Sonntag, Juli 08, 2007

Von Gärtnern und Göttern

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Bis zum Einbruch der Dunkelheit fliegt unsere Gruppe über den See, den die Drachkin einst das Auge des Tages nannten. Unser Ziel ist Ychts Garten, nicht so sehr weil wir eine genaue Vorstellung hätten, was wir dort zu erwarten haben, sondern weil uns die Spuren nach dem Baby ausgegangen sind. Mit viel Glück weiß der alte Drache Ycht ja etwas, sein Garten liegt nahe genug am Zentrum der ganzen Geschehnisse, und er wacht eifersüchtig über dessen Unversehrtheit.

Bevor es völlig finster wird, tanzt Luzija ihren magischen Unterschlupf herbei und dankbar falte ich meine müden Flügel zusammen. Es war ein anstrengender Tag, ich recke und strecke meine Knochen, höre mit halbem Ohr Elidan etwas über seine Bedenken bezüglich Jarvis sagen, die alte Diskussion, da spüre ich plötzlich, wie jemand mich umarmt, sichtbar wird - und Jarvis steht lächelnd in der Hütte!
Wie erwartet spalten sich die Lager: Furgas verläßt augenblicklich den Raum, Elidan sucht nach intriganten Motiven, doch die anderen sehen es gelassener.
Ich verstehe die ganze Unruhe nicht, bei Ig'nea und Sam hatten sie sich auch nicht beschwert, und wir waren sogar noch viel diskreter. Zumindest damit ist es jetzt vorbei, denn nach so langer Trennung muß das Wiedersehen gefeiert werden.


Anderntags setzen wir unsere Reise erholt und glücklich fort, und nach zwölf anstrengenden Flugtagen über den See, die Straße am Fluß entlang bis zu dem kleinen Aussichtsturm, von dem aus der Weg zu Ychts Garten abzweigt, erreichen wir endlich die Ausläufer der weitläufigen Anlage.

Grünfläche soweit das Auge reicht, seltene Pflanzen, Blumen mit herrlich bunter Farbenpracht wachsen hier ungestört - ein wahres Paradies. Es spannt sich sogar ein Stück blauer Himmel über dieses Land und die Sonne scheint! Jetzt erst bemerken wir, dass sich an Furgas' Schulter ein paar goldene Hornschuppen gebildet haben, die im Licht schimmern und Goins Augen zum Funkeln bringen. Ich frage mich, wie weit unser Paladin wirklich von diesem Drachengeist in ihm beherrscht wird, dass er nun sogar schon äußerliche Merkmale zeigt.

Doch bald schon nimmt die Natur wieder meine Aufmerksamkeit in Beschlag. Nach zwei Tagen auf der Wiese kommen wir an eine Waldgrenze. Hier wachsen so viele Baumsorten, die ich noch gar nicht kenne, nie allzu viele von einer Sorte aber auch nie einer alleine. Pilze, Moose und Farne bedecken das Unterholz und ich komme mir ein wenig wie in einem verwunschenen Zauberwald vor.
Achtsam nichts zu beschädigen, schweben wir zwischen den Baumstämmen hindurch und gelangen nach weiteren drei Tagen an einer Hütte an, vor der ein älterer, grauhaariger Mann sitzt und uns freundlich begrüßt. Da wir Alceron bereits alles, was wir selbst über Ycht wissen, erzählt haben, macht er gleich einen guten Eindruck und schenkt ihm ein paar Eicheln von seiner Heimatwelt. Wir werden daraufhin zu einer herzhaften Brotzeit eingeladen, alle außer Ig'nea, doch leider interessiert sich Ycht nicht besonders für die Geschehnisse in den Ebenen. Er nennt es alles nur „Abenteurerkram“ und will nichts damit zu tun haben. So alt wie er ist, älter als die Insel im See die er schon sechs Mal in Aktion gesehen hat, gibt ihm das nichts mehr. Er kümmert sich lieber um seine Feenwelt.
Auf einmal kommt eine aufrechtgehende, humanoide Spinne angerannt und setzt sich zu uns. Ycht grüßt das Wesen wie einen alten Bekannten und stellt es als „Ich“ vor. Ein einzigartiges Wesen, weder männlich noch weiblich, aber schon ein wenig furchteinflößend. Seltsam.

Nach einigen Scheiben Brot lassen wir uns den Weg zu den Orks weisen und brechen auf; Ycht kann oder will sich nicht mit den Problemen der Ebenen beschäftigen und weiß auch nichts über das Baby.
Fünf Tage später haben wir die Waldgrenze vor Ipkunis erreicht, da fällt Luzija plötzlich ein, dass sie Ich schon einmal begegnet ist: Dilus, der Teufel den sie im Grasland unserer Heimat zum ersten Mal sah, hatte genau so eine Spinne verfolgt. Und hatte er über sie nicht sogar wie über eine Person gesprochen, statt über ein Tier? Vielleicht war es ja dasselbe Wesen!

Wir machen sofort kehrt und eilen zu Ycht zurück, doch wie befürchtet ist Ich bereits fort. Eine Nachricht zu hinterlassen lohnt nicht, denn er meint, Ich sei eine Art Sinnsat und komme nur alle paar Jahre vorbei, können auch mal hundert werden. Verflixt.


Unverrichteter Dinge ziehen wir also weiter in Richtung des ehemaligen Ipkunis und stehen drei Wochen später vor einem riesigen Krater: ein graues Loch im Gefüge der Ebene klafft wie eine große Wunde, von unten schweben langsam Erdteile hinauf und füllen die Leere. Was für eine vernichtende Kraft, die den kompletten Teil einer Ebene aus seinem angestammten Platz reißen und woanders hinschleudern konnte. Als ich im brennenden Ipkunis stand, hatte ich mir keine Gedanken gemacht über das, was an seinem alten Platz passiert sein könnte.

Etwas abseits finden wir tatsächlich die Statue, von der Aldred sprach: ein grobes Gebilde von uns, wie wir damals an der Großen Kanone in Erscheinung getreten waren, mit entstellten Gesichtern voller Fangzähne in aufgerissenen Mäulern und bösen Augen. Scheußlich.
Aber das schlimmste ist der Anblick von Kira und Begor. Nicht, weil sie künstlerisch furchtbar sind, sondern weil jeder, der sie so sehen und nicht selber kennen würde, für die Monster hielte, als die uns die Mönche gern darstellen. Und weil sie mich, trotz ihrer drohenden Gebärden, an meine geliebten Freunde erinnern, die nicht mehr bei uns sind.


Ig'nea reißt mich aus meinen traurigen Gedanken. Ich spüre, wie ihr Geist den meinen berührt und mit gefährlich süßer Stimme fragt: Juvanis, wo seid ihr?
Kurz darauf hat sie zu uns gefunden und fällt sofort über Luzija her, was ihr denn einfiele, sie grundlos nach Ipkunis zu schicken um nach irgendwelchen Problemen zu sehen, die es gar nicht gäbe. Luzi weist alle Schuld von sich, doch Ig'nea beharrt darauf, nach unserem Besuch in Tamra von ihr nach Ipkunis gesandt worden zu sein.

In diesen Streit mische ich mich lieber nicht ein sondern mache mich auf die Suche nach den Orks, die hier leben müssen. Irgendwer hat diese Statue schließlich aufgestellt.

Es dauert auch nicht lange da entdecke ich einen kleinen Trupp, wahrscheinlich Jäger auf der Suche nach Essbarem. Als sie mich erblicken weicht jede Farbe aus ihren dunklen Gesichtern, sie werfen sich bäuchlings in den Dreck und kauern zitternd und wimmernd vor mir. Ist mir beinahe ein wenig peinlich.
Mein Adler lockt schließlich die anderen herbei, und ich befehle einer der Flundern, uns in ihr Dorf zu bringen. Sofort springen sie auf und rasen wie vom Teufel gehetzt davon. Luzija genießt ihre Rolle als gefürchtete Göttin offensichtlich, mir bereitet sie Unbehagen. Ich will nicht mit Furcht und Unterdrückung in Verbindung gebracht werden.

Kurze Zeit später erreichen wir ihre Siedlung. Ein hochgefaßter Begriff, sie haben ein paar Zelte und Decken über Bodenlöcher gespannt, einige Herdfeuer brennen. Die Orks brüllen etwas in ihrer Sprache, und wo wir auch hinschauen lassen sie stehen was immer sie auch gerade taten und werfen sich mit dem Gesicht voran zu Boden, nackte Angst liegt in der Luft.
Unsere Führer bringen uns in einen weitläufigen, unterirdischen Bereich, hier also haben sie ihre ganze Arbeitskraft investiert. Kein Wunder, dass oben alles so behelfsmäßig aussieht.

Nach einer Stunde kommen wir am Ende eines Ganges im Ritualraum an: Ein grober Altar, noch mehr Statuen von uns, diesmal einzeln und offenbar mit Zuordnungen, an allem klebt Blut und es stinkt wie im Schlachthaus. Der anwesende Schamane wirft sich ebenfalls vor uns in den Staub, doch er hat seine Stimme nicht verloren. Zitternd und devot bittet er uns um den Grund unseres hohen Besuches, den sie doch gar nicht verdienten.

Naja, da hat er Recht, allerdings aus anderen Gründen als er denkt. Ich überlege mir schnell einen Plan, dann gebiete ich mit all meiner Überzeugungskraft, dass wir, ihre Götter, beschlossen hätten, dieses Gebiet zum Zentrum unserer Macht zu machen und da wir sie in die Freiheit geführt hätten, müßten sie nun diesen Ort auf Gedeih und Verderb bis zum letzten Ork verteidigen.
Es scheint, als wäre das genau in seinem Sinne, ich will mich schon zufrieden abwenden, da beschwert sich Ig'nea, dass sie keine Statue von sich sähe. Verzweifelt werfe ich ihr einen Blick zu, doch sie ignoriert mich. Wie sollte sie auch eine haben, sie war ja damals nicht dabei als wir die Große Kanone abfeuerten und das Unglück seinen Lauf nahm.
Der Schamane rutscht auf den Knien herum und bittet um Vergebung, wenn sie zum Pantheon gehöre, würde sie selbstverständlich sofort eine Statue vom besten Bildhauer bekommen.

Ich werfe einen Seitenblick auf meine Statue. Hauer wie ein wilder Eber, den Arm mit einer Keule zum Schlag erhoben, völlig überproportionierte .... also wenn das die Arbeit ihres besten Bildhauers ist, bedaure ich Ig'nea schon jetzt.
Doch sie ist ab heute die glückliche neue Patronin des Herdfeuers.

Dann meint auch noch Furgas, er kenne sich mit den Riten solcher Barbaren aus und zertrümmert als erstes mal den Altar. Die Augen des Schamanen werden weit, jedoch nicht annähernd so weit wie meine. Ist er noch ganz dicht? Es lief so gut bis eben!
Wenigstens kann er sich irgendwie herausreden, indem er mehr Schädel und noch mehr Ekelhaftes darin verlangt.

Endlich gelingt es mir, die anderen aus dem Ritualraum zurück in die Gänge zu manövrieren, doch der Schamane klebt an meinen Füßen wie eine Klette. In gebührendem Abstand und auf allen Vieren, aber unnachgiebig. Wäre ich nur halb so gemeingefährlich wie es mein Bildnis vermuten läßt, wäre er jetzt nur noch ein Häufchen Asche.
Aber so steigen wir schicksalsergeben im Schneckentempo wieder ans Tageslicht und ringen uns ein paar epische Geschichten für ihre Erzähler ab. Von wegen die Unbarmherzigen, Freien, von den anderen Göttern gehaßt, gefürchtet und gejagt, dennoch immer siegreich und so weiter. Der Schamane saugt unsere Worte auf wie ein trockener Schwamm die Regentropfen. Hoffentlich sind ihre Geschichtenerzähler besser als ihre Bildhauer.


Oben angekommen liegt die Gemeinde noch immer im Dreck. Luzija möchte auch einen Beitrag leisten und läßt einen gewaltigen Meteor vom Himmel stürzen, der eine Schneise der Vernichtung im Grasland neben der Siedlung hinterläßt. Dort, so verkündet sie, sollen die Orks ihr Dorf erweitern.
Tatsächlich haben einige der Orks es gewagt, beim Aufprall des Meteors den Kopf zu heben und Elidan fühlt sich bemüßigt, einen von ihnen effektvoll zu peinigen. Auch Luzija will in guter orkischer Manier ein Exempel statuieren, doch leider geht diesmal ihr Gehüpfe buchstäblich nach hinten los und der Blitz, der aus ihren Klauen fährt, trifft sie selbst. Geistesgegenwärtig packe ich sie und tue so, als ob ich ihr das zugefügt hätte, während ich laut verkünde, dies sei die Strafe, die ich einer Göttin zufüge - wieviel gewaltiger würde da die Strafe für einen neugierigen Ork ausfallen?

Das hat gesessen, von nun an schnüffeln alle intensiv an den Regenwürmern und wir können nach einer letzten Ermahnung des Schamanen einen würdevollen Abflug machen. Natürlich läßt es Luzijas gekränkte Seele nicht zu, zu gehen ohne einen Ork aufgelöst zu haben. Diese sadistische Ader ist einfach nicht aus ihrem Blut zu bekommen, denke ich mir kopfschüttelnd.


Aber wir waren erfolgreich. Ohne Gesichtsverlust auf unserer Seite und mit nur minimalen Verlusten bei den Orks, insbesondere im Vergleich zu den Besuchen die sie sonst von ihren Göttern erhalten, haben wir sichergestellt, dass die chaotische Tendenz im Bereich des ehemaligen Ipkunis erhalten bleibt.
Ob es allerdings ausreicht, das wird die Zeit zeigen müssen.
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1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Wahrlich immer wieder ein Augenschmaus das zu lesen...

12:47  

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