und dann shiftet uns Elidan in die Beastlands. Es fehlt wohl noch ein wenig an Übung, denn wir verfehlen Irkbaz um rund 300 Meilen. Also heißt es zu Fuß oder Flügel weiter, aber so haben wir auch noch etwas Zeit, uns eine Strategie zu überlegen und ich kann wieder viel Zeit mit meinen Tieren verbringen.

Da wir mittlerweile ein paar Reisetricks kennen, langen wir schon nach zwei Tagen am äußersten Rand von Irkbaz an und zwei Wochen später stehen wir am Goldenen Tempel. Ig’nea untersucht den Tempel nochmals, und zusätzlich zu dem Kampf zwischen Brenell und Aldreds Mannen sieht sie, dass Brenell später noch einmal hier war - mit dem Baby, und offenbar sehr zufrieden mit sich und der Welt.
Gemeinsam stemmen wir das große Portal auf. Drinnen empfängt uns muffige Luft, der Tempel ist leer bis auf einen goldenen, mit Bärenmotiven verzierten Altar. Ig’nea erspürt, dass Brenell das Kind auf den Altar legte und anschließend einen Zauber sprach. Licht umhüllte daraufhin das Kind und es empfand abwechselnd Freude, dann Angst. Schließlich nimmt Brenell das Kind wieder an sich und geht davon.
Als sie Elidan den Zauber beschreibt, denkt er kurz nach und vermutet dann, dass es sich dabei wohl um eine Planare Bindung gehandelt hat. Was bezweckt Brenell bloß damit? Oder handelt er nicht für sich sondern im Namen anderer?

Luzija deutet auf einmal zu Goin und beginnt zu lachen. Er hat Wolfsaugen bekommen, und sein Bart wird ganz grau. Er verhält sich aber noch so wie wir ihn kennen. Erst mache ich mir Sorgen, ob ihn vielleicht ein Wertier gebissen haben könnte, doch scheint gerade weder der Mond noch stimmen die Anzeichen. Nach kurzer Überlegung komme ich zu dem Schluß, dass es wohl eine Auswirkung der Beastlands sein muß, die uns Kinder des Dorfes offensichtlich verschont, nicht aber einen Materier wie Goin. Die tierischen Züge, die einem innewohnen, werden hier verstärkt und nach außen getragen.

Da uns der Tempel nicht weiterbringt, suchen wir die Umgebung der Leuchttürme nach Spuren ab. Und tatsächlich: die Räder des schweren Gefängniswagens haben tiefe Furchen in den trockenen Boden gegraben. Wir folgen ihnen ohne Mühe, bis sie in einem großen Torbogen einer verfallenen Ruine abrupt enden. Wir haben das Portal gefunden.


Als wir es durchschreiten, finden wir uns im wohlbekannten gelben Gras der Außenländer wieder. Hier muß mein Limlim ganz schön hoch springen, um eine Chance auf Aussicht zu bekommen.

Nach zwei Stunden kommen wir an einem Affenbrotbaum vorbei. Seinen überreifen Früchte verbreiten einen süßlichen Duft, denen der Kleine nicht widerstehen kann. Wir rasten kurz, eine der Früchte fällt auf meine Schulter und zerplatzt dort mit einem satten Schmatzen. Pfui Spinne.
Plötzlich bewegt sich durch das hohe Gras etwas auf uns zu! Es sind drei Käfer, Feuerkäfer glaube ich, ihre mächtigen Kiefer zucken gefährlich und als sie uns bei den Früchten bemerken, beginnt ein Teil ihres Körpers merkwürdig zu Glühen und sie gehen auf uns los. Ich steige auf, einer tut es mir gleich, ist jedoch viel zu schwerfällig um eine ernsthafte Bedrohung darzustellen. Langsam finde ich diese Kreaturen interessant. Ich pflücke im Vorbeiflug schnell ein paar Früchte und locke den Käfer damit hinter mir her, werfe ihm ab und zu eins der birnenförmigen Dinger zu. Er schnappt sie, frißt sie auf, und nach einer Weile dreht er, offenbar satt, ab und macht sich mit seinen Kumpanen davon.

Wir setzen unseren Weg fort, nähern uns dabei stetig der Säule, die man auf den Außenländern schon von weitem erblicken kann, wo man auch ist. Ich nutze die Abende für ausgedehnte Spaziergänge mit meinen Lieblingen, die Natur ist zwar nicht so abwechslungsreich wie in Arborea aber hat dennoch ihren Reiz.

Zwei Wochen später erspähen wir in der Ferne ein Gebäude. Es muß groß sein, denn obwohl wir noch mindestens zwei Meilen entfernt sind wirkt es einschüchternd und trutzig. Da ich noch aus alten Dorfzeiten am Geübtesten im Anschleichen bin (außer Begor, fällt mir ein, und einen Moment lang ergreift roter Zorn meine Seele), warten die anderen hier und ich arbeite mich vorsichtig näher heran. Ig’nea hält geistigen Kontakt mit mir, und ich berichte ihr, welches Bild sich mir darbietet:

Wir haben den Stützpunkt der Mönche gefunden! Eine runde Zitadelle aus grauem Stein (wo haben die hier bloß solche Mengen an Stein gefunden?), umgeben von ein paar Feldern, die wohl von Lehensbauern bearbeitet werden.
Es herrscht fast panisches Treiben, Fensterläden werden zugeschlagen und verriegelt, ich glaube immer wieder etwas wie "sie sind hier" rufen zu hören. Verdammt, sie haben uns also bereits entdeckt! Meiner Einschätzung nach sind etwa 500 Mönche in dieser Festung, viel zu viele für eine direkte Konfrontation. Wenn wir eine kleine Armee hätten, gäbe es vielleicht eine Chance...

Leise kehre ich zu den anderen zurück. Ig’nea hat sie bereits über meine Erkenntnisse informiert und unsere Zauberkundigen überlegen, ob sie mittels Beschwörung eine ausreichend starke Armee zusammenbekämen, und was das Arsenal so hergibt.
Ich frage mich bloß, wie sie uns entdeckt haben. Vielleicht haben sie das Portal überwacht und so von unserer Ankunft erfahren? Oder liegt es daran, dass Ig’nea noch nicht das Ritual durchgeführt hat? Wir müssen in Zukunft wirklich besser darauf achten, dass uns nicht jeder drittklassige Gossenmagier auf Schritt und Tritt aufspüren kann.

Am Ende sind wir uns uneins. Können wir es mit der Masse an Gegnern aufnehmen? Als Ig’nea, neugierig und unverbesserlich, selbst auf Erkundungstour geflogen ist, hat man versucht, sie magisch aufzulösen. Also haben sie mehr als nur drittklassige Gossenmagier, die Frage ist nur: wieviele mehr?

Haben wir zum jetzigen Zeitpunkt eine Chance, diesen Kampf zu überstehen? Doch vielleicht haben wir ja auch gar keine Wahl; nun da sie wissen, dass wir hier sind, werden sie uns früher oder später selbst angreifen, wenn wir es nicht tun.


Wir sind schließlich die Frevler.

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