Juvanis

Samstag, Juli 14, 2007

Der Entfesselte

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Wir haben die Siedlung der Orks in sicherer Entfernung hinter uns gelassen. Ich bin zufrieden mit unserem Ergebnis, doch Luzija ist viel mehr als das - sie ist beinahe euphorisch. Die böse Göttin spielen zu dürfen hat ihr schon immer gefallen, doch jetzt hat sie der Übermut gepackt, denn sie schlägt vor, es endlich den Mönchen heimzuzahlen.

Ig'nea ist natürlich Feuer und Flamme, auch die anderen haben keine Einwände. Selbst Furgas hält es für eine gerechte Sache, und obwohl ich das Gemetzel scheue, genügt ein Blick auf die linkische Statue von Kira und Begor, um meine Zweifel zu ersticken.
Wie schon beim letzten Versuch hat Elidan jedoch noch Vorbereitungen in Ipkunis zu treffen und nimmt Goin und Alceron gleich mit, um dort nach dem Rechten zu sehen. Im Grunde haben die beiden ja auch nichts mit den Mönchen zu tun, das ist unser Problem.

In Man's End löse ich kurzerhand mein Ur'epona aus seiner gemütlichen Pflege, dann versetzt uns Luzija unter mächtigem Getöse auf die Außenländer, das altbekannte gelbe Gras umfängt uns.Während wir auf Elidans Rückkehr warten, erlege ich einen Bären und ziehe ihm das Fell über die Ohren. Falls wir irgendwann wieder nach Kront müssen, wird es mich bestimmt schön wärmen.

Das Fleisch brutzelt und duftet verführerisch über dem kleinen Feuer, das Ig'nea entzündet hat, so macht Warten Spaß. Als Elidan endlich auf unserer Ebene auftaucht dauert es noch eine Weile, bis unsere Magier ihm den richtigen Weg zu uns weisen können, mein Adler war ebenso wie Furgas keine große Hilfe bei der Suche. Doch vielleicht liegt das auch an seinem vollen Magen. Jetzt verstehe ich, was Elidan in Ipkunis wollte: wie auch immer er es angestellt hat, er sieht wieder ganz so aus wie früher. Keine Klingenreben zieren mehr seinen Kopf, auch der Höcker ist weg.
Wir stärken uns und malen Schlachtpläne in den trockenen Sand, überlegen hin und her und einigen uns schließlich auf eine Taktik.

Wer hätte gedacht, dass ich einmal Fallen- und Jagdtechniken, die mir meine Vorfahren im Dorf beigebracht haben, gegen andere Menschen einsetzen würde. Dass ich ruhig an einem gemütlichen Lagerfeuer mit meinen Freunden sitzen, Bärenfleisch verspeisen und den Tod von Hunderten planen würde.
Doch haben wir denn eine Wahl? Ich kann es drehen wie ich will, ich erkenne keine Alternative, die nicht mit entweder ihrem oder unserem Tod enden würde. Und bei allem Edelmut, für ihren fanatischen Glauben bin ich nicht bereit, meine Freunde und mich selbst zu opfen.


Beim Einbruch der Dunkelheit ziehen wir in die Schlacht.

Alles läuft wie nach Plan: Luzija tanzt in sicherer Entfernung die magische Hütte herbei, in der wir für die Augen und Ohren der Wächter unsichtbar sind egal wie sehr sie herumhüpft und singt, und schweben darin wie ein unheilvoller Schatten der Vernichtung über die Festung. Von oben sieht sie noch trutziger und abweisender aus.


Und dann, in dieser sternenlos finsteren Nacht, entfesseln wir zum ersten Mal ganz bewußt den Höllenhund Zerstörung.


Zur Eröffnung fauchen drei glühende Meteore aus der Hütte herab, erhellen für einen Moment lang grotesk die Dunkelheit und schlagen dann donnernd in der Zitadelle ein, wo sie drei tiefe Krater in den Stein reißen.
Wir schwärmen aus: Ig'nea hat sich in einen gigantischen roten Drachen verwandelt, der sich unter wildem Gebrüll an die noch intakten Zinnen krallt und den Atem seiner feurigen Lungen in die Löcher bläst. Ich nutze meine Magie, um selbst das gelbe Gras meiner Heimat zu unseren Verbündeten zu machen, damit es sich um die Flüchtenden schlingt und sie an der Flucht hindert. Gerade im rechten Augenblick, denn da springt das Tor auf und einige Mönche taumeln heraus.

Ich höre ihre Schreie. Panik, Haß, Schmerz. Todesschreie. Doch es gibt kein Zurück mehr, der dreiköpfige Höllenhund ist von der Leine und tobt schwanzwedelnd seinen wahnsinnigen Zorn an ihnen aus.
Ich ziehe meinen Bogen, doch meine Seele weint.

Der Kampf entfaltet seine volle Scheußlichkeit und verdient nur noch einen Namen: Massaker.

Der nachtschwarze Himmel hat sich im Feuerschein des magischen Gewitters blutrot gefärbt, Schreie und Kampflärm mischen sich zu einer Kakophonie des Grauens in meinen Ohren.
Ig'nea verfärbt sich hin und wieder, spuckt Säure, Eis und Blitze, giftige Wolken wabern durch die Zitadelle und verpesten die Luft mit ihrem tödlichen Hauch, Elidan läßt abwechselnd Feuer und Eis auf die Todgeweihten prasseln. Furgas und ich beschäftigen uns mit den Flüchtenden, unterstützt von einer Horde wilder Tiger.

Plötzlich geht ein markerschütterndes Krachen durch die Zitadelle: ein Teil der Basis hat sich in Schlamm aufgelöst, und von seiner eigenen Last erdrückt bricht der gewaltige Steinturm langsam in sich zusammen. Einige Mönche springen noch rechtzeitig durch die Mauer hinaus, doch da werden sie bereits von uns erwartet. Außerdem versperrt eine sengende Feuerwand ihren Weg, beschworen durch Luzija, die wie eine rachsüchtige Todesgöttin über der Zitadelle schwebt und eine Salve nach der anderen feuert. Nahrung für den Höllenhund.

Furgas fängt einen der Springenden und beginnt einen Ringkampf mit ihm, scheinbar will er ihn, wie abgesprochen, zum Verhören gefangen nehmen. Doch der wehrt sich rasend, beschimpft ihn als Schlächter und Massenmörder. Einige todesmutige Mönche haben sich ebenfalls von Flucht zu Kampf gewandt und beharken uns.
Auch Ig'nea versucht einen Flüchtenden aus der Luft zu pflücken, unterschätzt dabei jedoch die Kraft ihrer Klauen und zerquetscht ihn zu Brei. Doch da es ihr nicht an Kandidaten mangelt, übt sie weiter und kann schließlich zwei Gefangene mit ihrem paralysierenden Gas bewußtlos pusten, bevor sie schwer angeschlagen den Rückzug antreten muß.


Eine halbe Stunde später ist der grausige Spuk endlich vorbei.
Satt und zufrieden hat sich der Höllenhund auf den rauchenden Trümmern der einst stolzen Mönchsfeste zusammengerollt und döst, die riesigen Pranken auf die überall verstreut liegenden, übel zugerichteten Leichen gebettet. Selbst das Land um uns herum hat tiefe Narben davongetragen, der verwüsteten Landschaft um den Goldenen Tempel in Irkbaz nach dem Kampf zwischen Brenell und Aldreds Leuten nicht unähnlich.

Unser kreischender Derwisch ist noch auf Verfolgungsjagd nach den wenigen Flüchtigen, die es aus dem Kreis der Vernichtung um uns herum geschafft haben, ich kümmere mich um Ig'neas Wunden und auch Elidan und Furgas unterstützen mich tatkräftig. Sie hat eine Menge abbekommen, kein Wunder, bot sie doch auch das prominenteste Ziel.
Aber ihr Wille ist wie das Feuer: eben glomm da nur noch ein schwaches Flämmchen, kurz vorm Verlöschen, doch kaum legt man ein wenig Holz nach, lodert es wieder auf und will verzehren. Daher macht sie sich auch gleich über die Gefangenen her und beginnt sie zu verhören.

Eigentlich hatte ich mir ein Verhör anders vorgestellt. Ich kenne Furgas' Art: erst die Tür eintreten und dann im Namen Torms mit Dorn am Hals des anderen Fragen stellen. Oder Luzijas Art: erst die Tür eintreten, sich ausziehen und dann mit dem Klauen am Hals des anderen Fragen stellen. Oder Goins Art: jemandem väterlich auf die Schulter klopfen, ein Bier ausgeben oder auch fünf, ein Liedchen trällern und dann einfach nur zuhören.
Doch Ig'nea hat ihre eigene Version. Sie setzt sich ruhig hin, legt den Kopf des Bewußtlosen in ihren Schoß, schließt ihre Augen und macht - gar nichts. Jedenfalls scheint es so. Ob es dasselbe ist, was sie tut wenn sie Visionen von Orten hat? Ich bin jedenfalls sehr auf ihre Ergebnisse gespannt.

Bevor es soweit ist, gibt es jedoch noch eine unangenehme Pflicht zu erfüllen. Zusammen mit Furgas trage ich die von schrecklichen Qualen gezeichneten Leichen zusammen, keine schöne Arbeit, doch anders als nach unserer ersten Begegnung mit ihnen spüre ich diesmal Mitleid in meinem Herzen. Begor und Kira sind gerächt, doch das Ergebnis war nur noch mehr Tod und Leid. Sie hätten es nicht gewollt, und diese hier waren im Grunde chancenlos gegen uns. Doch vielleicht hat all das jetzt endlich ein Ende.
Schließlich hält Furgas eine kleine Zeremonie ab und wir übergeben die Toten dem Feuer.


Eine Woche lang harren wir am Werk unserer Zerstörung aus. Luzija wühlt sich wie ein Maulwurf durch die Ruinen der Festung und fördert hin und wieder etwas zu Tage, das dem magischen Inferno standgehalten hat. So spartanisch diese Mönche sich gegeben haben mögen, sie haben ganz schöne Reichtümer angehäuft. Ich erinnere mich daran, was Luzija über das Ritual erzählt hatte: es koste ein kleines Vermögen, allein für die Heiltränke.

Ig'neas Befragungsmethode zeigt sich im Nachhinein brutaler als das, was Furgas oder Luzija ihren Opfern zufügen, denn wenigstens können die nach dem Verhör noch klar denken und sterben nicht wenige Tage später an den Folgen. Ich wünschte, sie wäre nicht ganz so rücksichtslos diesen Menschen gegenüber.
Aber das, was sie uns dann erzählt, ändert doch einiges an meiner Meinung über diese Mönche:


>>

Der Oberste des Ordens ist ein Gitzerai namens Trik'ten. Er bestimmt, wer ein Frevler und damit zu töten ist. Den Mord an Begor und Kira gibt er offen zu. Die Frevler kommen immer aus dem Baumportal in der Tierwelt, deshalb haben sie dort Spione stationiert, und die Frevler zeichnen sich dadurch aus, dass sie die grundlegende Existenz der Dinge gefährden.

Wer dem Orden beitritt, dem werden alle Sünden vergeben, folglich rekrutieren sich die Mitglieder zum größten Teil aus jenen, die in ihrem Leben Schlimmes angestellt haben und sich nun doch vor den Konsequenzen fürchten, die das auf ihren Bestimmungsort nach dem Tode haben wird. Vermutlich gibt es noch andere Klöster obwohl es nur dieses eine geben soll, doch ab und an kommen gut ausgebildete Mönche hierher zu Besuch, die niemand genauer kennt.

Unsere Heimat ist unzugänglich und vor den Göttern sicher. Brenell ist ihnen bekannt und soll sterben, jedoch kann man nicht offen gegen ihn vorgehen. Außerdem kommt der Anführer der Xaositekten in Sigil aus dem Dorf, ein weiterer ist bei den Göttermenschen abgetaucht. Fells Tätowierungen nutzen die Mönche, um uns aufzuspüren, wenn man etwas von uns besitzt ist das möglich.
Dann verrät er noch das Versteck eines Bunkers.

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Also ist dieser Orden nichts weiter als eine von irgendeinem Gott angeheuerte Söldnerarmee von Halunken, Mördern und Wahnsinnigen? Mit dem Versprechen von Sündenerlaß kaufen sie sich ihre bedingungslose Loyalität und lassen sie ihren Krieg austragen.

Doch warum gegen uns? Wieso gefährden wir die Existenz aller Dinge? Hätten sie uns nicht angegriffen und versucht uns zu töten, hätten wir sie doch in Ruhe gelassen. Fürchten sie nicht das, was wir sind, sondern das, was wir noch werden können? Dieser Gedanke leuchtet mir ein. Wenn immer mehr Wesen wie Brenell diese Welt bevölkerten, wäre das schon eine gewaltige Veränderung.

Luzija denkt da wesentlich praktischer. Sie schnappt Ig'nea und bringt sie in den geheimen Bunker, dort erspürt sie, dass tatsächlich zwei fremde Mönche bis hierher gelangt waren. Einen davon hat Luzija auf der Flucht getötet, doch ein anderer ist noch am Leben, kriecht auf allen vieren durchs Gras. Willensstark sind sie, das muß man ihnen lassen. Wieder spielt Ig'nea an seinem Hirn herum, damit er sich nicht selbst umbringen kann, dann bergen wir den Hilflosen und sie kann uns kurz darauf stolz verkünden:
Es gibt zwar kein zweites Kloster, aber in der Nähe des Baumportals gibt es eine Klause mit neun weiteren Mönchen. Sie sind die Schnelleingreiftruppe, bestehend aus den besten aber auch schlimmsten unter ihnen, daher die Isolation. So ganz scheinen die Götter wohl doch nicht auf die Läuterung durch Ablaß zu vertrauen. Jener hier zum Beispiel war ein Massenmörder, und diemal habe noch nicht einmal ich Einwände, als Ig'nea sein Leben beendet.

Hoffentlich haben diese Götter gelogen und er kommt für seine Taten in die tiefste Hölle, die er verdient hat.
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Sonntag, Juli 08, 2007

Von Gärtnern und Göttern

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Bis zum Einbruch der Dunkelheit fliegt unsere Gruppe über den See, den die Drachkin einst das Auge des Tages nannten. Unser Ziel ist Ychts Garten, nicht so sehr weil wir eine genaue Vorstellung hätten, was wir dort zu erwarten haben, sondern weil uns die Spuren nach dem Baby ausgegangen sind. Mit viel Glück weiß der alte Drache Ycht ja etwas, sein Garten liegt nahe genug am Zentrum der ganzen Geschehnisse, und er wacht eifersüchtig über dessen Unversehrtheit.

Bevor es völlig finster wird, tanzt Luzija ihren magischen Unterschlupf herbei und dankbar falte ich meine müden Flügel zusammen. Es war ein anstrengender Tag, ich recke und strecke meine Knochen, höre mit halbem Ohr Elidan etwas über seine Bedenken bezüglich Jarvis sagen, die alte Diskussion, da spüre ich plötzlich, wie jemand mich umarmt, sichtbar wird - und Jarvis steht lächelnd in der Hütte!
Wie erwartet spalten sich die Lager: Furgas verläßt augenblicklich den Raum, Elidan sucht nach intriganten Motiven, doch die anderen sehen es gelassener.
Ich verstehe die ganze Unruhe nicht, bei Ig'nea und Sam hatten sie sich auch nicht beschwert, und wir waren sogar noch viel diskreter. Zumindest damit ist es jetzt vorbei, denn nach so langer Trennung muß das Wiedersehen gefeiert werden.


Anderntags setzen wir unsere Reise erholt und glücklich fort, und nach zwölf anstrengenden Flugtagen über den See, die Straße am Fluß entlang bis zu dem kleinen Aussichtsturm, von dem aus der Weg zu Ychts Garten abzweigt, erreichen wir endlich die Ausläufer der weitläufigen Anlage.

Grünfläche soweit das Auge reicht, seltene Pflanzen, Blumen mit herrlich bunter Farbenpracht wachsen hier ungestört - ein wahres Paradies. Es spannt sich sogar ein Stück blauer Himmel über dieses Land und die Sonne scheint! Jetzt erst bemerken wir, dass sich an Furgas' Schulter ein paar goldene Hornschuppen gebildet haben, die im Licht schimmern und Goins Augen zum Funkeln bringen. Ich frage mich, wie weit unser Paladin wirklich von diesem Drachengeist in ihm beherrscht wird, dass er nun sogar schon äußerliche Merkmale zeigt.

Doch bald schon nimmt die Natur wieder meine Aufmerksamkeit in Beschlag. Nach zwei Tagen auf der Wiese kommen wir an eine Waldgrenze. Hier wachsen so viele Baumsorten, die ich noch gar nicht kenne, nie allzu viele von einer Sorte aber auch nie einer alleine. Pilze, Moose und Farne bedecken das Unterholz und ich komme mir ein wenig wie in einem verwunschenen Zauberwald vor.
Achtsam nichts zu beschädigen, schweben wir zwischen den Baumstämmen hindurch und gelangen nach weiteren drei Tagen an einer Hütte an, vor der ein älterer, grauhaariger Mann sitzt und uns freundlich begrüßt. Da wir Alceron bereits alles, was wir selbst über Ycht wissen, erzählt haben, macht er gleich einen guten Eindruck und schenkt ihm ein paar Eicheln von seiner Heimatwelt. Wir werden daraufhin zu einer herzhaften Brotzeit eingeladen, alle außer Ig'nea, doch leider interessiert sich Ycht nicht besonders für die Geschehnisse in den Ebenen. Er nennt es alles nur „Abenteurerkram“ und will nichts damit zu tun haben. So alt wie er ist, älter als die Insel im See die er schon sechs Mal in Aktion gesehen hat, gibt ihm das nichts mehr. Er kümmert sich lieber um seine Feenwelt.
Auf einmal kommt eine aufrechtgehende, humanoide Spinne angerannt und setzt sich zu uns. Ycht grüßt das Wesen wie einen alten Bekannten und stellt es als „Ich“ vor. Ein einzigartiges Wesen, weder männlich noch weiblich, aber schon ein wenig furchteinflößend. Seltsam.

Nach einigen Scheiben Brot lassen wir uns den Weg zu den Orks weisen und brechen auf; Ycht kann oder will sich nicht mit den Problemen der Ebenen beschäftigen und weiß auch nichts über das Baby.
Fünf Tage später haben wir die Waldgrenze vor Ipkunis erreicht, da fällt Luzija plötzlich ein, dass sie Ich schon einmal begegnet ist: Dilus, der Teufel den sie im Grasland unserer Heimat zum ersten Mal sah, hatte genau so eine Spinne verfolgt. Und hatte er über sie nicht sogar wie über eine Person gesprochen, statt über ein Tier? Vielleicht war es ja dasselbe Wesen!

Wir machen sofort kehrt und eilen zu Ycht zurück, doch wie befürchtet ist Ich bereits fort. Eine Nachricht zu hinterlassen lohnt nicht, denn er meint, Ich sei eine Art Sinnsat und komme nur alle paar Jahre vorbei, können auch mal hundert werden. Verflixt.


Unverrichteter Dinge ziehen wir also weiter in Richtung des ehemaligen Ipkunis und stehen drei Wochen später vor einem riesigen Krater: ein graues Loch im Gefüge der Ebene klafft wie eine große Wunde, von unten schweben langsam Erdteile hinauf und füllen die Leere. Was für eine vernichtende Kraft, die den kompletten Teil einer Ebene aus seinem angestammten Platz reißen und woanders hinschleudern konnte. Als ich im brennenden Ipkunis stand, hatte ich mir keine Gedanken gemacht über das, was an seinem alten Platz passiert sein könnte.

Etwas abseits finden wir tatsächlich die Statue, von der Aldred sprach: ein grobes Gebilde von uns, wie wir damals an der Großen Kanone in Erscheinung getreten waren, mit entstellten Gesichtern voller Fangzähne in aufgerissenen Mäulern und bösen Augen. Scheußlich.
Aber das schlimmste ist der Anblick von Kira und Begor. Nicht, weil sie künstlerisch furchtbar sind, sondern weil jeder, der sie so sehen und nicht selber kennen würde, für die Monster hielte, als die uns die Mönche gern darstellen. Und weil sie mich, trotz ihrer drohenden Gebärden, an meine geliebten Freunde erinnern, die nicht mehr bei uns sind.


Ig'nea reißt mich aus meinen traurigen Gedanken. Ich spüre, wie ihr Geist den meinen berührt und mit gefährlich süßer Stimme fragt: Juvanis, wo seid ihr?
Kurz darauf hat sie zu uns gefunden und fällt sofort über Luzija her, was ihr denn einfiele, sie grundlos nach Ipkunis zu schicken um nach irgendwelchen Problemen zu sehen, die es gar nicht gäbe. Luzi weist alle Schuld von sich, doch Ig'nea beharrt darauf, nach unserem Besuch in Tamra von ihr nach Ipkunis gesandt worden zu sein.

In diesen Streit mische ich mich lieber nicht ein sondern mache mich auf die Suche nach den Orks, die hier leben müssen. Irgendwer hat diese Statue schließlich aufgestellt.

Es dauert auch nicht lange da entdecke ich einen kleinen Trupp, wahrscheinlich Jäger auf der Suche nach Essbarem. Als sie mich erblicken weicht jede Farbe aus ihren dunklen Gesichtern, sie werfen sich bäuchlings in den Dreck und kauern zitternd und wimmernd vor mir. Ist mir beinahe ein wenig peinlich.
Mein Adler lockt schließlich die anderen herbei, und ich befehle einer der Flundern, uns in ihr Dorf zu bringen. Sofort springen sie auf und rasen wie vom Teufel gehetzt davon. Luzija genießt ihre Rolle als gefürchtete Göttin offensichtlich, mir bereitet sie Unbehagen. Ich will nicht mit Furcht und Unterdrückung in Verbindung gebracht werden.

Kurze Zeit später erreichen wir ihre Siedlung. Ein hochgefaßter Begriff, sie haben ein paar Zelte und Decken über Bodenlöcher gespannt, einige Herdfeuer brennen. Die Orks brüllen etwas in ihrer Sprache, und wo wir auch hinschauen lassen sie stehen was immer sie auch gerade taten und werfen sich mit dem Gesicht voran zu Boden, nackte Angst liegt in der Luft.
Unsere Führer bringen uns in einen weitläufigen, unterirdischen Bereich, hier also haben sie ihre ganze Arbeitskraft investiert. Kein Wunder, dass oben alles so behelfsmäßig aussieht.

Nach einer Stunde kommen wir am Ende eines Ganges im Ritualraum an: Ein grober Altar, noch mehr Statuen von uns, diesmal einzeln und offenbar mit Zuordnungen, an allem klebt Blut und es stinkt wie im Schlachthaus. Der anwesende Schamane wirft sich ebenfalls vor uns in den Staub, doch er hat seine Stimme nicht verloren. Zitternd und devot bittet er uns um den Grund unseres hohen Besuches, den sie doch gar nicht verdienten.

Naja, da hat er Recht, allerdings aus anderen Gründen als er denkt. Ich überlege mir schnell einen Plan, dann gebiete ich mit all meiner Überzeugungskraft, dass wir, ihre Götter, beschlossen hätten, dieses Gebiet zum Zentrum unserer Macht zu machen und da wir sie in die Freiheit geführt hätten, müßten sie nun diesen Ort auf Gedeih und Verderb bis zum letzten Ork verteidigen.
Es scheint, als wäre das genau in seinem Sinne, ich will mich schon zufrieden abwenden, da beschwert sich Ig'nea, dass sie keine Statue von sich sähe. Verzweifelt werfe ich ihr einen Blick zu, doch sie ignoriert mich. Wie sollte sie auch eine haben, sie war ja damals nicht dabei als wir die Große Kanone abfeuerten und das Unglück seinen Lauf nahm.
Der Schamane rutscht auf den Knien herum und bittet um Vergebung, wenn sie zum Pantheon gehöre, würde sie selbstverständlich sofort eine Statue vom besten Bildhauer bekommen.

Ich werfe einen Seitenblick auf meine Statue. Hauer wie ein wilder Eber, den Arm mit einer Keule zum Schlag erhoben, völlig überproportionierte .... also wenn das die Arbeit ihres besten Bildhauers ist, bedaure ich Ig'nea schon jetzt.
Doch sie ist ab heute die glückliche neue Patronin des Herdfeuers.

Dann meint auch noch Furgas, er kenne sich mit den Riten solcher Barbaren aus und zertrümmert als erstes mal den Altar. Die Augen des Schamanen werden weit, jedoch nicht annähernd so weit wie meine. Ist er noch ganz dicht? Es lief so gut bis eben!
Wenigstens kann er sich irgendwie herausreden, indem er mehr Schädel und noch mehr Ekelhaftes darin verlangt.

Endlich gelingt es mir, die anderen aus dem Ritualraum zurück in die Gänge zu manövrieren, doch der Schamane klebt an meinen Füßen wie eine Klette. In gebührendem Abstand und auf allen Vieren, aber unnachgiebig. Wäre ich nur halb so gemeingefährlich wie es mein Bildnis vermuten läßt, wäre er jetzt nur noch ein Häufchen Asche.
Aber so steigen wir schicksalsergeben im Schneckentempo wieder ans Tageslicht und ringen uns ein paar epische Geschichten für ihre Erzähler ab. Von wegen die Unbarmherzigen, Freien, von den anderen Göttern gehaßt, gefürchtet und gejagt, dennoch immer siegreich und so weiter. Der Schamane saugt unsere Worte auf wie ein trockener Schwamm die Regentropfen. Hoffentlich sind ihre Geschichtenerzähler besser als ihre Bildhauer.


Oben angekommen liegt die Gemeinde noch immer im Dreck. Luzija möchte auch einen Beitrag leisten und läßt einen gewaltigen Meteor vom Himmel stürzen, der eine Schneise der Vernichtung im Grasland neben der Siedlung hinterläßt. Dort, so verkündet sie, sollen die Orks ihr Dorf erweitern.
Tatsächlich haben einige der Orks es gewagt, beim Aufprall des Meteors den Kopf zu heben und Elidan fühlt sich bemüßigt, einen von ihnen effektvoll zu peinigen. Auch Luzija will in guter orkischer Manier ein Exempel statuieren, doch leider geht diesmal ihr Gehüpfe buchstäblich nach hinten los und der Blitz, der aus ihren Klauen fährt, trifft sie selbst. Geistesgegenwärtig packe ich sie und tue so, als ob ich ihr das zugefügt hätte, während ich laut verkünde, dies sei die Strafe, die ich einer Göttin zufüge - wieviel gewaltiger würde da die Strafe für einen neugierigen Ork ausfallen?

Das hat gesessen, von nun an schnüffeln alle intensiv an den Regenwürmern und wir können nach einer letzten Ermahnung des Schamanen einen würdevollen Abflug machen. Natürlich läßt es Luzijas gekränkte Seele nicht zu, zu gehen ohne einen Ork aufgelöst zu haben. Diese sadistische Ader ist einfach nicht aus ihrem Blut zu bekommen, denke ich mir kopfschüttelnd.


Aber wir waren erfolgreich. Ohne Gesichtsverlust auf unserer Seite und mit nur minimalen Verlusten bei den Orks, insbesondere im Vergleich zu den Besuchen die sie sonst von ihren Göttern erhalten, haben wir sichergestellt, dass die chaotische Tendenz im Bereich des ehemaligen Ipkunis erhalten bleibt.
Ob es allerdings ausreicht, das wird die Zeit zeigen müssen.
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Widerstandskämpfer

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Unter uns fliegt eine vom Krieg gezeichnete Landschaft dahin. Kein Baum hat dem rücksichtslosen Vormarsch der Baatezu standhalten können, und von einem niedergetrampelten, von Holzspäne übersäten Feld sehen wir tiefe Radspuren gen Tamra führen. Sie haben schweres Geschütz aufgefahren.

Gerade als wir auf der Suche nach einem Platz für unser Nachtlager sind, entdecken wir plötzlich unterhalb der Böschung einen einsamen Fremden. Als wir uns ihm in schnellem Flug nähern, zieht er seinen Bogen, doch dann siegt Vernunft über Tollkühnheit. Er scheint auch ansonsten ein recht angenehmer Bursche zu sein, wenn auch ziemlich planlos. Sein Name ist Alceron, und er stammt von derselben Materierwelt wie Goin.
Doch dann trifft uns fast der Schlag: Alceron ist nicht etwa aus Versehen durch ein Portal gestolpert und hier gelandet - Brenell hat ihn hergebracht! Sofort untersucht Goin diesen neuen Sachverhalt und kann tatsächlich bestätigen, dass Alceron von Brenell als unfreiwilliger Spion mißbraucht wird, sogar seinen Aufenthaltsort kann er erkennen. Furgas und Detritor stürmen los.

Doch was bringt es uns, ihn aufzusuchen? Wir wissen doch längst, dass Brenell nicht frei mit uns sprechen kann. Alles, was wir je an Hinweisen von ihm bekamen waren Brotkrumen, die erst um unzählige Ecken zum eigentlichen Ziel führten, da alles Direktere von den Verträgen unterbunden wurde. Was sollte also eine Konfrontation bringen?
Luzijas Idee finde ich viel besser: wohlwissend, dass Brenell jedes Wort mitbekommt, erzählt sie ihm die Legende von Orth und läßt ihn dadurch wissen, was wir bereits herausgefunden haben und dass wir, die Kinder des Dorfes, zusammenhalten und ihm helfen werden. Auch für die Waffen bedankt sie sich. Alceron ist völlig verdattert, warum wir ihm solche seltsamen Dinge erzählen, doch da hat Elidan schon Brenells Zauber gebannt.

Furgas und Detritor kehren zurück. Wie erwartet hat Brenell ihnen nichts verraten, doch allein dass die beiden lebendig vom Konzept des Todes zurückgekehrt sind, sagt schon genug über sein Wohlwollen aus. Nur einen schwarzen Wurfstern hat er nach Furgas geworfen und damit seine Rüstung beschädigt. Auch dieses kleine Biest ist aus des Zwergen Schmiede, der kaltgeschmiedetes Adamant herstellen kann.


Und dann folgt der Auftakt für einen der verrücktesten Abende, den wir seit langem hatten. Und das will etwas heißen:

Als hätten wir ihn beschworen, sehen wir nämlich wirklich einen Zwerg herannahen. Wo kommt der auf einmal her? Für einen Zwerg ist er ein wahrer Hüne, schwer gerüstet und mit dem Zeichen des Zwergenvaters Moradin auf dem Schild. Ohne uns andere auch nur eines Blickes zu würdigen, tritt er auf Goin zu und spricht mit ihm in einer eigenartigen, harten Sprache. Detritors Schwert an seinem Hals beachtet er noch nicht einmal, sondern dreht sich nach den wenigen Worten um und verschwindet wieder. Was war denn das? Doch Goin schweigt und läßt sich nicht abringen, was der Fremde wollte. Woher kannte er ihn überhaupt?

Alceron, dem wir in kurzen Sätzen etwas mehr über Brenell erzählen ohne dabei Kopfschmerzen zu riskieren, erkennt offenbar sein Glück und beschließt, uns Treue zu schwören. Ein seltsames Gefühl, ein wenig erinnert es mich an die Menschen von Ipkunis, ihre Sehnsucht nach einem Anführer. Doch er macht einen ehrlichen Eindruck, und er mag Tiere, das gefällt mir.

Während mein Adler einen Kreis über Tamra fliegt, gehe ich auf Jagd nach unserem Abendessen. Ein großer Feuerkäfer läuft mir vor den Bogen, und mit Ig'neas Hilfe garen wir ihn zu einem annehmbaren Braten.
Beim Essen in Luzijas magischer Hütte erzählt Alceron mehr über die Umstände, die zu seiner Ankunft auf den Ebenen geführt haben: Offenbar hat Brenell auf seiner Heimatwelt für einige Unruhen bei den dortigen Drow gesorgt, indem er eine ihrer Mutter Oberinnen getötet hat. Zuerst erscheint es uns unlogisch, warum Brenell seinem eigenen Volk schaden würde, doch dann folgert Luzija, dass es ein Auftragsmord war und dass durch diese Tat den Feinden der Baatezu, den Tanar'ri, Schaden zugefügt werden sollte. Die höchste Gottheit der Drow ist nämlich Lolth, die Spinnenkönigin aus dem Abyss, und was ihrer Anhängerschaft in der Prime schadet, wirkt sich auch direkt auf sie aus.
Alceron hatte den Problemen auf den Grund gehen wollen und war auf Brenell gestoßen, der hatte ihn kurzerhand mit hierhergenommen. Einen seltsamen Humor hat der. Nur gut, dass er auf uns getroffen ist und nicht auf die Armeen vor Tamra.

Furgas zieht mich am Ärmel und bittet mich auf ein Wort nach draußen.
Endlich können wir ein klärendes Gespräch führen und die Probleme zwischen uns aus der Welt schaffen, ich hatte schon beinahe geglaubt, von dem lustigen und vergebenden Furgas sei nichts mehr übrig geblieben. Es tut gut, wieder mit ihm reden zu können.

Glücklich klettere ich in die Hütte und mache es mir auf meinem Bett bequem, da schlüpft plötzlich Ig'nea zu mir und fängt erst an, mich zu umarmen, dann Löcher ins Laken zu brennen. Ist sie denn völlig von Sinnen?
Auch Luzija und Goin streiten sich, sie redet irgendetwas von einem schwarzen Tentakel auf seinem Kopf, doch ich kann nichts entdecken. Haben sie etwa Alcerons Pfeifenkraut nicht vertragen oder was ist hier los?
Bevor Ig'nea meine Flügel ansengen kann, räume ich widerwillig mein Bett und versuche in der engen Hütte zu einem anderen Schlafplatz zu kommen, ohne von der aufgeregten Luzi umgerempelt zu werden. Doch da schnappt sie sich plötzlich Goin und beginnt eine wilde Knutscherei, sie reißen sich die Kleider vom Leib und ich weiß gar nicht, in welchem verrückten Traum ich mich gerade befinde. Dann fliegen die beiden Wildgewordenen in den schwarzen Nachthimmel und in der Hütte kehrt endlich Ruhe ein. Naja, abgesehen von Schreien, Stöhnen und anderen Geräuschen, die die beiden stundenlang produzieren.

Ich stehe noch lange völlig verdattert in der Hütte, ebenso wie Detritor. Ig'nea hat uns den Rücken zugedreht und scheint zu schlafen, als ob alles völlig normal wäre. Elidan, Furgas und Alceron hatten ja bereits das Feld geräumt. Schließlich lege auch ich mich kopfschüttelnd zu Bett. Was ist bloß los mit meinen Freunden?



Als ich spät am nächsten Morgen erwache, blicke ich direkt in Goins Gesicht. Übelkeit durchfährt mich wie ein Blitz, noch nie war mir bewußt wie abgrundtief häßlich Goin ist. Das ist schon fast nicht mehr möglich, als Sterblicher so abstoßend und ... doch Moment... irre ich mich? Auf einmal glätten sich seine Konturen vor meinen Augen und er sieht wieder ganz normal aus, wie sonst auch. Ich reibe mir die Augen. Nichts. Habe ich noch geträumt?

Doch den anderen geht es genauso. Auch sie sind erst von Goin angeekelt, doch dann ist das Gefühl fort. Langsam beschleicht mich der Verdacht, dass es etwas mit dem Buch des Wahnsinns zu tun haben könnte, das er zu lesen begonnen hat. Doch warum sind wir dann betroffen, und nicht er? Wobei, sein Verhalten gestern könnte man durchaus als krank bezeichnen. Wir werden ein Auge auf ihn haben müssen.


Wir sitzen gerade beim Frühstück zusammen, da kehrt Furgas zurück. Er war in Tamra und bringt einen ersten Lagebericht: magische Sperrfeuer der Belagerer, die aber dank Dorn kein Problem für ihn waren, die Verteidigungsmauer Tamras hält noch, ein paar schwarz-purpur gekleidete Tote in den Straßen. Und genau wie wir es nach unserem Besuch in Kront vermutet hatten: erneut kämpft eine kleine Schar Verzweifelter um die Rettung Tamras. Einer von ihnen ist Chronos, er erwarte uns bereits. Er hat also tatsächlich überlebt! Endlich einmal gute Neuigkeiten. Vielleicht erfahren wir von ihm mehr über das Baby und die Maschine.


Wie Chronos uns geraten hat, fliegen wir tief, schnell und unsichtbar über die Seeseite nach Tamra ein. Ich halte mich an Detritors Schultern fest und lasse mir den Wind um die Nase peitschen, das Wasser unter uns ist schwarz und undurchdringlich.
Plötzlich schießt etwas Großes, Monströses durch die Oberfläche und ich sehe nur noch ein riesiges Maul, das mich und Detritor wie Fliegen aus der Luft pflückt. Feuchte Dunkelheit umfängt uns, es stinkt entsetzlich nach faulendem Fisch und Galle. Bevor das Vieh uns tiefer verschlingen kann, rammt Detritor ihm seinen Klingenhandschuh in den Rachen, ich versuche es dazu zu bringen uns auszuspucken.
Auch wenn es nur wenige Sekunden gedauert hat, die Zeit im Schlund dieses Riesenfisches kam mir im Nachhinein wie eine Ewigkeit vor. Gegen die geballte Entschlossenheit unserer Gruppe hat das Biest keine Chance, und nach einem kurzen aber heftigen Kampf schneidet uns Detritor schließlich einen Weg aus dem erdrückenden Rachen und wir tauchen prustend auf. Gott, stinkt das widerlich. Vorerst mag ich keinen Fisch mehr sehen.

Furgas hievt mich und meine triefnassen Flügel aus dem Wasser und wir fliegen weiter gen Tamra. Goin ist schon vorausgeflogen, als ob ihn unser Kampf ums Überleben überhaupt nicht gekümmert hätte. Jedenfalls ist er nirgends zu sehen.
Offenbar gilt das jedoch nicht für uns, denn kaum kommen wir in Sichtweite der Stadtmauer, fliegen uns plötzlich Feuerbälle entgegen! Da ich in Furgas' Windschatten hänge, bekomme ich fast nichts ab, und einen Moment lang bin ich erleichtert. Doch dann erkenne ich den Preis für meine Rettung.

In der noch immer glänzenden Rüstung - steckt nur noch ein lebloser, verkohlter Körper!
Rot. Feuer in meinem Herzen. Voller Zorn und Schmerz brülle ich auf und presse meinen toten Freund an mich, bevor seine rauchende Leiche in die Tiefe fallen kann.

Neben mir stürzt sich Elidan ins Wasser, doch ich beachte es nicht.

Luzija beginnt, frenetisch herumzuwirbeln und zu schreien, doch ich beachte es nicht.

Die nächsten Feuerbälle rasen heran, doch ich beachte weder sie, noch die Tatsache, dass sie sich kurz vor uns in Luft auflösen. Starr vor Schrecken stiere ich auf meinen toten Kameraden.

Da berührt mich plötzlich Alceron sanft am Arm, nimmt mir wortlos Furgas' Körper ab und schwebt in Richtung Stadtmauer. Wie betäubt folge ich ihm, die anderen tun es gleich, selbst Elidan ist wieder da. Weitere Feuerbälle werden auf uns abgeschossen, doch sie verpuffen allesamt. Nein, nein, das kann nicht wahr sein - und doch sehe ich die Leiche über Alcerons Schultern.


Jenseits der Stadtmauer erwartet uns Goin in Begleitung einer grüngeschuppten, vier Meter hohen Gestalt. Er stellt sich als Hitlum vor, eindeutig eines der Drachenwesen aus Kront. Im Eiltempo treibt er uns durch die ganze Stadt, ich folge wie in Trance. Klammere mich an die Hoffnung, dass wir das Geschehene vielleicht irgendwie rückgängig machen können. Spüre eine Phiole in meiner Tasche, doch für solche Heilung ist es längst zu spät, und meine eigenen Verletzungen spüre ich im Moment gar nicht.
Sagte nicht Luzija damals, wir könnten nach dem Ritual nicht mehr so sterben wie andere? Wenn ich nur wüßte, was sie damit gemeint hat.

Schließlich gelangen wir zu einer Tür, auf Hitlums Klopfen öffnen einige bewaffnete Drachkin und lassen uns durch. Ein schier endloser Gang mit leichtem Gefälle bringt uns zu einer Falltür, ohne Zögern springe ich hinter Hitlum hindurch. Was macht es schon für einen Unterschied wie tief es hinab reicht.
Unten stehe ich auf einer Insel aus hellen Fliesen. Ansonsten umgibt mich Schwärze, doch ich sehe weitere Inseln. In der Ferne strahlt ein Leuchten. Was für ein interessanter Ort, fährt es mir durch den Kopf und einen Moment lang schäme ich mich für meine wiedererwachte Neugier. Doch den Sinnsaten in sich abzuschalten fällt mittlerweile schwer.

Wir folgen Hitlum im Zickzackkurs, mal bergauf, mal bergab, immer näher an das Licht heran. Je näher wir ihm kommen, umso stärker fühle ich mich an die Maschine erinnert, die in Ipkunis den Energieschild aufrecht erhielt. Ob es dasselbe Prinzip ist, das hier die Mauer Tamras aufrecht erhält? Vermutlich schon, ein Blick auf Luzija verrät mir, dass sie denselben Gedanken hatte.

Auf der letzten Flieseninsel liegen eine Drachenwesen und dösen vor sich hin. Unter ihnen befindet sich auch Chronos, seine eindrucksvolle, massige Gestalt ist nicht zu übersehen. Doch nicht nur er ist hier - auch Aldred und die beiden anderen Mitstreiter sind bei der Gruppe! Als Aldred uns erblickt, kommt er zu uns und umarmt uns herzlich, ich bin ein wenig überrascht denn Ig'nea hatte ihn doch sterben sehen. Doch er winkt nur ab und bedeutet einem der Drachen, etwas für Furgas zu tun, den Alceron gerade ächzend abgelegt hat. Der wirkt einen Zauber auf sich, schreitet durch das helle Lichtfeld der Maschine und öffnet eine Kiste, die dort neben einigen anderen steht, kehrt kurz darauf mit einem weißen Stab zurück, murmelt etwas und berührt den verkohlten Leichnam leicht mit dem Stecken.

Kein Lichteffekt, keine sonderbare Wandlung oder ein singender Chor - einfach so, von jetzt auf gleich, liegt plötzlich Furgas wieder vor unseren Augen, quicklebendig und unversehrt! Welche Wunder diese Ebenen doch zu bieten haben.
Noch ein wenig mitgenommen ist unser Freund, doch es ist ja genug Zeit zum Verschnaufen, denn Aldred hat verständlicherweise viele Fragen an uns. Während der fremde Drachkin sich um unsere Brandwunden kümmert, berichten wir so kurz aber umfassend wie möglich über unsere Erlebnisse:
Brenells Trick und den Verlust des Babys in Ipkunis, den Mord an Aldor Tatz und den daraufhin folgenden Sturz in den Abyss, die Rettung der Stadt und ihren Aufstieg nach Arborea, Brenells Zauber am Altar des Bären in Irkbaz und unser Wissen über die Insel im See.


Nach dieser langen Geschichte, die sich Aldred geduldig und ohne Zwischenfragen anhört, ist er einen Moment lang sehr nachdenklich. Kein Wunder, wir erzählen hier über Dinge, von denen die meisten Menschen nie gehört haben und glücklich sein können, wenn sie nie im Leben davon erfahren. Dann will er noch einmal genau wissen, wie die Sache mit der Übergabe an den Spruchesser fehlschlug, denn es war ja unsere Aufgabe, genau das zu verhindern, und dass Brenell das Baby doch bekommen hat, sei sehr schlecht. Dass er das Ritual der Bindung durchgeführt hätte, sei noch viel schlimmer, und wahrscheinlich hat er mittlerweile alle nötigen Rituale vollzogen und damit das Kind geprägt.

Endlich erfahren wir mehr über das Bündel, das Draka so lange gefahrvoll mit sich herumgetragen hat: es ist tatsächlich der Schlüssel für die magische Maschine auf der Insel, allerdings im übertragenen Sinne: Wenn es erst herangewachsen ist, wird es derjenige sein, der die Maschine verstehen und richtig bedienen können wird. Wer das Kind auf seine Seite gezogen hat, gewinnt damit also die Kontrolle über eines der mächtigsten Konstrukte der bekannten Welt, ein lohnendes Ziel für die Dunklen Acht. Und vielleicht auch für Brenell persönlich?
Mit dem Ritual in Irkbaz wurde die Stärke des Bären in das Kind gebannt, und da wir durch den Fehler beim Teleportieren damals zehn Jahre verloren haben, hatte Brenell genug Zeit, auch die übrigen Rituale durchzuführen. Ist das Kind überhaupt noch zu retten? Wie sieht es mittlerweile aus? Während seiner Zeit bei uns war es nicht merklich gewachsen.

Ein paar Drachenwesen kommen von oben herunter und schleppen ein paar der schwarz-purpur gekleideten Toten über den Schultern, werfen ihre Leichen in das weiße Leuchten der Maschine und für einen Moment lang flammt sie noch heller auf. Ja, eindeutig dieselbe Machart wie in Ipkunis, genauso frevelhaft.
Einer von ihnen tippt mich auf dem Weg zurück hinauf an und bedeutet mir zu folgen. Die anderen besprechen gerade die Möglichkeiten, das Kind aufzuspüren, und da ich nach zehn Jahren mit Spurenlesen keine große Hilfe und damit abkömmlich sein dürfte, folge ich ihnen. Oben erwartet mich eine Überraschung: Jarvis ist hier! Er wird von ein paar Drachen eher gelangweilt bewacht, sie scheinen ebenso zu wissen wie ich, dass er nicht hier ist um Streit mit ihnen anzufangen. Er hat sich Sorgen um mich gemacht, nachdem wir draußen in das Feuer der Baatezu geraten waren und so lange ohne ein Lebenszeichen hier unten ausharrten.
Zum zweiten Mal an diesem Tag spüre ich Feuer in meinem Herzen, doch dieses hier knistert wohlig warm und angenehm wie ein Kaminfeuer, nicht wie die sengende Glut meines Zorns.

Wir verabschieden uns zärtlich und sie lassen ihn laufen, dann kehre ich zu den anderen zurück, immer bedacht, den Schritten des Drachenwesens vor mir zu folgen. Wer weiß, was in der Dunkelheit zwischen den Flieseninseln lauert, wenn man vom rechten Weg abkommt - der leider unsichtbar ist.
Aldred erzählt gerade etwas über die Orks, die sich an der Stelle wo einst Ipkunis war, niedergelassen haben: sie würden, da sie von Natur aus dem Chaos nahständen, recht gut an diesen Ort passen, und offenbar beten sie uns als ihre Götter an! Sie haben sogar Statuen von uns errichtet. Spontan fallen uns da nur die Orks aus den Beastlands ein, deren Anführer wir aus Versehen ins Verderben gestürtzt hatten. Eigentlich hatten ja die Zwerge den übermächtigen Ogermagus erledigt, doch das schienen die Orks nicht bemerkt zu haben. Ein wenig einfältig, dieses Volk. Alceron scheint sie gar nicht leiden zu können, jedenfalls macht er ein Gesicht als stecke er gerade im Rachen eines riesigen, stinkenden Fisches.

Auf unser Drängen hin holt Aldred schließlich etwas weiter aus:

Früher gab es hier in Quesre nur Inseln, keine Städte, doch dann kamen die drei Gründer (einer von ihnen war Tatz Driz Torl) und stabilisierten das Gebiet durch die Triade: Ipkunis, Tamra und Man's End. Der große See war damals noch vollkommen hellblau und wurde „das Auge des Tages“ genannt - also davon war in diesem seltsamen Vers die Rede!
Doch dann kamen die Scheusale und töteten den Wächter der Insel, Tatz Driz Torl genannt Einauge, und der See verfärbte sich schwarz. Kein Wunder, dass das den Wasserlebewesen nicht gefiel und auf lange Sicht schwer geschadet hat, denke ich bei mir.
Um die Schwärze zu vertreiben, müßten wir alle Portale in die Unteren Ebenen schließen und die Baatezu vertreiben - doch dazu brauchen wir unbedingt das Kind, daher wird es unsere Aufgabe sein, es zu finden. Und zwar schnell, denn der Kampf dauert nun schon zehn lange Jahre an.
Leider kann uns Aldred keinen Hinweis geben, wo wir mit der Suche beginnen sollen. Wie auch, war er doch die letzten Jahr hier beschäftigt.

Wenn wir versagen, fällt die Insel in die Hand der Baatezu. Man's End ist die letzte Stadt der Triade, die noch unbehelligt scheint. Sie ist der geplante Anker für Quesre: die Baatezu bräuchten nur die gütige, rechtschaffene Hand der Lady Esalis zu korrumpieren und schon wäre die Richtung vorgegeben: in die Neun Höllen.

Unser Auftrag ist klar, doch bevor wir gehen müssen wir noch unsere Neugier stillen, Aldred ist schließlich auch schon viel herum gekommen und scheint einiges zu wissen. Selbst der Name Ryleh sagte ihm etwas, und das ist erstaunlich.

Wir erzählen von den Mönchen, die uns verfolgen. Er kennt den Orden zwar, auch ihren Stützpunkt in den Außenländern, doch hält er sie für friedfertige Seelen, die nie jemandem etwas tun würden. Für seinesgleichen mag das sogar gelten.
Dann bitten wir ihn, ein paar Dinge aufzuzählen, die die Götter selbst entzürnen würden: wenn Mechanus stillstünde, wenn der Blutkrieg beendet würde, wenn jemand eine Pforte ins Traumherz oder in die Fernen Reiche öffnete und dergleichen. Insgeheim ertappe ich mich dabei, wie ich im Gedenken an unsere vergangenen Taten abschätze, was davon wir wohl als erstes tun werden, unfreiwillig oder nicht.

Furgas, der sich mittlerweile wieder erholt und einen Spaziergang durch die Schildmaschine gemacht hat (ich fühle mich so erinnert an eine Begebenheit, bei der er meinte, unbedingt seinen Finger in einen Ebenenriß stecken zu müssen - manche Dinge ändern sich einfach nie) zeigt Dorn herum und erntet maßlose Bewunderung von den hiesigen Schmieden, sie bieten ihm Unsummen doch er lehnt dankend ab.
Auch Goin wird genauer unter die Lupe genommen, und Furgas mit seinem goldenen Drachenzweitgesicht, doch außer dass es komisch sei, bewerkstelligen die Magier nichts.
Wir erfahren von einem Grubenfürsten namens Ertu, der im Clinch mit Lolth liegen soll und beschließen, dass das ein guter Grund für den Mordauftrag an der Mutter Oberin sein könnte, damit ist also auch Alcerons offizielle Aufgabe abgeschlossen. Ich bin gespannt, was er mit so viel neuer Freiheit anfangen wird.

Zuletzt fragen wir noch nach Ychts Garten, da er hier in der Nähe liegt, wollen wir ihm einen Besuch abstatten. Aldred sagt, dort lebe ein uralter Drache, der das Leben hege und in Bahnen lenke.
Bevor er uns schließlich ziehen läßt meint er fast beiläufig, dass er sich wundere, warum Brenell ihn und die seinen damals in Irkbaz nicht endgültig vernichtete, es hätte in seiner Macht gelegen.

Auf dem Weg nach draußen stiehlt sich ein feines Lächeln auf meine Lippen.

Brenell, du ausgefuchster Brotkrumenstreuer.
Du hast geahnt, dass wir früher oder später hier auftauchen und so an Informationen gelangen würden.
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