Juvanis

Freitag, April 20, 2007

Das Lied von Ipkunis

Duldet mutig, Millionen!
Duldet für die bessre Welt!
Euren Mut wird man belohnen,
Droben, überm Feuerzelt.
Festen Mut in schwerem Leide,
Hilfe, wo die Unschuld weint,
Heiligkeit geschworner Eide,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor den Schwadronen -
Brüder, siegelt es mit Blut,
Einig stehen die Millionen:
Untergang der Höllenbrut!


Groll und Rache sei vergessen,
Unserm Schuldner sei verziehn,
Keine Träne soll ihn pressen,
Keine Reue nage ihn.
Schließt den heilgen Zirkel dichter!
Schwört bei diesem goldnem Wein,
schwört es bei der Sterne Lichter
Dem Gelübde treu zu sein.
Unser Schuldbuch sei vernichtet!
Ausgesöhnt die ganze Welt!
Richtet so, wie wir gerichtet,
Hier, auf dem abyss'schen Feld.


In den Abgrund tief gesunken,
Auferstanden wiederum,
Wir betreten feuertrunken,
Arvandor, dein Heiligtum!
Deine Zauber binden wieder,
Was der Seele Wunden heilt,
Weil aus Menschen wurden Brüder
Ipkunis im Himmel weilt.
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Wo Eladrin und Lillend wohnen,
Sind wir nun auf grünem Feld.


Freude trinken alle Wesen
An den Brüsten der Natur,
Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gibt sie uns und Reben,
Fort der Tag, geprüft im Tod,
Sünde ward dem Wurm vergeben,
Und Ipkunis seine Not.
Ihr stürztet nieder, Millionen?
Ahntest du den Schöpfer, Welt?
Die einst den großen Ring bewohnen,
Sind nun hier auf grünem Feld.


Freude sprudelt in Pokalen,
In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmut Kannibalen,
Zahlt sich aus der Heldenmut.
Brüder, fliegt von euren Sitzen,
Wenn der volle Becher kreist;
Laßt den Schaum zum Himmel spritzen:
Dieses Glas dem guten Geist!
Denn der Sterne Wirbel loben,
Was des Bacchus’ Hymne preist:
Siegreich stieget ihr nach oben,
Hebt das Glas dem guten Geist!

Arvandor



Ich stehe auf dem, was von Ipkunis' Stadtmauer übrig geblieben ist: Verkohlter, schwarzer Stein. Noch immer klebt der faulig beißende Geruch von Schwefel an ihm.

Doch meine Nase wird umweht von frischer, klarer Morgenluft. Die lodernde Flammenglut ist der sanften Wärme einer gerade aufgegangenen Sonne gewichen, die durch einen strahlend blauen Himmel wandert und unter sich eine Landschaft weckt, die so makellos schön ist, dass mir Tränen in die Augen steigen.

Wir haben überlebt.
Wir haben tatsächlich überlebt.

Die Verluste, die wir zu beklagen haben, sind hoch. Der Preis für die Rettung der Stadt wurde mit Blut bezahlt, doch sie hat es geschafft. Dabei sah es anfangs gar nicht rosig aus...



Ipkunis war außer Kontrolle.

Hatte die Stadt schon früher gewisse chaotische Züge gezeigt, so hatten das mutmaßliche Verschwinden von Aldor Tatz und das Auftauchen der Flammen gereicht, um jegliche Ordnung endgültig zu ersticken. Der Handel erlahmte, jeder verbarrikadierte sich in seinen Häusern, Marodeure streiften durch die Straßen, Frauen wurden auf offener Straße entführt, kurz: Die Menschen von Ipkunis taten alles, um sich ihren Platz an diesem grässlichen Ort zu verdienen.

Dagegen anzugehen würde schwierig werden, doch wir beschlossen dem Abgrund den Kampf anzusagen. Auch unser Leben hing schließlich davon ab, wenn Ipkunis fiel, dann wir mit ihm.


Der Schild war vorerst unser einziger Trumpf, also befasste sich Luzija eingehend mit diesem seltsamen Gerät. Sie hatte ja bereits herausgefunden, wie man es mit magischen Dingen "füttern" konnte, wenn es überhitzte. Vielleicht würde es ihr gelingen, noch mehr darüber herauszufinden.

Derweil beschlossen wir anderen, dass Draka Aldors Stelle einnehmen müsste. Niemand hatte ihn so recht gekannt, und sie hatte ungefähr sein äußeres Erscheinungsbild. Für die Menschen würde es ein unübersehbares Zeichen sein, wenn der Totgeglaubte plötzlich wieder da wäre und nach dem Rechten sieht.

Gesagt, getan. Draka bekam einen weiten Kapuzenmantel übergeworfen und die Liste mit Delinquenten in die Klaue gedrückt. Was würde Aldors Anwesenheit besser beweisen als das Fortführen seiner Arbeit?
Anfangs halfen Elidan und ich noch bei der Suche nach den Übeltätern, doch schon bald fand Draka heraus, dass diese Liste ganz erstaunliche Eigenschaften besaß: wenn sie einen Namen darauf berührte, wusste sie sofort, wo die Person gerade steckte. Diese praktische Hilfe beschleunigte die Sache enorm (auch, dass Draka endlich von einer umständlichen Fangmethode absah, die meterlange Lederriemen involvierte, trug dazu bei) und ließ die Zahl der Vollstreckungen schnell wachsen. Jedes Mal strich sich der Name dann von alleine durch.

Doch es kamen ständig neue Namen hinzu! Leider, so stellten wir fest, waren auch unsere eigenen darunter. Und der eines alten Bekannten: Brenell Rean'ok. Diesen Namen werde ich mir gut merken.


Detritor, der am nächsten Morgen von einem ausgiebigen Tavernenbesuch zurückkehrt, findet einen Schlitz in einer Wand des Kubus'. In ihm stecken hunderte kleiner, gefalteter Zettelchen, auf denen die Menschen scheinbar eine morbide "Wunschliste" führen: Lieber Aldor, der Soundso war gemein zu mir, bitte beseitige ihn.
Egal wie oft wir die Zettelchen hineinholen, es kommen immer wieder Neue, von den Bürgern heimlich schnell und leise hineingestopft. Doch nicht immer kommt ein Name, der auf einem Zettel stand, auch auf Drakas Liste. Zum Glück, das hätte mein bisschen Vertrauen in die Integrität dieses Dings ansonsten vernichtet.


Ig'nea kehrt auch irgendwann zum Kubus zurück, sie war mit Sam bei Aldors Leichnam gewesen, der immer noch an die Stadtmauer genagelt hing. Sie hat herausgefunden, was geschehen war:

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Brenell, natürlich, hatte Aldor getötet. Jener war wohl gerade am Stadttor im Gespräch mit ein paar kleinen Leuten gewesen, als Brenell herangerast kam, seine Klaue ergriff und ans Tor pinnte. Aldor, der so vorsichtig darauf geachtet hatte, nicht selbst aus dem Tor herauszutreten, konnte nun nicht mehr hinein entschlüpfen. Alle Befreiungsversuche blieben erfolglos, das dunkle Schwert rührte sich keinen Millimeter und Brenell schlachtete ihn fast mühelos ab.

Kurz zuvor hatte Ig'nea gesehen, dass Brenell an das offene Tor herangetreten war und unsicher daran langte, scheinbar um etwas zu prüfen, und sich dann freute als hätte er das Geschenk seines Lebens bekommen.

Noch weiter zurück sah sie einige Drachenwesen mit einer Ramme gegen das Tor stürmen; eine lange Schlange entzürnter Wartender, die vor dem Tor Einlaß begehrten doch draußen bleiben mussten; und wieder die kleinen Leute, die sich einen heftigen Streit mit Tatz liefern.

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Wir bergen Aldors Leichnam vom Tor und bringen ihn in den Kubus. Ein Schwert bleibt jedoch stecken und gibt sich von unseren Kraftanstrengungen völlig ungerührt. Goin sieht es sich an und meint schließlich schulterzuckend: Der Nagel nagelt Dinge fest.

Ich glaube die Hitze bekommt dem Kleinen nicht.

Ig'nea und Detritor finden schließlich mehr heraus: Die letzten sechs Male, bei denen das Schwert benutzt worden war (meist in ähnlicher Weise wie hier), hatte es Brenell geführt. Es besteht aus kaltgeschmiedetem Adamant, was eigentlich fast unmöglich ist. Dieses Schwert muß von einem Meister geschaffen worden und (hoffentlich) einzigartig sein.

Da tritt Luzija zu uns, um über die Ergebnisse ihrer Untersuchung zu berichten: Die Maschine erzeuge ein Kraftfeld, das alles fernhält was aus den Neun Höllen, dem Abgrund oder Gehenna kommt - also aus den Unteren Ebenen. Dafür nutze es entweder Magie direkt, oder aber Lebenskraft, die es in Magie umwandelt - eine recht frevelhafte Art, um an Energie zu kommen.
Als sie das Schwert im Tor stecken sieht, meint sie: "nettes Schwert" - und zieht es aus dem Holz als wäre es Butter!
Eigenartig. Mich beschleicht das Gefühl, dass diese Waffe vielleicht noch übler ist als wir befürchtet hatten. Jede Wette, dass Brenell sie wiederhaben will.



Wir bemerkten die ersten Veränderungen in der Stadt. Wie erwartet war den Leuten die "Arbeit" von Tatz nicht entgangen, und erste Hoffnungsschimmer traten zaghaft hervor.
Es wurde auch Zeit, denn langsam ging uns das Futter für die Maschine aus.

Einigen von uns schien die Situation sicher genug, um ausgiebige Einkäufe zu tätigen. Angeblich unter dem Vorwand, den Handel in der Stadt wieder aufleben zu lassen. Manchmal verstehe ich meine eigenen Freunde nicht; wie schaffen sie es nur, ihre Augen zu verschließen gegenüber dem Leid und der verzweifelten Suche der Menschen hier nach Führung in Sicherheit? Oder gegenüber dieser imposanten, allumfassenden Feuerwand?


Die folgenden Tage verbrachten wir damit, die Stimmung der Bevölkerung weiter zu verbessern und die Straßen von Ipkunis sicherer zu machen:

Draka arbeitete die Liste ab, Goin und ich zogen von einer Taverne in die nächste, schließlich fanden sogar ganze Umzüge statt, und seine aufmunternden Lieder spendeten gleichermaßen Trost und Mut. Ich sorgte für eine Armenspeisung, um den Gemeinschaftswillen zu stärken, Elidan setzte sich tatkräftig für den Bau eines Tempels ein. Der Glaube an die richtende Hand Aldors gab den Leuten zusätzlich Hoffnung, dass das letzte Amen noch nicht gesprochen war und es wurde wirklich langsam wieder geordneter, sicherer in der Stadt. Zumindest konnte man als Frau wieder allein auf die Straße, ohne verschleppt zu werden.

Ig'nea und Detritor schafften es sogar, eine Audienz bei Clara Herzblatt, einer reichen Gönnerin der Stadt, zu erlangen und überzeugten sie, dass - so absurd das auch auf den ersten Blick erscheinen mochte - jetzt der richtige Zeitpunkt für ein Fest sei.
Vielleicht lag es an Detritors breiten Schultern, doch sie hielt Wort und stellte zusammen mit Brenn Wissanek, dem zweitreichsten Händler, eine große Feier mit Musik, Wein und Tanz auf dem großen Marktplatz auf die Beine.

Während die Stadt so ausgelassen feierte, bemerkten wir in dem uns noch immer umgebenden Inferno zwei Scheusale, lederbeschwingte Wesen, die kopfschüttelnd das fröhliche Treiben beobachteten.

Sie sollten sich noch viel mehr wundern, denn Draka hatte ihren großen Auftritt:

Als Tatz verkleidet flog sie über die jubelnde Menge, begleitet von Goins Musik, und ließ wie zum Beweis ein paar Seiten der „abgearbeiteten“ Liste heruntersegeln.

Erneut war Ipkunis außer Rand und Band. Doch diesmal war es nicht das ungezügelte, zerstörerische Chaos, sondern gemeinsame Freude, Dankbarkeit und Hoffnung, die das Volk zu Sprechchören animierte: Führe uns!


Draka hatte Bedenken. Sie wollte die Leute nicht belügen, nicht Regent sein.

Ich verstand ihre Sorge, doch Ipkunis war zu weit gegangen um jetzt noch mit Mittelmaß gerettet werden zu können. Es musste eine Führung her, ein massives Bollwerk gegen das Chaos.
Zuerst versuchte sie noch, der Verantwortung zu entkommen und Clara oder Wissanek als Anführer einzusetzen. Doch als sie sie in weiser Voraussicht nach ihren Wunschtiteln fragte, kamen sie mit Ansprüchen wie "Gottkaiser" und dergleichen. Da war auch ihr klar, dass diese beiden Ipkunis nur vom Regen in die Traufe bringen würden. Bestenfalls.


Also traf Draka endlich die wohl bedeutsamste Entscheidung ihres Lebens:

Nachdem das Volk immer nachdrücklicher nach einer starken Führung verlangte und sowohl Clara wie auch Brenn aufgrund ihrer unstillbaren Machtgelüste ihre Chancen auf Regentschaft verspielt hatten, sprang Draka endlich über ihren enormen Schatten und präsentierte sich als Aldor Tatz - neuer Regent von Ipkunis.

Das Volk jubelte, es war erhebend, solche Begeisterung und Freude ob der neugewonnenen Ordnung zu erleben; anfangs hatte ich selbst gezweifelt, ob das überhaupt noch möglich sei, doch die Stimmung hatte sie jetzt merklich gebessert. Waren nicht sogar die Flammen ein wenig kleiner geworden? Doch das lag vielleicht nur am momentanen Glücksgefühl.

Draka tat, was das Volk verlangte. Sie erließ Gesetze und ging weiterhin der Aufgabe ihrer Liste nach.

Auch wir anderen taten nach Kräften was wir konnten um das Blatt zu wenden, doch auch nach zwei weiteren Tagen umgab uns die Flammenwand. Nur die scheußlichen Fratzen darin wurden mehr und mehr, und die Maschine verbrauchte ihre Energie immer schneller.


Und als hätte das Schicksal nur auf diesen Moment gewartet, trat auf einmal ein vermeintlicher Retter auf uns zu: Luzija berichtete von einem Dunkelelfen, der ihr für ein Goldstück angeboten hätte, uns alle von hier wegzubringen, wohin auch immer wir wollten.

Ich bin ein Kind des Dorfes. Dort leben alle möglichen, teils widersprüchlichen Wesen friedlich zusammen. Man könnte also sagen, dass ich wenig Vorurteile hege; doch meine Erfahrungen mit Dunkelelfen bisher bewogen mich sofort dazu, diesem gönnerhaften Angebot zu misstrauen.

Noch dazu hätte es bedeutet, Ipkunis aufzugeben an einem Punkt, an dem es besser lief als je erhofft. Dazu war ich nicht bereit.

Goin und ich machten uns daher auf den Weg zum Marktplatz, um den noch immer dort Versammelten erneut Mut und Gemeinschaftswillen zu stärken, während Luzija mit Ig'nea, Detritor und Elidan zu dem Dunkelelfen gingen, um sich sein Angebot bestätigen zu lassen.


Elidan erzählte mir später, wer unser Gönner war. Als hätte ich es mir nicht denken können: Brenell.
Eine Stimme in mir wollte mich auf etwas hinweisen, vielleicht warum er uns helfen würde oder was er hier will, doch ich hatte keine Zeit hinzuhören.
Vielleicht war das ein Fehler.


Später im Kubus traf ich bei den anderen auf einen kleinen Kerl namens Rinpi. Er kam aus der Luke im Boden geklettert, die Maschine glühte schon wieder. Offensichtlich hat er einen Zauber, der ihn vor den Energien der Maschine schützt. Er meinte, die Maschine sei in Ordnung, aber für die Dauerbelastung nicht ausgelegt; Horden von Dämonen brandeten seit Tagen wie Wellen am Strand unaufhörlich gegen den Schild. Lange würde er das nicht mehr durchhalten.

Rinpi kannte offenbar als einziger nicht nur die Maschine, sondern auch Aldor persönlich, denn er durchschaute Drakas Maskerade; hielt es aber für eine gute Idee. Er erwähnte zwei Männer, die nach irgendwelchen Waffen befragt hätten, doch er habe nichts verraten - wir erkannten in der Beschreibung zwei auffällige Gestalten wieder, die draußen vorm Kubus standen!


Einer trug eine silberne Plattenrüstung mit feinen Goldintarsien, der zweite eine schwarze Drachenschuppenrüstung. Etwas in seiner Aura machte mich stutzig; es war, als ob sich drei Schatten über seine ansonsten reine Seele gelegt hätten, ob es da einen Schandfleck in seiner Vergangenheit gab?

Noch während ich überlegte, hatte Ig'nea bereits einen Erstkontakt hergestellt, indem sie mittels Psi einige seltsame Gegenstände um den Fremden herum neutralisierte. Begeistert war er nicht, aber da die beiden keinen feindseligen Eindruck machten, kamen wir schließlich ins Gespräch.

Tatsächlich fanden sie in Aldor’s Kubus die Waffe, nach der sie gesucht hatten: Steinschneider. Mit viel Mühe brachten sie sie von der Wand los. Damit wollen sie in Irkbaz in die versiegelten Türme eindringen. Wenn das mal gut geht. Fragte mich noch immer, was mit dem Drachengeschuppten nicht stimmt.


Doch sie erklärten sich aus Dankbarkeit bereit, uns in Ipkunis zu helfen, glorreiche Kämpfe scheinen sie zu mögen. Ob das Planlose sind?

Sie erzählen, dass auch ein Quarut in der Stadt sei, ein Maschinenwesen von der Ebene Mechanus. Er sei hier, weil die Integrität der Ebenen gestört worden sei und es will den Fehler auszumerzen, der dafür verantwortlich ist.

Mit Fehler kann ja wohl nur Brenell gemeint sein.

Als wir den Quarut finden, teilen wir ihm mit, dass sich Brenell da draußen befindet und man ihn mit einem Steinwurf rufen kann - das tut das arme Ding dann auch, überzeugt, ihn "ausmerzen" zu können.
Nun, es läuft leider nicht ganz so, doch wir wissen nun mit Sicherheit: dieser Brenell besitzt doch wirklich die Frechheit, die ganze Zeit draußen vor dem Tor zu warten, während wir hier schmoren!


Während Luzija auf der Suche nach magischen Gegenständen für den Schild in der Magierakademie verschwindet (aus der es wenig später kracht, knallt, splittert - und dann kommt sie mit zwei halbnackten, sie umschwänzelnden Magiern wieder raus), unterhalten wir uns noch etwas mit Belgad, sein Freund ist eher schweigsam.

Sie trinken Tee mit uns und halten ein gemütliches Schwätzchen, als wär es hier der gemütlichste Ort der Welt. Wir wären zu verspannt, deprimiert, sollten doch mal ein bisschen fröhlicher sein. Der hat gut reden, ist selbst auf der Flucht vor seiner Vergangenheit und predigt uns was von Friede und Freude. Auch Sam findet das befremdlich.


Schließlich begeben wir uns zum Marktplatz. Dort haben sich viele Menschen versammelt, Detritor und seine Barbarenfreunde, Goin singt seine inspirierenden Lieder von ruhmreichen Schlachten und großen Heldentaten.


Alle magischen Gegenstände aus Aldors Kubus sind aufgebraucht.


Hinter dem Schild toben Horden von Dämonen und rennen gegen den Schild an, er flackert.

Ich werde plötzlich ruhig und zornig zugleich. Sollen sie kommen! Tagelang haben wir um Ipkunis gerungen, für Recht und Ordnung. Vielleicht hat es ausgereicht, vielleicht auch nicht; doch hier stehen wir, Hunderte, vielleicht sogar Tausende, die sich uns angeschlossen haben. Und egal, was das Ende des heutigen Tages bringen wird: wir haben uns nicht kampflos ergeben.


Der Schild bricht.


Kurz reißt ein blauer Himmel über uns auf, die Flammen sind noch immer da.

Dämonen ergießen sich über die Mauer, Hitze schlägt uns entgegen.

Wir fassen Schwert, Bogen, und ein jeder wappnet sich für das letzte Gefecht. Doch da beginnt plötzlich Sam, Ig'neas bescheidener Freund, der stumme Sam - zu singen.


Mir ist, als ränne flüssiger Frieden wie goldener Honig durch meine Seele.

Jeder Gedanke an Kampf ist verloren. Wozu? Dieses wunderschöne Lied allein ist es, was zählt.
Ich verliere mich in diesem überirdischen Klang, leiste keinen Widerstand, es ist zum Sterben schön.


Auch die Dämonen haben innegehalten. Wirkt das Lied auch auf sie? Was hält sie davon ab, zuzuschlagen, wo wir doch wehrlos dastehen, gefangen von Sams Gesang? Es kümmert mich nicht. Nichts ist mehr wichtig. Nur das Lied.

"Haltet den Schild", höre ich Sam rufen, doch auch wenn ich mich kurz von den Fesseln seines Lieds lösen kann, schaffe ich es nicht bis zum Kubus.

Langsam sinke ich zu Boden, meine Kräfte schwinden. Dieses Lied, dieses wunderschöne Lied.

Um mich herum fallen immer mehr Menschen, stumm, ohne Klage.

Wo sind die anderen? Ich weiß nicht. Es ist auch nicht wichtig. Ich könnte hier sterben und wäre zufrieden damit.


Auf einmal geht ein Ruck durch uns.

Zum Glück habe ich längst die Augen geschlossen, es fühlt sich an, als würde Ipkunis von einem gigantischen Katapult in alle Richtungen gleichzeitig geschleudert, es klingelt in meinen Ohren.

Sams Gesang ist verstummt.


Als ich die Augen öffne, blicke ich in einen blauen Himmel.

Die Flammen sind fort, ebenso wie die Dämonen. Um mich herum schlagen Menschen die Augen auf, doch es sind so wenige - viele haben, von diesem zauberhaften Lied beseelt, alles vergessen; sogar das leben.

Auch ich wäre beinahe entglitten, hätte Sam auch nur eine Minute länger gesungen.

Noch ein wenig benommen helfe ich den anderen, so viele wie möglich zu retten. Erstaunte Blicke wandern zum Himmel, in die neue Landschaft um uns herum.

Ein paar Menschen rufen sogar wieder nach Tatz, danken für die Rettung. Trotz der schrecklichen Verluste und der Tatsache, dass wir nicht so wirklich nach Hause gekommen sind, hat sich unsere Lage doch enorm verbessert.



Und so stehe ich nun hier.


Ipkunis ist mitten auf einer üppigen, grünen Wiese gestrandet, in der Ferne sehen wir dichte Wälder, soweit das Auge reicht. Arvandor, die erste Ebene auf Arborea, erinnere ich mich an den Unterricht in Ebenenkunde.

Nun, es hätte schlimmer kommen können, denke ich bei mir. Zumindest wird man uns hier nicht gleich bei lebendigem Leib rösten. Brenell wird uns ohne Zweifel verfolgen; was immer er mit Ipkunis vorhatte, es ist nicht geglückt.


Und wir haben etwas, das ihm gehört. Ich lächele in den Wind. Er fängt sich leise raschelnd in meinen Flügeln, flüstert mir etwas zu. Mein Lächeln wird breiter. Oh ja, das hatte ich fast vergessen. Ich entfalte meine Schwingen.


Der Himmel hat mich wieder.

Donnerstag, April 05, 2007

Der Höllenhund "Zerstörung"


Wohin wir auch gehen, die Zerstörung folgt uns auf dem Fuße wie ein treuer Hund seinem Herrchen.
Nur dass es ein dämonischer, dreiköpfiger Hund ist, der alles verschlingt, an dem sein Herrchen vorüber geht.

Wir beabsichtigen das nicht. Es geschieht einfach, und ich vermag nicht mehr zu unterscheiden, was davon nur unglücklicher Zufall ist und was mit uns zusammenhängt. Fast ist mir, als ob ein Fluch auf uns läge.
Zumindest in diesem Punkt haben die Mönche Recht: wir sind eine große Gefahr. Schon jetzt.


Es begann schon bei den Zwergenoberhäuptern der Binge Barmak, die wir für Wochen außer Gefecht setzten. Der Nächste in der Reihe war unser glückloser Führer in Irkbaz, der dem Bösen anheim fiel.
Danach steigerten wir uns und zerstörten ein Portal in den Ruinen von Irkbaz, nur um als nächstes eine ganze Stadt, Tamra, fluchtartig wieder zu verlassen, weil Horden von Teufeln und Monstren sie zu überrennen drohten.

Und jetzt Ipkunis. Hier haben wir wohl das vorläufige Meisterstück geschafft. Dabei fing diesmal alles so vielversprechend an ...



Wir hatten uns wieder auf den Weg gemacht.

Der Kampf gegen die Mönche hatte uns nicht lange aufgehalten, und wir blieben von weiteren Angriffen verschont. Luzija und Draka stießen auch wieder zu uns, und da sich Luzija sofort in das seltsame Ritualbuch vertiefte, verlief die Reise auch weiterhin ruhig.

Unterwegs trafen wir auf eine weitgereiste Spielmannsgruppe, die uns viel über diese Gegend erzählte: Über Man?s End im Westen, wo die gerechte Lady Esalis herrscht und Helden ihren vergangenen großen Taten nachträumen. Über Ipkunis im Osten, die Stadt der tausend veränderlichen Gassen. Wo jedermann sein Recht selbst in die Hand nimmt, doch ab und an ein gewisser Aldor Tatz für Ruhe sorgt, wenn es zu bunt wird.

Aldor Tatz.
Mit ihm fing der Ärger an. Oder besser gesagt, mit seinem Tod. Doch ich greife vorweg.


Wir erreichten Ipkunis nach einer Woche, und sogleich schwärmte unsere reisemüde Gruppe auseinander. Während die anderen sich auf dem Marktplatz tummelten, wo reger Betrieb herrscht und Waren aus aller Herren Länder feilgeboten werden, fragte ich mich zum hiesigen Heiler durch. Vielleicht kann man mir hier helfen?
Detritor hatte ich empfohlen mitzukommen, doch er wollte nicht. Hatte wohl zu schlechte Erinnerungen an meinen letzten Behandlungsversuch.

In der Tat fand ich einen fähigen Heiler, einen freundlichen Mann mit erstaunlich feingliedrigen Fingern. Sein Häuschen kauerte im Schatten eines gewaltigen, acht mal acht Meter großen Kubus, welcher das Domizil von Aldor Tatz sein soll.

Doch zu diesem Zeitpunkt interessierte ich mich nicht für diesen Tatz, auch wenn mir dieses Heim sonderbar vorkam, verglichen mit dem Rest der Stadt stach es hervor wie ein einzelner Baum in der unendlichen Grasebene meiner Heimat.


An die folgenden Tage habe ich nur verschwommene Erinnerungen.

Ich weiß noch nicht einmal, wie viele Tage es waren. Sie verschmolzen zu einem endlosen Brei aus Agonie, irgendwo auf der Grenze zwischen wach und bewußtlos. Phasen von brennendem Schmerz, vernebelt durch Betäubungsmittel, die Zunge zu schwer zum Schreien. Es hätte das hässliche Knacken vermutlich sowieso nicht übertönen können.

Heiße Brühe. Das Gefühl von schweren Eisenzwingen auf meinem Rücken. Kräutertee, gemurmelte Heilsprüche und ich glaube sogar ein Besuch meiner Freunde. Aber vielleicht habe ich das auch nur geträumt.

An ein Bild erinnere ich mich so glasklar, als wären alle meine Sinne doppelt scharf, doch ich wünschte, dem wäre nicht so:
Ich sehe mein Spiegelbild in einem Fenster, es ist teilweise beschlagen von der Feuchtigkeit, die aus getränkten Leinentüchern dampft. Die Luft ist erfüllt vom Dunst aus Tiegeln über einem Feuer, in denen aromatische Kräuterpasten kochen.
Im Fenster sehe ich mich selbst bäuchlings auf einem großen, stabilen Holztisch liegen, nackt. Eine schwere Seil- und Eisenkonstruktion mit unzähligen Gelenken zwingt meine Flügel, in grotesken Winkeln vom Körper abzustehen. Der Heiler hantiert geschäftig an diesem Monstrum herum, fixiert einen Knochen hier, zurrt ein Seil da. Ein prüfender, abschließender Blick, er bemerkt dass ich wach bin. Hält mir ein Tuch mit süßlichem Geruch unter die Nase, zieht dann plötzlich fest an einem Seil, und das letzte was ich höre, bevor ich wieder in tiefen traumlosen Schlaf falle, ist das Krachen meines Flügelknochens.
Doch es tut schon nicht mehr weh.

Irgendwann verschwindet der bleierne Schleier endlich und kehrt auch nicht mehr zurück.
Gedämpftes Licht scheint auf mein Gesicht, von einer Lampe an meinem Bett. Nach einer Weile höre ich Schritte und der Heiler tritt ein, ein Tablett in der Hand. Er lächelt mich an, doch ich sehe die Sorgenfalten trotzdem.

"Diese Flügel waren ein hartes Stück Arbeit." sagt er und stellt das Tablett vor mich, ein Teller Suppe und Brot liegen darauf. "Doch du bist ein zähes Mädchen." Aus seinem Mund klingt es gar nicht bevormundend oder herablassend. Er sieht müde aus. Dennoch sehe ich einen gewissen Stolz in seinen Augen, als er mir den Löffel reicht und mir die schönste Nachricht seit langem verkündet: "Noch ein wenig Schonung und du kannst wieder fliegen wie früher. Die Knochen sind gerichtet und verheilen gut, Federn hast du auch fast keine gelassen."

Würde ich damit nicht die Suppe quer durch den Raum katapultieren, würde ich ihm am liebsten um den Hals fallen. So begnüge ich mich damit, ihm überglücklich diese feinen Hände zu drücken und ihn unter Tränen mit Dankes- und Segenswünschen zu überhäufen.

Erst als er mich, fast ein wenig peinlich berührt, mit dem Löffel abwehrt, lasse ich von ihm ab und löffele begierig die heiße Suppe. Alle Erinnerungen an Schmerz und Unbill sind vergessen, ich schwebe förmlich in meinem Bett vor Glück.

Doch dann erinnere ich mich an seinen sorgenvollen Blick.
Erst will er nicht recht mit der Sprache herausrücken, doch schließlich erfahre ich, dass in der letzten Nacht Aldor Tatz ermordet wurde, sein Körper mit vier Krummsäbeln an die Stadtmauer geheftet. Seitdem ist die Stadt in Aufruhr, Chaos greift um sich, nun da die letzte Bastion der Ordnung gefallen ist.

Sofort schießt mir ein Name durch den Kopf: Brenell! Er ist uns doch gefolgt. Kann das sein? Was führt er im Schilde? Geht es den anderen gut?

Meine übermütige Laune ist dahin. Ich habe spontan den Appetit verloren, stelle das Tablett beiseite und steige vorsichtig aus dem Bett. Nach der langen Pause fühlen sich meine Beine noch ein wenig wackelig an, probeweise schlage ich leicht mit den Flügeln - es fühlt sich gut an! Schmerzt noch ein wenig, aber es fühlt sich richtig an.

Der Heiler beobachtet mich die ganze Zeit wortlos, aber aufmerksam. Er weiß, dass er sich Proteste sparen kann. Er hilft mir in meine Rüstung und stellt auch keine Fragen, obwohl ich sie in seinen Augen lesen kann. "Es gibt da jemanden, der vielleicht verantwortlich für diese Misere ist," versuche ich zu erklären. "ich muß meine Freunde finden, uns steht womöglich Schlimmes bevor."

Er blickt mich traurig an. "Viel schlimmer kann es kaum mehr werden." Verständnislos blicke ich ihn an, er nickt zur Tür. Als ich sie öffne, wird mir schlagartig klar, warum im Zimmer die Vorhänge geschlossen sind und es vom ruhigen Licht einer Lampe erhellt wird, obwohl es Tag ist.

Ipkunis ist umringt von einer lodernden, alles verzehrenden Flammenmauer. Turmhoch, meilenweit nichts als das pure Inferno.



Und hier stehen wir nun. Zeugen und Gefangene dieses zweifelhaften Meisterwerks. Unser dreiköpfiger Höllenhund Zerstörung hat wieder zugeschlagen, härter als je zuvor.

Die anderen haben mich mittlerweile gefunden, sie berichten mir, was vorgefallen ist. Kurz gesagt: Brenell. Und er hat das Baby.

Noch hält eine seltsame Maschine in Aldors Haus die Flammen fern, doch wie lange noch?

Was hat es mit dem auf sich, das Draka jenseits der Flammen sah: Scheusale, die in brennenden Ruinen ihrem grausigen Tagwerk nachgehen?


Ein schrecklicher Verdacht steigt in mir auf, als Erinnerungen an unsere Lehrstunden in Ebenenkunde aufkeimen. Ausgerechnet jetzt kommt mir ein unpassender Gedanke in den Sinn: und dafür die ganze Tortur mit den Flügeln...