Juvanis

Samstag, März 31, 2007

Der lange Weg nach Ipkunis

Kälte.

Eis kriecht durch meine Haut, meine Knochen. Bin ich tot?
Die Kälte sticht wie Nadeln in meinen Körper. Schmerz. Nein, ich lebe. Noch.

Eingefroren mitten in der Bewegung. Bin schwerelos. Einen Moment lang erinnere ich mich an vergangene Zeiten, in denen mich meine Flügel in den Himmel trugen. Glück. Wind in meinem Gesicht.
Doch nicht der Wind, sondern Frost beißt in meine Wangen. Ich fliege nicht. Bin gefangen in regloser Starre, meine gebrochenen Flügel umklammert von der gefrorenen Bosheit dieses Teufels.

Stille.
Ob die anderen noch leben? Ich will mich bewegen doch es geht nicht. Mir ist so kalt. Meine Gedanken werden langsamer. Panik. Doch auch sie kann die eisige Kälte nicht aufhalten, die mich durchdringt, lähmt.
Kaltes Blau, das sich langsam verfinstert.


Knacken.
War ich ohnmächtig? Wieviel Zeit ist vergangen? So entsetzlich kalt. Wieder dieses Knacken.
Da ist ein schwaches Licht. Rot. Etwas knirscht und zischt. Was ist das?


Ich kauere neben dem Feuer, das Ig'nea entzündet hat, um mich aus dem Eisblock zu schmelzen. Furgas hat mir eine Decke umgelegt und reibt damit unaufhörlich über meine blaugefrorene Haut. Noch immer klappern mir die Zähne und die Wärme will einfach nicht zurückkehren.

Irgendetwas ist passiert, als ich im Eis eingeschlossen war. Da ist plötzlich ein Eisenmännchen, oder Zwerg, wie sie sich hier ja nennen. Er hat ein Saiteninstrument über der Schulter und eine ziemlich große Axt.
Der Knochenteufel, der uns angegriffen und beinahe überwältigt hätte, ist tot. Seine Überreste treiben träge im Wasser. Elidan, der tatsächlich den Nerv hat es zu untersuchen, erzählt mir, dass dieses Biest auch ihn hatte festfrieren lassen, und dass wir nur dank einer seltsamen kleinen Kugel, die Luzija geschleudert hatte und die den Teufel beim Aufprall mit mächtigem Getöse vernichtete, überlebt haben. Dann kamen die anderen herbeigerannt, die bis dahin eine Bootsanlegestelle gesucht hatten, und kurz nach ihnen eine dreiköpfige Gruppe Fremder: ein vernarbter Krieger, ein weißhaariger Alter und dieser Zwerg.

Furgas will mir gerade erzählen, was aus dieser Gruppe geworden ist (mir brummt der Schädel von so vielen Informationen, ich bin noch gar nicht richtig bei mir), da höre ich Detritors Stimme. Ich blicke mich um: Dort hinten wabert eine schwarze Kugel. Ein Stück herausgerissene Finsternis, und das am hellichten Tage. Detritors Stimme tönt daraus hervor, er flucht recht ordentlich über die Dunkelheit und dass er nichts sieht. Ich suche in den leicht angetauten Tiefen meines Gedächtnisses und banne schließlich die Schwärze mit Tageslicht. Tatsächlich, da steht Detritor. Und neben ihm auf dem Boden liegt ein übel zugerichteter Leichnam. Was war nur los hier?


Nach einer Weile spüre ich endlich die Wärme des Feuers. Die anderen haben mir versucht zu erklären, was noch alles passiert ist, doch vieles davon ist widersprüchlich. Wo ist Draka mit dem alten Mann hin, den ich nie sah? Wer war er überhaupt und was wollte sie von ihm? Hat Detritor den fremden Krieger, dessen Leiche dort liegt, ermordet? Oder ihm einen Gefallen getan? Und warum? Tot ist er jedenfalls. Es fördert nicht unbedingt mein sowieso schon angeknackstes Vertrauen in meinen alten Freund.

Der Zwerg hat sich mittlerweile als Goin Goldbart vorgestellt. Er scheint nett zu sein, vielleicht ein bißchen verloren. Ob er auch ein Planloser ist? Wortgewaltig erzählt er uns, wie er hierher kam, von seiner Heimat, die er die vergessenen Reiche Faerûn nennt und von etwas, das mich zurückdenken läßt an das, was ich über Portale gelernt habe, damals in der Binge Barmak. Von dort kommt er jedenfalls nicht, das scheint sicher. So wie es aussieht, wird er eine Weile mit uns weiterziehen, er sagt, er kenne den Weg nach Ipkunis.

Plötzlich taucht Draka wieder auf, ohne den Alten. Als wir sie auf ihn ansprechen weicht sie aus, sagt, sein Name sei Elmar und er habe Goin als treuen Begleiter empfohlen. Dann ist sie auch schon wieder fort, auf der Suche nach der noch immer verschwundenen Luzija. Wahrscheinlich hat sie sich irgendwo unsichtbar versteckt, nur für den Fall dass der Knochenteufel wiederkommt. Der Kampf hatte sie auch ganz schön mitgenommen.


Als es schließlich darum geht, weiterzuziehen, konsultieren wir eine Karte aus dem Herrenhaus der Ordo. Sie zeigt die Straße, die hinter dem Haus nach Norden führt, entlang des Flusses und vorbei an einem östlich gelegenen Gebiet das mit "Ychts Garten - vorsicht!" markiert ist, bis sie sich nach einer Weile spaltet und in östlicher Richtung nach Ipkunis führt - falls Norden auf der Karte oben ist. Außerdem sind da einige Kreuzchen in östlicher Richtung eingetragen.
Wir einigen uns, einen Tag in Richtung der Kreuze zu gehen, entdecken jedoch nichts.

Mitten in der Nacht wird Detritor plötzlich von einem Wilden angegriffen! Er ist verdreckt, trägt nur noch die Überreste eines wattierten Unterkleids, redet wirres Zeug daher vom Schwarzen Mann, der uns alle holen würde, vom Engel des Todes, wir sollen weglaufen. Wir schaffen es, ihn zu überwältigen und für eine Weile läßt er sich noch halbwegs vernünftig befragen. Er trägt ein Tattoo, das Wappen der Ordos, durch das zwei Dolche von hinten gestoßen wurden. Was das wohl bedeutet? Aus seinem Gefasel wird man nicht wirklich schlau, doch drängt sich ein Verdacht auf: ist der schwarze Todesengel etwa der Dunkelelf Brenell? Dann hätten wir wirklich ein Problem.
Plötzlich befreit sich der Wilde aus seinen Fesseln und springt wieder Detritor an den Hals. Diesmal ist der jedoch besser vorbereitet und schlägt ihn derart heftig nieder, dass er nicht wieder aufsteht. Wir beraten uns kurz, und obwohl einige von uns neugierig sind, was es mit den Kreuzen auf sich hat, überwiegt doch die Vorsicht und wir kehren noch in derselben Nacht zurück zum Herrenhaus der Ordo.


Nach der langen Nacht rasten wir ein wenig, decken uns mit frischem Proviant ein und ich nutze die Zeit, um mich auf magische Weise ein wenig mit dem Gelände vertraut zu machen. Da ist tatsächlich so etwas wie ein großer Garten nordöstlich von uns, und dahinter die Stadt. Im Osten, da wo die Kreuze waren, scheint auch ein Haus zu stehen.

Bevor wir aufbrechen geschieht noch etwas Merkwürdiges: Detritor beschließt, seine Rüstung gegen die des toten Vernarbten zu tauschen, was mir zwar etwas Unbehagen bereitet, doch ich sehe ein, dass der Tote sie nicht mehr braucht, Detritor hingegen könnte sie einmal das Leben retten. Als er seine Kleidung ablegt kann ich einen Blick auf dieses gräßliche Mal auf seiner Brust werfen: der eingebrannte Totenkopf. Mir fällt auf, dass Detritor offenbar unter Schmerzen leidet, was vorher nicht der Fall war, ganz im Gegenteil. Ich biete ihm meine Hilfe an, und entgegen meiner Erwartungen ist er nicht mehr so abweisend. Als ich den Schädel untersuche, stelle ich fest, dass das Fleisch zwar tot, aber dennoch durchblutet wird. Sehr eigenartig. Irgendwie beunruhigend. Auch seine alten Zipperlein sind zurück.

Schließlich brechen wir auf und folgen dem Fluß nach Norden Richtung Ipkunis. Während wir so wandern, teils unterhalten von Einzel- und Duettdarbietungen von Furgas und Goin, teils grüblerisch schweigend, kommt mir eine gute, aber verhängnisvolle Idee: noch immer geht mir Detritors seltsamer Zustand nicht aus dem Kopf, und plötzlich habe ich einen Geistesblitz: er könnte vergiftet sein! Eine kurze Überprüfung bestätigt meinen Verdacht, und natürlich versuche ich sofort, ihn mittles magischer Reinigung zu läutern. Leider geht dieser gut gemeinte Versuch nach hinten los: Detritors Schmerzen verschlimmern sich schlagartig, wenn auch zum Glück nur kurzfristig. Als er endlich aufhört zu schreien untersuche ich ihn erneut: das Gift ist wieder in seinem Körper, als ob er es brauchen würde und es ihm nicht schadet, sondern die Schmerzen unterdrückt, die er ohne es hat. Sehr merkwürdig.
Nach dieser kurzen Unterbrechung setzen wir unsere Reise ohne Zwischenfälle fort.

Eine Woche sind wir nun schon am Flußlauf entlang gewandert, da tauchen hinter uns am Horizont schwarze Punkte auf, die schnell - sehr schnell - näher kommen. Ein ungutes Gefühl beschleicht uns. Ipkunis ist noch etwa zwei Wochen entfernt, das schaffen wir nie.

Am Nachmittag treffen wir auf einen Turm am Ufer. Ein sehr muskulöser junger Mann öffnet uns, er macht einen freundlichen und hilfsbereiten Eindruck. Auf unser Bitten hin steigt er auf seinen Ausguck und berichtet uns kurz darauf, dass die schwarzen Punkte eine Art Karawane ist: neun Männer, kahlgeschoren, fast nackt, mit goldenen Symbolen übersät und Sicheln bewaffnet und ein Gefährt. Er bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg nach Ipkunis sind, und verrät uns sogar dass es ein Portal nach Sigil an der Quelle des Flusses geben soll, zu dem er jedoch den Schlüssel nicht kennt. Vielleicht weiß ja jemand in Ipkunis etwas darüber. Und im Osten läge Ychts Garten, wo man nichts kaputt machen dürfe sonst drohe einem Furchtbares, doch wenn man hilft oder sogar neue Pflanzen bringt, bekäme man vielleicht etwas geschenkt. Wir danken dem Mann und machen uns schleunigst auf nach Norden, doch der Karawane können wir nicht entfliehen.

Am Abend haben sie uns eingeholt: ein leerer Gefängniswagen, gezogen von diesen Kahlköpfigen. Scheinen Mönche zu sein. Als sie näher kommen überläuft mich ein eisiger Schauer: auf der Brust trägt ein jeder der neun ein exaktes Ebenbild von einem von uns! Scheinen aus der Zeit, als wir in der Binge Barmak waren, zu stammen, gemessen an der Kleidung. Goin ist natürlich nicht darauf, ihn kannten wir damals ja noch nicht. Die Tattoos schimmern golden, solche Kunst bekommt man nur beim Tätowiermeister in Sigil. All diese Details schießen mir in Sekundenschnelle durch den Kopf - dann entdecken sie uns und rennen stumm, mit gezückten Sicheln auf uns zu!

Der Kampf ist ein Massaker.
Diese Mönche kämpfen mit einer stummen, zielstrebigen und erbarmungslosen Rücksichtlosigkeit, auch gegenüber sich selbst. So lange noch ein Funken Leben in ihnen ist hören sie nicht auf zu kämpfen, als ob Furcht, Aufgabe oder Gnade ihnen unbekannt wären.
Ig'nea läßt sie mittles Psi durch die Luft wirbeln, Elidan läßt Feuer aus dem Zauberstab auf sie prasseln, Detritor schlägt sich wacker an allen Fronten. Die neue Rüstung rettet ihm heute mehr als einmal die Haut. Elidan hat das Pech, an den Stärksten der Mönche zu geraten, der ihn mit fliegenden Fäusten traktiert. Im Teamwork können wir sie anfangs gut in Schach halten, doch obwohl Furgas sich tapfer seiner Haut erwehrt und auch ich durch einen glücklichen Hieb einen meiner Gegner enthaupten kann (ich wünschte, ich könnte fliegen!), gehen wir beide schließlich zu Boden. Zu unserem Glück scheinen die Mönche uns lebendig fangen zu wollen und schlagen uns nur bewußtlos. Sie sind unglaublich zäh und geben nicht auf, doch am Ende schaffen es unsere verbliebenen Freunde, sie zu überwältigen. Einsperren und befragen (was schwierig geworden wäre, denn wir stellen fest, dass ihre Zungen herausgeschnitten waren) läßt sich der letzte überlebende Mönch jedoch nicht - lieber bringt er sich selbst um.

Was sind das nur für Menschen?

Wir verschnaufen einen Moment und versorgen unsere schlimmsten Wunden, das wird einige blaue Flecke geben, an denen die wir noch tagelang unsere Freude haben werden. Furgas hat ein Veilchen davongetragen.

Seine Neugier hat er dennoch nicht eingebüßt und er macht sich daran, die Kisten auf dem Wagen zu untersuchen. Natürlich ohne auf Fallen zu achten, zu seinem Glück sind keine da. Diese Unvorsichtigkeit. Er ist ja auch noch nicht durch einen Dachstock gewirbelt worden.
In den Kisten befinden sich eine Frauenstatue aus weißem, glatten Stein, eine Menge Schmuck aus Kupfer und ein Buch. Eingehende Untersuchungen zeigen, dass all diese Gegenstände magisch sind, besonders das Buch hat eine starke Aura, doch die Schrift darin scheint verschlüsselt zu sein. Statue und Schmuck sind aus magischen Materialien, aber nicht mit Sprüchen belegt. Der Stein der Statue scheint außerdem künstlich zu sein, zeugt also von hoher Magie.

Derweil hat Ig'nea sich vor dem Wagen niedergelassen und beginnt, sich in Trance zu versetzen. Ich setze mich still neben sie um sie nicht zu stören, erinnere mich daran, wie sie das damals schon am Goldenen Tempel in Irkbaz getan hat und danach mit ganz erstaunlichen Erkenntnissen aufwarten konnte. Tatsächlich öffnet sie nach einer Weile wieder die Augen - sehe ich da etwa Tränen? Das kann nicht sein, Wasser ist so gar nicht ihr Element. Wir versammeln uns um sie und dann beginnt sie von ihren Visionen zu erzählen:

Etwa 400 bis 500 Jahre zuvor: zwei Menschen werden in einem grausigen Ritual von den Mönchen hingerichtet.

Dann ein Wechsel in die jüngere Vergangenheit. Sie fühlt große Freude, aber auch große Furcht. Ein Wagen wie dieser wird beladen. Aufbruchstimmung. Das Vernichten der Frevler ist oberstes Gebot. Besuch auf einem Felsplateau mit einem Markt, es scheint die Binge Barmak zu sein. Dort müssen sie den Auftrag bekommen haben, uns zu jagen.

Und dann die jüngste Vergangenheit: Begor, und auch Kira, sind in diesem Wagen gefangen! Beide werden, wie die zwei Menschen lange Zeit vor ihnen, gequält und bestialisch hingerichtet. Anschließend gibt es eine Freudenfeier, bei der das Buch aufgeschlagen ist und die Statue darauf steht, alle Umstehenden tragen den Kupferschmuck. Am Ende der Feier sind dennoch alle bedrückt, so als hätten sie zwar ihre Pflicht, es aber nicht gern getan.

Dann endet die Vision.


Schweigen.
Alles in mir fühlt sich taub und kalt an. Wie damals in dem Eisblock.
Zwei meiner Freunde, zwei Gefährten aus dem Dorf, die ich von Kindesbeinen an kannte, sind tot. Grausam geopfert von diesen gefühllosen Monstern, für die ich kein Mitleid aufbringen kann, jetzt nicht. Tränen laufen über meine Wangen, selbst Furgas, der sonst nie um Worte verlegen ist, bleibt stumm.

Wir alle trauern um Begor und Kira, die nur sterben mußten, weil sie aus dem Dorf kamen. Dem Dorf, über das wir nicht sprechen können und das außer uns niemand zu kennen scheint - und das offenbar aus gutem Grund.
Obwohl in mir, wie ich so darüber nachdenke, der Verdacht keimt, dass diese Mönche in irgendeiner Weise doch von unserer Existenz zu wissen scheinen - und uns dafür hassen. Nein, nicht hassen; ich erinnere mich an Ig'neas Worte. Sie ergötzten sich nicht an dem, was sie Begor und Kira antaten. Es war für sie eine Notwendigkeit, keine Freude. Welche Gottheit, welcher Glaube konnte nur so wahnsinnig sein? Was hatten wir ihnen denn bloß getan?

Während ich noch so vor mich hin grüble, haben sich einige von uns bereits erhoben. Detritor, Goin und Furgas schaffen die Leichen der Mönche ans Ufer, um sie dort unter Steinen zu begraben. Arbeit ist auch eine Art, Trauer zu bewältigen. Ich weiß, dass es richtig ist, die Toten ordentlich zur Ruhe zu betten, doch ich kann es nicht. Jetzt nicht.

Elidan hat sich wieder dem Buch zugewandt. Er beginnt, einen mir unbekannten Zauber der Bannung darüber zu weben, doch irgendetwas läuft schief: plötzlich bildet sich ein planarer Riss mitten in der Luft und es ist, als ob irgendetwas aus dem Buch versuchen würde herauszukommen, jedoch daran gehindert wird (vermutlich zu unserem großen Glück). Elidan faselt irgendwas von natürlich, fehlendes Opfer, nicht abgeschlossenes Ritual, doch ich bin noch zu benommen und überrascht, um es zu verstehen. Diese ganze Magie wird mir ab einem gewissen Punkt einfach zu kompliziert. Und als ob das alles nicht dumm genug gewesen wäre, kommt auch noch Furgas hinzu und steckt neugierig einen Finger in den Riss! Der führt irgendwo hin, wohin genau weiß keiner - außer seiner Fingerkuppe, die ist jetzt nämlich drüben. Natürlich ist nun der Katzenjammer groß, also versorge ich seine Wunde, die im Grunde gar keine große Behandlung nötig hat, ist sauber abgetrennt und verödet, und überschütte ihn mit Schelte. Wie immer, auch wenn es wohl nichts bringen wird. Solche Torheit, habe ihm immer gesagt dass seine Neugier ihn eines Tages den Kopf kosten würde, er kann froh sein, dass es diesmal nur die Fingerspitze war.

Jedenfalls orientiert sich Elidan beim nächsten Versuch mit dem Buch an Ig'neas Vision und stellt die Statue auf die verschlüsselten Zeilen. Siehe da, es wird lesbar. Hochkomplexe Formeln, Anleitungen für Rituale, alles was dort steht dient dem einen Zweck: die ?Frevler? sollen unschädlich gemacht werden, damit sie keinen Schaden anrichten können. Da steht, dass das Ritual einen Tag pro Person dauere und einige aufwändige und sehr teure Komponenten beinhalte, dann sei die Seele gereinigt und gehe in den Kreislauf ein. Mir wird übel als ich daran denke, dass unsere Freunde einen ganzen Tag lang diesen Fanatikern und ihrem wahnsinnigen Glauben ausgesetzt waren, bevor sie durch ihre Hand starben. Was müssen sie erlitten haben.

Auf der ersten Seite steht außerdem eine Warnung: die ?Probanten? müssten zu einem bestimmten Zeitpunkt tot sein, sonst entfalteten sie ihr volles Potential und vernichten den Ritualkreis. Was das wohl bedeutet? Jedenfalls scheint der Frevel, der uns in ihren Augen reinigungsbedürftig macht, in spirituellen Differenzen zu bestehen. Muß man sich deshalb gleich umbringen?

Als die Toten begraben und wir alle abseits des Weges müde und traurig beisammen sitzen, gehen uns noch einmal die Ereignisse der letzten Tage durch den Kopf. So viele Fragen.

Wer waren diese Mönche, und warum hatten sie es auf uns abgesehen?

Wer hat uns in der Binge Barmak verraten, und hatte er gewußt, dass er uns damit unseren Henkern ausliefert?

Was meinte die Prophezeiung in diesem Buch mit "vollem Potential"? Konnten wir das vielleicht irgendwie erreichen, wenn wir das Ritual absichtlich fehlschlagen ließen?

War der Todesengel, vor dem der wahnsinnige Wächter faselte, wirklich Brenell und wenn ja, war der etwa wegen uns und dem seltsamen Baby hier?

Wird man uns in Ipkunis den Schlüssel zum Portal nach Sigil verraten oder erwartet uns dort noch mehr Ärger?

Und was hatte es mit Detritors seltsamer Vergiftung auf sich?


Eines schien sicher: seit wir das Dorf verlassen hatten war plötzlich jeder hinter uns her, und das wohl aus verschiedenen Gründen. Wir würden in Zukunft viel vorsichtiger sein und gut aufeinander achten müssen. Zwei unserer Gefährten hatten wir bereits verloren. Es sollten nicht noch mehr werden.