Juvanis

Freitag, Januar 18, 2008

Et in Arcadia ego

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Wie friedlich es doch sein kann, unter blauem Himmel auf einer Blumenwiese im Schatten eines Apfelbaums zu sitzen und genussvoll einen süßen, rotbackigen Apfel zu verspeisen. Vögel zwitschern, ein laues Lüftchen weht mir hin und wieder durch die Schwingen und fordert mich zu einem Tanz auf.

Und dann das Gezeter.
Luzijas nervtötender Sopran zerschneidet die idyllische Ruhe und lässt jeden Gedanken an Frieden zerplatzen wie eine Seifenblase. Die empörte Stimme der rüstigen alten Oma mischt sich hinzu und Draka, die faul neben mir im Gras liegt, blickt mich seufzend an. Warum kann Luzija nicht einmal für ein paar Äpfel zahlen?


Wir hatten gerade erst das Portal an der vierstufigen Treppe in Sigil durchschritten, da standen wir auch schon mitten in diesem wunderschönen Garten. Hinter uns spannte ein sich ein großer Bogen, über und über mit weißen und gelben Rosen bewachsen, durch den wir Arkadien soeben betreten hatten. Ein fein säuberlich geharkter Weg führte an Streuobstwiesen vorbei in Richtung Gebirge, und aus dem Schornstein einer kleinen Hütte stieg feiner Rauch auf.
Draka und ich statteten der Hütte einen Besuch ab und erstanden von der Eigentümerin, einer älteren Dame, einen kleinen Korb frischer Äpfel, doch Luzija glaubte sich wohl selbst bedienen zu können - was in jenem Gezeter endete.


Nachdem wir nun also auch Luzijas Schulden beglichen haben, setzen wir unseren Weg lieber gleich fort in Richtung Gebirge. Der sonnige Tag läd förmlich zum Fliegen ein, und schon rauscht die Landschaft unter uns dahin. Nach einer Weile sehen wir unter uns einen langen Zaun, und wie es uns die alte Dame gesagt hat, folgen wir ihm.

Plötzlich sehen wir etwas auf uns zukommen, sehr schnell und ziemlich laut. Es ist ein Gnom, der auf einem mechanischen Vogel sitzt. Das Gefährt zischt, knattert und quietscht, aber es fliegt und er ist offenkundig sehr stolz auf diese Leistung. Als wir ihm erzählen, dass wir Gond und seinen Schmied besuchen wollen, lacht er nur und meint, man warte jahrelang auf eine Audienz bei ihm. Doch den Schmied mit dem runden Amboss kennt er, und er ist auch so freundlich uns zu ihm zu führen.

Aufgeregt und neugierig stehen wir also vor der Tür der Schmiede. Ig’nea hat sie gleich aus ihrer Vision wiedererkannt! Ein Zwerg öffnet uns, doch kaum dass er die Adamantwaffen erblickt, schlägt er uns die Tür vor der Nase wieder zu.
Jetzt bin ich doch ein wenig entrüstet, auch Elidan klopft noch einmal energisch und vielleicht sogar ein wenig magisch, woraufhin die Tür ihm einen ordentlichen Stoß verpasst, der ihn auf den Hosenboden wirft.

Doch zumindest tut sich jetzt drinnen etwas. Ein anderer Zwerg öffnet die Tür, und Ig’nea lässt uns wissen dass dies der Zwergenschmied aus ihrer Vision ist. Er ist nicht gerade erfreut uns zu sehen, doch Goin vermag ihn mit schönen Worten und großem Lob über dessen einmalige Zwergenschmiedekunst zu umgarnen.
So verrät er uns schließlich, dass er des Goldes wegen schon eine Menge Waffen für Brenell hat fertigen lassen, unter anderem die Säge vor etwa 200 Jahren. Die älteste dieser Waffe sei jedoch ein Krummsäbel. Diese Waffen seien deshalb so besonders, weil durch das kalte Schmieden die Essenz der lebendigen Erde nicht zerstört würde und man nur mit lebendigen Waffen die Wesen der Unteren Ebenen verletzen könne.

Langsam dämmert mir, warum ein Planetar wie der in Dorn sich freiwillig in solch eine Waffe stecken lassen würde.

Um jedoch Adamant kalt zu schmieden, fährt der Zwerg fort, bräuchte es erstens eine besondere Schmiede und zweitens einen unmenschlich starken Schmied. Beides, so verkündet er stolz, habe er bewerkstelligt.
Er führt uns zu einer Schleuse in einem hohen Gebäude, durch sie gelangen wir an eine fein zisilierte Goldtür mit vielen Schlössern. Obwohl sie massiv ist, dringen bereits rhythmische, ohrenbetäubende Schläge vom jenseitigen Raum zu uns heraus. Der Zwerg hantiert mit ein paar filigranen Schlüsseln herum, dann schwingt die schwere Tür langsam auf und gibt den Blick auf die seltsamste Schmiede frei, die ich je sah:


In der Mitte des Raumes ruht ein kugelrunder Amboss, von dem unzählige Verstrebungen zu dessen Verstärkung über den Boden und die Wand entlang laufen. Vor dem Amboss steht eine mannshohe, schwarze Rüstung, die in der einen Hand ein Schmiedestück hält, in der anderen Hand eine Art gläsernen Hammer, der an den Enden spitz zuläuft. Wie ein Berserker hämmert der Hüne mit roher Gewalt auf das Metallstück ein. Der Lärm, der bei jedem Schlag entsteht, geht durch Mark und Bein selbst wenn ich mir mit aller Kraft die Ohren zuhalte.

Als die Rüstung uns bemerkt, hält sie mit dem Schmieden inne und der Zwerg sagt, ihr Name sei Zordai, und Brenell habe sie damals gesandt. Als er den Namen Zordai ausspricht, fällt mir endlich wieder ein, worüber ich die ganze Zeit bei all dem Lärm vergeblich nachgedacht hatte: ich weiß, was das für ein Wesen ist.
Es ist ein Zodar. Ein Konstrukt, anders als dieser mechanische Vogel da draußen, doch hat er mit dem beinahe mehr gemeinsam als mit uns. Während meiner Nachforschungen über die Konstrukte in Mechanus war ich in einem Querverweis über die Zodar gestolpert. Die schwarze Rüstung war eine Art natürlicher Panzer, in ihrem Innern bestanden sie gänzlich aus Muskeln. Ein an reiner Muskelkraft stärkeres Wesen zu finden dürfte schwer sein.

Luzija wagt sich als erste nach vorn und beginnt vorsichtig eine Unterhaltung mit dem Kraftprotz, der jetzt völlig unbeweglich und ungerührt da steht. Noch immer klingeln meine Ohren, daher bekomme ich von der Unterhaltung nichts mit, doch schon nach kurzer Zeit hebt er wieder den Hammer und - zu meiner großen Erleichterung - drischt er nicht auf Luzija, sondern weiter auf das Metallstück ein.

Eilig verlassen wir diese Stätte des tödlichen Lärms, und draußen berichtet Luzija dass Zordai zwar nicht viel gesagt hätte, das was er zu sagen hatte sei jedoch sehr aufschlussreich gewesen: Er habe vor längerer Zeit etwas für eine Frau geschmiedet, sie sei jetzt „unten“. Gerade schmiede er an einem Langschwert für ein Kind, verrät jedoch nicht, ob und wann es abgeholt werden soll.

Wir pflichten Luzija bei dass es sich bei der Frau bestimmt um Brenells geliebte Prinzessin aus Orth und bei dem Kind um Drakas entführten Schützling handelt, und schnell ist der Plan gefasst, das Schwert auf seinem Weg von hier weg zu begleiten, um so an das Kind heranzukommen. Also heißt es warten.

Vier Tage verbringen wir in Luzijas magischer Hütte, und langsam werden mir selbst diese gewohnten vier Wände zu eng. Tagsüber streife ich in Abellio umher und versuche Alceron abzuhängen, wenn er glaubt mir geschickte Waldläuferfallen stellen zu können, nachts halten die mit den guten Augen abwechselnd Wache über die Schmiede.

Am vierten Abend bekommen wir plötzlich Besuch in unserer Hütte - Jarvis!! Überglücklich, meinen blonden Lieblingselfen endlich wiederzusehen, ziehe ich ihn, entgegen leiser Proteste gewisser Freunde es sei auch so schon eng genug hier, neben mich ans Feuer. Eng genug? Pah!
Doch Jarvis ist nicht nur zu seinem Vergnügen hier. Er warnt uns eindringlich davor, dem Zodar zu folgen, denn der hätte den Befehl, jeden Verfolger zu töten.

Gut, wir werden uns vorsehen müssen und ihm nicht einfach offen hinterher spazieren. Doch wie ich unsere Magier kenne, finden die schon einen Weg.

Und wenn nicht, so hinterlässt auch ein Zodar mit einem halben Tag Vorsprung noch gut sichtbare Spuren.


Aber nicht vor Morgen.
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Nym

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Goin erinnert uns daran, dass man uns in der Gilde der Schwertmeister des Ersten Tages erwartet, also verlassen wir Ipkunis und reisen über Blautann nach Sigil, ins Zentrum der Ebenen.

Der Page, der uns die Tür zum Fachwerkhaus der Gilde öffnet, sieht so müde und gelangweilt aus wie sich die meisten der Gildenmitglieder innerlich zu fühlen scheinen; doch äußerlich gibt man sich wild und ausgelassen: Die Party ist in vollem Gange.

An einem der Tische wird ein abartiges Spiel gespielt, bei dem sich zwei Scheusale gegenseitig rundenweise auffressen müssen - der Gewinner darf gehen, wenn er noch kann. Wie krank und dekadent müssen die sein, die um das grausige Schauspiel herumstehen und darüber lachen als sähen sie einem Kind beim Ballspielen zu!
Angewidert wende ich den Blick ab und sehe die weiße Statue namens Serath bei der hübschen Elfe stehen, von der Goin sagte sie sei ein goldener Drache. Ich sprechen den Weißen an und bitte um eine Audienz mit Nym, denn ich erinnere mich an Aldreds Worte damals vor langer Zeit in Irkbatz: Nym sei ein Engel in dieser Gilde, kein Freund von Dilus denn sie gehen verschiedene Wege, und einer der Vernünftigeren, Gemäßigten.

Bei der Erwähnung dieses Namens nimmt Serath mich beiseite und geht mit mir in ein etwas abseits gelegenes Zimmer. Zuerst fürchte ich, einen Fehler begangen zu haben, doch dann geschieht etwas Bezauberndes: vor meinen Augen beginnt sich der statuenhafte Körper von Serath zu verändern, ihm wachsen plötzlich enorme Schwingen, sein Gesicht nimmt lebendigere Züge an - vor mir steht Nym höchstpersönlich!
Ich brauche einen Moment um diese Überraschung zu begreifen, und einen Moment lang fühle ich den Drang, vor einem so mächtigen und alten Celest auf die Knie zu fallen. Doch er stellt sich als ruhiger und angenehmer Zeitgenosse heraus, ohne den Fehler der Eitelkeit, wie ich es erhofft hatte.


Nym erzählt mir, dass er den Planetaren, der in Dorn verkörpert ist, kennt. Den Namen will er zwar nicht verraten, aber er nennt ihn den Kompromisslosesten von allen - einer, der gegen alle Widerstände und um jeden Preis sein Ziel durchzusetzen versucht und wenig Hemmungen auch beim Einsatz von Gewalt hat. Ich muß an meine Begegnung mit Dorn zurückdenken und kann Nym insgeheim nur zustimmen. Einen so mächtigen Celesten gegen seinen Willen in ein Schwert zu binden hätte wohl selbst ein Brenell nicht vermocht - also spricht alles dafür, dass der Planetar es freiwillig tat.
Über Brenell ist Nym im übrigen nicht bereit zu sprechen, jener ist zu gefährlich. Zwei Mitglieder der Gilde sind schon auf sein Konto gegangen. Auch über das Baby weiß er nichts.

Doch über unsere Heimat kann er mir etwas berichten. Er sagt, unsere Heimat seien die Hinterlande, ein nahezu unbekanntes Gebiet jenseits der Außenländer, noch hinter den Torstädten zu den Ebenen. Und gleichzeitig wäre meine Heimat aber auch mitten in der Säule. Früher hätte ich so jemanden für verrückt gehalten, doch irgendwie machen seine Worte jetzt Sinn für mich. Ich werde das bei den Sinnsaten vertiefen, die Hinterlande klingen nach einem ganzen Universum voller Eindrücke, die es zu erfahren gilt!


Voller Tatendrang verlasse ich den Raum, Nym folgt mir, nun wieder in der Gestalt des Serath. Dieses, sein Geheimnis, ist eines das ich den anderen nicht mitteilen werde.

Draußen hat das gräßliche Freßspiel endlich ein Ende gefunden, doch wie ich erfahre war es Ig’nea, die einen der Abishai gegen Sex ausgelöst hat. Immerhin eine gute Tat in diesem Fall.
Goin tritt an Serath heran und bittet ihn, nun wie versprochen mehr über die Fernen Reiche zu erzählen. Und das tut er.

Serath sagt, die Fernen Reiche sind die Gegenrealität zu unserer, und eine Verbindung gäbe es nur dort, wo beide Welten einen gemeinsamen Punkt berührten - da gibt es das Traumherz und den Tiefen Schatten. Vom Traumherz haben wir bereits gehört, der Tiefe Schatten ist die tiefste, am schwersten zugängliche Unterebene der Schattenebene.
Manchmal würden ein paar Wahnsinnige von hier auch Wesen von dort magisch herbeirufen; diese würden dann Tunnel graben und sie mit ihrem eigenen Kot auskleiden, um sich so für eine Weile gegen die tödlichen Einflüsse dieser Welt abzuschirmen. Doch lange überleben sie hier nicht.

Was für eine verrückte Geschichte. Ich bin mir nicht sicher, ob Serath sich am Ende nicht doch noch einen Scherz auf unsere Kosten erlaubt hat, doch was ist schon unmöglich. Während ich noch grübele, beginnt Goin ein Lied zu singen und plötzlich ...

... als ich wieder einen klaren Gedanken fassen kann fühle ich mich, als wäre ich gerade ohnmächtig gewesen. Die anderen schauen ebenso verdattert, nur Goin singt nicht mehr und ich kann mich einfach nicht erinnern was da gerade geschehen ist. Etwas in Goins Worten.. doch dann verabschiedet sich mein Verstand wieder. Er behauptet jedenfalls gar nichts getan zu haben. Sehr merkwürdig. Ich werde wohl zwei Augen auf ihn haben müssen.


Schließlich nehmen wir unseren Abschied von der Feier der Gilde. Ig’nea übernimmt den verstümmelten Abishai und ich frage mich schon, was sie wohl mit ihm vorhat, doch da überrascht uns die halbtote Kreatur: kaum dass wir vor die Tür getreten sind, eröffnet uns das Scheusal dass ein älterer Vertrag ihn bindet und er nur hier sei um uns mitzuteilen, dass zwei tätowierte Mönche ihr letztes Hemd für zwei Stäbe des Magisters hergegeben hätten. Nun erfordere es sein Vertrag, zu sterben. Noch bevor ich eingreifen kann, öffnet Ig’nea wieder die Tür, schubst den Abishai hinein und ruft etwas von „Rückgaberecht“.

Manchmal frage ich mich, ob sie noch zu retten ist. Wenn Brenell ihn geschickt hatte, hätten wir ihn noch weiter befragen können!
Nun haben wir schon zwei Probleme: zwei fanatische Selbstmörder mit derartigen Waffen sind schlechte Neuigkeiten. Doch als wäre das noch nicht genug hat Ig’nea, von all den Vorkommnissen der letzten Minuten entnervt, endgültig ihr bisschen Geduld verloren. Sie fragt Goin noch einmal, was vorhin auf der Feier geschehen ist, und als er sich wieder weigert zu reden, tritt ein mir wohlbekannter Ausdruck auf ihr Gesicht.

Sofort wird Goin steif wie ein Stock, und kurz darauf erhält er von ihr einen Tritt in den Hintern. Dann erzählt sie uns, dass Goin das Buch des Wahnsinns gelesen hat, doch es stand etwas anderes darin als bei Luzija, nämlich wie man Kontakt zu den Leuten in den Fernen Reichen bekommt. Den stellte Goin auch her, und sie flüsterten ihm Dinge ein, die ihn veränderten.
Der beeindruckende Zwerg, dem wir am See vor Tamra begegnet waren, war ein Avatar des Zwergengottes Moradin gewesen, der ihn ein letztes Mal vor den Konsequenzen warnen sollte: dem Verlust seiner Seele.

Goin ist zwar ein wenig beleidigt als er wieder aus der Starre erwacht, aber er regt sich nicht weiter darüber auf. Bei Ig’neas momentanen Laune wäre das auch sicher keine gute Idee.


Wir schlendern durch Sigils Straßen ohne ein rechtes Ziel und ich will gerade Ig’nea fragen, ob sie mit mir im Stock eine Schädelratte zähmen geht, da kommen plötzlich zwei große Gestalten auf uns zu: unsere geflügelte Dämonin Luzija mit einem breiten Grinsen im Gesicht, denn im Schlepptau hat sie - Draka!!

Die Freude ist groß. Endlich sehen wir Draka, wohlbehalten und gesund, wieder! Wir umarmen uns, Luzija tanzt und kreischt herum, und erst als wie aus dem Nichts ein stattliches Herrenhaus neben uns in der Gasse erscheint erkenne ich, dass es ein Zauber war und nicht ein reiner Ausdruck ihrer Freude über Drakas Rückkehr.
Im Innern des geräumigen Palasts können wir ungestört bei einem guten Mahl erzählen, was wir auch die halbe Nacht lang tun. So viel Zeit ist vergangen, viel ist passiert, und wir alle sind neugierig, was Draka so lange getrieben hat.

Doch außer dass sie nach dem Kind gesucht hat erzählt sie nichts, was mich ein wenig traurig stimmt. Ich hatte auf spannende Geschichten aus fernen, exotischen Ebenen gehofft, auf abenteuerliche Reisen ins Innere von feuerspeienden Bergen in denen Drachen lebten und von Kämpfen gegen riesige Panzerkäfer. Oder irgendetwas in der Art.
Einzig die Begegnung zwischen Draka und Dorn bleibt mir ewig im Gedächtnis: Draka hebt die Klinge auf, schwingt sie ein paar Mal leicht durch die Luft und scheint eine angenehme Unterhaltung mit ihr zu führen; dann legt sie sie einfach weg. Sprachlos und ein wenig neidisch blicke ich sie an, doch dann tröste ich mich damit, dass ich definitiv das aufregendere Erlebnis hatte.

Schließlich entscheiden wir uns dafür, der Spur des Schmieds zu folgen, der auch für Dorns Existenz verantwortlich ist: laut Dilus lebt und wirkt er im Hause Gonds auf Abellio, der ersten Unterebene Arkadiens.

Anderntags begebe ich mich mit Ig’nea zu den Sinnsaten, um dort nützliche Informationen über unser neues Reiseziel zu sammeln, damit wir gegebenenfalls noch Vorbereitungen treffen können.
Der Gedanke, bald viele Meilen zwischen uns und die beiden irren Mönche mit ihren todbringenden Stäben bringen zu können, ist sehr tröstlich.
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Spiegelwelt, Scherbenwelt

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Auf der anderen Seite angekommen befinden wir uns in einem Labyrinth aus Spiegeln. Die Wände, der Boden, die Decke - alles besteht aus polierten Spiegeln. Vorsichtshalber markiert Luzija den Ausgang, damit wir uns nicht verlaufen.

Da erscheint wieder der Nerra in der schwarz-roten Robe. Er behauptet, unsere Sachen seien im Besitz der Blaulandsippe und macht deutlich, dass ihn ihr Tod nicht sonderlich schmerzen würde. Auch würde er uns den Spiegel, den wir in Crassis Kabinett repariert haben, gutschreiben, blieben also nur noch vier weitere. Dann mahnt er uns, an diesem Ort leise zu sein. Merkwürdig.
Furgas fängt plötzlich an, über Schatten zu sprechen - manchmal frage ich mich, was in seinem Kopf vor geht - obwohl wir gelesen haben, dass die Nerra die Schatten fürchten, und hört auch nicht auf damit, als unser Gegenüber ungehalten wird.

Auf einmal beginnt Furgas, in dem flüssig gewordenen Spiegel unter ihm zu versinken, und nur mit Mühe und einigen Scherben schaffen wir es, unseren Paladin wieder herauszuziehen. Der Nerra ist verschwunden, ohne eine Wegbeschreibung zu hinterlassen, also versuche ich mein bestes, den rechten Pfad zu finden.


Nach einer Weile bemerken wir, dass sich die Umgebung bläulich verfärbt. Ob das ein gutes Zeichen ist? Der Nerra sprach schließlich von der Blaulandsippe. Einer Eingebung folgend krame ich die Scherbe aus meiner Tasche hervor und betrachte mir die Gegend durch sie. Da sehe ich ein rotes X!
Wir folgen dem Zeichen, und nach zwei Stunden schweigendem Fußmarsch stehen wir vor einem großen Spiegeldom. Die mächtigen Spiegeltüren sind drehbar, Luzija wirft einen Blick hinein und beginnt zu jubeln, in diesem Dom befinden sich unsere Sachen!

Wir beginnen schnell alles einzusammeln, doch die Freude ist nur von kurzer Dauer, denn plötzlich taucht links von uns ein gläserner Hüne auf. Als er uns sieht, zieht er ein großes Schwert und stürmt auf uns zu. Luzija knurrt infernalische Worte und eine Wolke der Dunkelheit umfängt den Streiter, eilig spreche ich einen Segen über uns. Warum, warum nur - so kurz vor dem Ziel mussten wir entdeckt werden!
Zwei weitere Giganten rennen mit gezückten Waffen von der rechten Seite auf uns zu, sie sind einfach so zwei Spiegeln entsprungen. Luzija, die hinter ihnen steht, stößt einen der Spiegel um und er zerschellt unter großem Getöse auf dem Boden - sofort birst auch einer der Glasriesen in tausend Splitter.

Das also ist ihre Schwäche. Nach und nach zerschmettern wir alle Spiegel und vernichten etwa 60 der Kreaturen auf diese Art. Schließlich stehen wir schwer atmend und überall mit feinen Schnittwunden übersät auf einem Scherbenhaufen.

Bevor uns noch weiteres Unbill überraschen kann, raffen wir schnell unsere verbliebenen Habseligkeiten an uns, dann vollzieht Luzija ihren wahnsinnigen Veitstanz und bringt uns nach Ipkunis.


Elidan und Furgas verschwinden sofort und gehen ihren Verpflichtungen in der Stadt nach, Goin macht es sich mit Luzija im Folterkeller bequem - also gehe auch ich meiner Pflicht nach, indem ich einen schönen langen Spaziergang durch meine Parks mache. Nach wie vor glaube ich, ich habe die schönste Aufgabe hier abbekommen. Außerdem kann ich Ig’nea, die im Weißen Turm auf uns gewartet hat, bei der Gelegenheit über die vergangenen Ereignisse berichten.

Sie staunt nicht schlecht über meinen Bericht, und freut sich umso mehr über unseren Erfolg was die Wiederbeschaffung unseres Besitzes angeht. Auch über die Sache mit den vier Spiegeln denkt sie ähnlich mulmig wie ich; wer weiß, was die Nerra im Schilde führen. Hoffentlich kann das, was sie in ihrer Welt so bedroht, nicht auch zu uns heraus.


Nach fünf Tagen kommt Luzija wieder aus ihrem Keller heraus und präsentiert uns einen neuen, veränderten Goin Goldbart. Er sieht anders aus, irgendwie markiger, wenn auch die Veränderung nicht so groß ist wie es die Wandlung unseres singenden Tollpatsches Furgas in den schwertschwingenden Tollpatsch Furgas war. Auf Ig’neas neugierige Fragen hin erzählt uns Goin, dass er sich für den Weg des Totenkopfkriegers entschieden habe, den er im Gegensatz zu Detritor allerdings auch zu gehen gänzlich bereit sei.
Was aber auch bedeutet, dass er das Tattoo auf seiner Brust mit den Schädeln geschlagener Feinde füttern will. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diesen Teil für keine gute Idee halte, aber davon mal abgesehen scheint unser Freund noch immer der gutgelaunte Zwerg zu sein, als den wir ihn kennen gelernt haben. Ich werde ihn im Auge behalten.

Nun ist Goin also auch offiziell einer von uns. Zumindest kennt er uns lange genug um zu wissen, welchen Ärger und welche Feinde er sich damit eingehandelt hat; aber er ist nun auch nicht mehr so leicht auffindbar für sie.
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Ein Riß im Raum

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Erst als der gute alte Hans die schwere Tür von Arturs Haus hinter uns schließt wagen wir es, tief durchzuatmen. Auch Furgas’ Anspannung weicht sichtlich, und bei einem kargen aber guten Mahl erzählt er uns, wie es ihm gelungen ist, uns aus dem Totenreich zu retten:

Die magische Explosion hatte uns und einen Teil der Beastlands pulverisiert, einzig Dorn war es zu verdanken, dass Furgas mit dem Leben davonkam. Er begab sich also nach Sigil (wie er das nackt geschafft hat verschweigt er bis heute hartnäckig), bat Artur um Hilfe, und jener kannte diesen Abishai in der Grauen Einöde. Da der jedoch seine Arbeit versilbert sehen wollte und auch das Erweckungsritual selbst eine kostspielige Angelegenheit war, sah sich Furgas gezwungen, in Ipkunis zu Clara Herzblatt zu gehen. Für die Zusage einer lebenslangen Steuerfreiheit erhielt er das benötigte Gold und so konnte er uns ins Leben zurückholen.

Natürlich loben wir ihn gebührend für diesen guten Einfall; außer Goin, der tatsächlich den verlorenen Einnahmen nachtrauert.

Ein Problem ist jedoch die Tatsache, dass all unser Hab und Gut verloren ist, das schmerzt jeden von uns. Die andern trauern um Zeit, Gold und Mühe, doch ich muß den Verlust meiner tierischen Gefährten verarbeiten: Mein treuer Adler, das süße kleine Limlim, und mein stolzes Ur’Epona - alle im Himmel der Tiere. Vielleicht sollte ich mir ein neues Limlim kaufen, das wäre schön.
Furgas überreicht Luzija zu ihrer Überraschung den magischen Stab, mit dem wir damals in Ipkunis die Maschine gefüttert haben. Der habe die Explosion ebenfalls überlebt und auf dem Boden des Kraters gelegen, meint Furgas. Scheint ein wirklich mächtiger Stab zu sein.

Von diesem kleinen Erfolg ermuntert schlägt Luzija vor, auf die Suche nach unseren Habseligkeiten zu gehen, vielleicht gibt es ja noch eine Chance. Da eine Zeitreise nicht in Frage kommt (wie sich zeigt wäre das zwar theoretisch möglich, meint Elidan nach einem endlosen unverständlichen Monolog, aber viel zu gefährlich - und teuer), bitten wir wieder einmal Artur um Rat.

Er empfiehlt uns, es in Mechanus zu versuchen. Wenn jemand etwas über eine derart große Veränderung im Gefüge der Ebenen wüsste, dann die ordnungsfanatischen Modronen, die über die Integrität der Welten wachen. Dunkel erinnere ich mich an den unglückseligen Quarut, der in Ipkunis nach dem „Fehler“ für dessen Absturz in den Abyss suchte und zerfetzt wurde, als er ihn fand.
Ja, Mechanus klingt nach einer sehr guten Adresse.

Schnell wird uns jedoch klar, dass die meisten von uns keine große Chance hätten, dort lange zu überleben. Ig’nea ärgert es zwar, dass ausgerechnet sie da am wenigsten verloren hat, aber sie sieht es schließlich ein, und so verlässt uns Furgas anderntags mit dem Auftrag, herauszufinden, was aus dem entschwundenen Teil der Beastlands geworden ist.


Er wird uns später erzählen, wie schwer es wirklich ist, in Mechanus die zahllosen Regeln und Vorschriften nicht zu verletzen - von der Benutzung der richtigen Straßenseite über das Ausfüllen dutzender Anträge und Formulare bis hin zum korrekten Lauftempo.


Derweil haben wir anderen die Zeit in Sigil für unsere eigenen Unternehmungen genutzt. Alceron verdingt sich als Kopfgeldjäger um seine Kasse aufzubessern, ich begebe mich mit Jarvis auf eine Materierwelt und wir fangen drei Ur'eponas, die wir zur Zucht nach Ipkunis bringen.
Als wir nach vier Tagen zurückkehren, berichtet uns Luzija, dass sie mit Goin und Ig'nea die Gilde der Schwertmeister vom ersten Tag besucht hat! Was sie über diesen Besuch erzählt, erstaunt mich doch sehr.


Scheinbar feiern diese unglaublich mächtigen Wesen aus lauter Langeweile eine Party nach der anderen. Die sind ja schlimmer als die Sinnsaten! Und auf diesen Feiern vergnügen sie sich mit allerlei seltsamen Spielen, offenbar ganz nach Ig'neas und Luzis Geschmack, wenn ich ihr Grinsen richtig deute.
Luzija hat es also endlich geschafft, Dilus aufzuspüren; hoffentlich haben die Sehnsuchtsausbrüche, mit denen sie uns seit ihrer Begegnung im Grasland immer wieder überfiel, damit ein Ende. Während die beiden sich absetzten tat Goin, was er am besten kann: plaudern.

Mit einem einer weißen Statue ähnelnden Typen namens Serath hat er sich eine ganze Weile über alles Mögliche unterhalten: Die Mitgliedschaft in dieser Gilde, welche an schier unglaubliche Bedingungen geknüpft ist (wie zum Beispiel auf mindestens einer Welt als Gott verehrt zu werden oder tausend Jahre alt zu sein), die Sterblichkeit der Götter, die Fernen Reiche.
Letztere weckten natürlich Goins besonderes Interesse. Serath meint, diese Reiche seinen giftig für diese Seite der Realität, so eine Art Nichtexistenz. Doch wenn er mehr erfahren will, soll er in einer Woche wiederkommen.

Auch wenn es mich erstaunt, selbst Luzija hat nicht nur an ihren eigenen Vorteil gedacht: Dilus hat ihr verraten, wo wir den Schmied finden können, der diese eigenartigen Waffen herstellt, von denen wir bereits zwei besitzen. Er sei bei Gond im Haus des Wissens, welches sich in Abellio befindet - der ersten Ebene Arkadiens. Auf die Reise zu dieser Ebene freue ich mich schon jetzt!


Doch das muß noch warten, denn endlich kehrt Furgas aus Mechanus zurück. Er berichtet von dem langen umständlichen Weg, der ihn nach Regulus führte, wo er erfuhr, dass das Ereignis in den Beastlands gespiegelt wurde. Wie er sich daraufhin zur Spiegelhalbebene der Nerra aufmachen wollte, jedoch am Portal von einem Modronen daran gehindert wurde, da man das Portal aus Sicherheitsgründen versiegelt hatte. Angeblich hätten die Nerra versucht, die Macht an sich zu reißen und aus ihrer Halbebene in unsere Welt zu fliehen.

Wir stellen Nachforschungen bei den Sinnsaten an und erfahren so, dass es tatsächlich eine Welt zwischen den Spiegeln gibt. Die dort lebenden Nerra können jeden Spiegel wie ein Fenster zu uns nutzen, was sie zu ausgezeichneten Spionen macht. Allein der Gedanke, durch Spiegel zu schreiten wie durch eine Tür! Ich muß an den seltsamen Spiegel in Vellums Hütte denken. Ob das auch so einer war?
Gelehrte munkeln allerdings, es einen triftigeren Grund als Machtgier dafür gibt, dass die Nerra ihre Welt verlassen wollen. Was das wohl heißen mag? Welche Gefahren lauern hinter der polierten Oberfläche?

Kurzerhand postiert sich Luzija vor einem Spiegel in Arturs Haus und beginnt mit ihm zu reden. Erst denke ich sie hat nicht mehr alle Ebenen im Großen Rad, doch plötzlich klirrt eine kleine Glasscherbe zu Boden, auf der in Spiegelschrift geschrieben steht: „geh schlafen“.

Sie legt sich auch schlafen, sorgt jedoch vorher dafür, dass das Kätzchen, der unsichtbare Rakshasafürst, in ihrem Zimmer Wache schiebt. Keine schlechte Idee, denn in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages steht plötzlich ein Nerra in schwarz-roter Robe im Raum! Ein Mensch, dessen Haut aussieht als bestünde sie aus Spiegelglas, ohne Augen, der alles um ihn herum zurückwirft wie eine verzerrte Verkehrung.
Der Nerra ist zwar nicht erfreut über diesen Empfang, doch er verrät Luzija, dass unsere Habseligkeiten tatsächlich in der Ebene zwischen den Spiegeln gelandet sind, bei einem verfeindeten Nerraclan. Er will uns jedoch nur mit Informationen versorgen, wenn wir als Gegenleistung fünf Spiegel an Orten seiner Wahl aufstellen und Luzija ihm einen ihrer teuren Gegenstände überlässt. Sollten wir das akzeptieren erwartet er uns kurz vor Sonnenaufgang in Crassis Spiegelkabinett am Jahrmarkt.

Die Entscheidung ist schnell getroffen.


Im schummrigen Dunkel der Nacht verabschieden wir uns von Artur. Ein wenig nachdenklich sieht er aus, murmelt noch etwas davon dass wir langsam aufsteigen würden, doch wahrscheinlich meint er damit nur dass wir uns immer mehr Ärger einhandeln.

Eilig gehen wir durch Sigils Straßen, die selbst um diese Zeit nicht menschenleer sind. Wieder führt uns der Weg in den Stock, wo der „Jahrmarkt“ seine Heimat hat. Den habe ich mir anders vorgestellt, eher wie ein Fest der Sinnsaten, doch hier ist das ins Gegenteil verkehrt: heute wirkt der Stock düsterer und bedrohlicher als sonst, die Gegend ist noch übelriechender als die bei der Pranke. Wieder fällt mir der Vergleich ein, dass wir uns hier unten durch Sigils stinkende Innereien winden. An diesem Ort nur mit einer Robe bekleidet zu sein trägt nicht gerade zum Wohlbefinden bei.

Wir langen schließlich an der verfallenen Bruchbude an, über deren fehlender Tür die Reste einer morschen Holztafel verkünden: „Crassis Spiegelkabinett“.
Vorsichtig treten wir ein. Leere Wände, der Boden verdreckt und von Scherben übersät. Unsichtbare Ratten fiepen und scharren unter den Bohlen. Elidan bückt sich und dreht sinnend eine der Scherben in den Händen, dann murmelt er ein paar Worte und wie durch Zauberei fügen sich die Splitter zu einem intakten Spiegel zusammen. Furgas malt mit dem Finger ein C darauf, und plötzlich beginnt der ganze Spiegel zu summen! Er macht einen beherzten Schritt auf ihn zu - und verschwindet darin.
Eilig stecke ich mir eine der übrigen Scherben ein, dann folge ich den anderen durch den Spiegel.
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