Ewige Treue
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Als ich am Morgen des achten Tages erwache würde ich am liebsten gar nicht aufstehen. Der ganze Ort hier ist mir zuwider geworden, und würde nicht Luzija darauf bestehen, auch noch den letzten Winkel der Zitadelle zu durchsuchen, ich wäre längst weitergezogen. Egal wohin, nur fort von den schwelenden Leichen und kalten Trümmerhaufen.
Ig'nea hat schon eine Nachricht an Goin und Alceron geschickt, sie sollen sich auf den Weg machen und sich hier mit uns treffen. Unser kleiner Feuerteufel ist ganz wild darauf, der Klause der Mönche in den Beastlands einen letzten Besuch abzustatten.
Sobald ich kann nehme ich mit meinem Limlim und dem Ur'epona reißaus und versuche weit genug zu reiten, bis ich wenigstens frische Luft zum Atmen haben und lebendiges Gras sehe. Den anderen schlägt dieser Ort auch langsam aufs Gemüt, außer Luzija und Ig’nea jedenfalls. Hier draußen fühle ich mich zumindest etwas wohler.
Zur Mittagszeit kehre ich zurück. Wir entzünden kein Feuer, irgendwie hat keiner so recht Appetit auf gebratenes Fleisch. Viel reden wir nicht, was gibt es auch schon zu sagen.
Erst als die Rede auf unsere nächsten Schritte kommt, wird es reger. Luzija und Ig'nea wollen sofort in die Beastlands, doch Furgas würde gern der Spur der kaltgeschmiedeten Adamantwaffen nachgehen. Das wäre bestimmt auch in Goins Interesse. Den Planetar brauchen wir nicht mehr zu fragen, und Furgas wurde es verboten, weitere Fragen zu stellen. Aber, wendet Luzija ein, uns anderen hat es niemand ausdrücklich verboten. Langsam entwickelt sie verdächtige Züge eines Brenell, wenn es um die Auslegung Wort für Wort geht. Doch ich kann nicht umhin ihr Recht zu geben, also erkläre ich mich bereit, Dorn auf ihre Herkunft anzusprechen.
Ich hatte ja keine Ahnung, was für ein kratzbürstiges Biest in dieser Waffe haust.
Kaum dass ich das dornengespickte Heft berühre, graben sie sich in meine Hand und ich spüre ein unangenehmes, kaltes Ziehen, als ob ich blankes Eis berührt hätte.
"Dorn?", frage ich vorsichtig. Die anderen stehen gespannt um mich herum. Komisches Gefühl, mit einem Schwert zu reden.
Einen Moment lang herrscht Stille, dann flüstert eine weibliche Stimme in meinem Kopf: "Was willst du, Verrätersau?"
Von Höflichkeit hat dieses angebliche Himmelsgeschenk wohl noch nichts gehört. Und wenn es um Jarvis geht passen Furgas und sein Schwert wirklich gut zusammen.
"Ich bin nicht hier, um über mein Privatleben zu sprechen, Dorn. Es geht um deine Herkunft, und wieso jemand mit deiner Einstellung mit jemandem wie Brenell zusammenarbeiten würde."
Egal was ich anstelle, Dorn bleibt eisern und verrät nichts über ihre wahre Herkunft. Nicht, wieso sie mit Brenell zusammenarbeitet, nicht wo der Schmied lebt oder warum es zwei verschiedene Versionen von "Dorn" zu geben scheint.
Gerade als ich mich wieder verabschieden will meint Dorn plötzlich gefährlich freundlich: "Ach, bleib doch noch ein bisschen und laß uns plaudern." Ich erinnere mich daran wie Furgas das letzte Mal aussah, nachdem Dorn ein Wörtchen mit ihm zu reden hatte und will das Heft schleunigst loslassen, doch es geht nicht!
Die Dornen haben sich fest in meine Handfläche verbissen und wie damals Furgas werde ich das vermaledeite Ding einfach nicht mehr los. Langsam spüre ich, wie die Wärme aus meiner Hand entweicht und in das Schwert gesogen wird.
"Wirst du dem Bösen abschwören, Juvanis?" fragt Dorn.
"Falls du damit meinst, dass ich mein Herz verraten soll, nein, das werde ich nicht tun.", presse ich zwischen zusammengebissenen Zähne hervor. "Was ich für Jarvis empfinde und was wir tun geht nur uns etwas an. Es muß dir genügen zu wissen, dass ich dabei nie etwas tun würde, das meine Freunde gefährdet."
Um mich herum werden die anderen unruhig, sie merken dass da irgendetwas falsch läuft.
Mich fröstelt, mir ist als ob mit der Wärme auch mein Leben langsam aus mir gesogen wird. Kraftlos sinkt meine Hand mit Dorn darin auf meine Knie, mir wird schwindelig.
"Schwöre dem Bösen ab!" herrscht mich Dorn unbeirrt an.
"Versteh doch, ich kann nicht." Das Sprechen fällt schwer, selbst das Atmen strengt mich viel mehr an als sonst. Ich spüre Angst und Zorn aufsteigen, doch es kostet mich alle Kraft, sitzen zu bleiben und nicht umzufallen.
Furgas erkennt als erster was Dorn vorhat und greift nach der Klinge, redet auf sie ein, doch in meinen Ohren rauscht es zu laut als dass ich seine Worte noch verstehen könnte. Kraftlos sinke ich immer weiter in mich zusammen, Schwindel überkommt mich und ich muß die Augen schließen weil ich fürchte dass mir sonst übel wird weil sich alles dreht.
Doch was immer Furgas auch gesagt haben mag, Dorn bleibt uneinsichtig.
"Schwöre dem Bösen ab!!" Ihre Stimme dröhnt in meinem Schädel.
"Vergiß es." Ich weiß nicht, ob ich es laut gesagt oder nur gedacht habe.
Da spüre ich, wie eine fremde Wärme meinen Körper durchströmt. Ich öffne die Augen. Elidan hat einen Heilzauber auf mich gewirkt. Auch Furgas nutzt Torms Macht, um mir zu helfen, doch was soll das bringen. Dorn ist eine Fanatikerin, und ich werde nicht nachgeben. Ich will nicht sterben. Nicht meine Freunde und Jarvis zurücklassen. Aber leben mit dieser Lüge wäre noch viel schlimmer.
"Aufhören, bitte", stammele ich, "ihr verlängert mein Leiden doch nur."
Plötzlich spüre ich einen scharfen Schmerz in meinem Arm, Luzija hat sich in mein linkes Handgelenk verbissen und zerrt und reißt daran. Völlig fassungslos starre ich auf die Wunde auf meinem unnatürlich weißen Arm, sie blutet fast gar nicht und tut trotzdem höllisch weh. Dorn schreit mich weiter an und saugt das Leben aus mir, unfähig mich gegen sie alle zu wehren muß ich zusehen, wie Luzija so lange mein Handgelenk malträtiert, bis sie tatsächlich meine Hand samt Dorn darin abgebissen hat!
Sofort heilt Elidan die schreckliche Wunde, doch freuen kann ich mich darüber nicht. Noch immer sehe ich Sternchen, kann mich kaum aufrecht halten und bin von der ganzen Situation vollkommen überfordert.
Und als wäre das alles nicht genug, halte ich auf einmal Dorn in der rechten Hand! Oh ihr Götter, lasst dieses Spiel doch endlich enden, denke ich mir, aber meine Gefährten hören nicht auf, mich bis zur Erschöpfung ihrer Mittel mit Heilzaubern zu quälen.
Doch alles, was sie mir geben, wird sofort von Dorn wieder verschlungen.
"SCHWÖRE DEM BÖSEN AB!!", brüllt Dorn durch den Schleier, der sich langsam über mein Bewusstsein senkt. Alles beginnt in hellem Licht zu versinken, bis auf ihre Stimme. Doch es macht nichts. Es wird nichts ändern.
"Niemals."
Auf einmal ist alles vorbei.
Dorn gleitet aus meiner Rechten und fällt zu Boden, meine linke Hand ist wieder heil und gesund. Ich bin noch hier.
Augenblicklich packt mich Luzija und fliegt davon. Erst als sie sich in sicherer Entfernung wähnt, landet sie und legt mich vorsichtig ins Gras.
Obwohl ich wieder völlig hergestellt zu sein scheine, fühle ich mich noch benebelt und bin reichlich verwirrt. Was ist geschehen? Warum hat Dorn im letzten Moment doch noch von mir abgelassen? Aus Barmherzigkeit wohl kaum.
Langsam kehren all meine Sinne zurück. Ich schmecke das mir wohlbekannte Aroma eines Heiltranks, und muss lächeln. Luzija fliegt zu den anderen zurück, und ich bin froh, jetzt einen Moment allein zu sein.
Doch ich bin nicht allein. Kaum dass Luzija abgehoben hat, spüre ich eine vertraute, unsichtbare Umarmung. Und Tränen. Wortlos halten wir uns einfach nur fest, und in diesem Moment verstehe ich, was Dorn davon abgehalten hat, mich zu töten.
Die drakonischen Runen auf der Klinge.
Ewige Treue.
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